20.04.2018FDPFDP

LINDNER-Interview: Macron wird schallend gelacht haben

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab "Spiegel-Online" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Severin Weiland:

Frage: Herr Lindner, heute sitzen in Berlin Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel  zusammen. Als Sie im vergangenen Herbst Jamaika sondierten, machte sich Macron wegen einer möglichen FDP-Regierungsbeteiligung noch Sorgen. Die haben Sie ihm mit dem Ausstieg aus Jamaika-Gesprächen im November genommen, oder?

Lindner: Er hat nun größere Sorgen, denn die Bundesregierung hat keine Antwort auf Macron. Bei uns wusste er, woran er ist. Auf uns könnte er sich dort verlassen, wo europäischer Mehrwert geschaffen wird. Etwa bei seinen Vorschlägen zur Flüchtlingspolitik, der Sicherheitspolitik oder der Förderung neuer Technologien. In Finanzfragen hingegen hätte es mit der FDP keine Spekulation darüber gegeben, ob Deutschland auf einen mediterranen Kurs einschwenkt, wie Frau Merkel ihn glauben gelassen hat.

Frage: In Teilen der SPD und der Grünen gibt es eine regelrechte Begeisterung über Macron, auch was seine finanz- und europolitischen Vorstellungen angeht. Warum bei der FDP nicht, die sich als Europapartei versteht?

Lindner: Weil wir Europäer und Anhänger der Marktwirtschaft zugleich sind. Wir teilen Macrons Ziele von mehr Wirtschaftskraft und Stabilität, aber sein Weg, Finanzen und Risiken in Europa stärker zu vergemeinschaften, führt nicht dorthin. Stattdessen sollten Deutschland und Frankreich private Investitionen und öffentliche Forschungsförderung im Bereich künstliche Intelligenz und Batterietechnik anstoßen. Wir sollten gemeinsam unsere Steuersysteme entbürokratisieren. Wir können den EU-Haushalt zukunftsweisend neugestalten. Herr Macron und Frau Merkel sollten sich darüber unterhalten, wie man mit den bestehenden Instrumenten Dynamik schafft. Die Aufgabe der finanzpolitischen Eigenverantwortung der Euro-Mitglieder ist dagegen falsch und unrealistisch zugleich.  
 
Frage: Frau Merkel schlägt jetzt Macron einen sogenannten Jumbo-Rat vor, wonach das Euro-Treffen der Finanzminister um die Teilnahme der Wirtschaftsminister ergänzt werden soll. Schafft sie damit nicht eine Alternative zu Macrons Umbau-Plänen?
 
Lindner: Nein, das ist reine Symbolpolitik ohne irgendeine praktische Auswirkung. Herr Macron wird schallend gelacht haben, dass dies die deutsche Antwort auf ihn sein soll. Damit wendet die Kanzlerin ihre klassische Merkel-Methodik an – mit einem symbolischen Kommissionitis-Vorschlag reale Änderungen zu vertagen. Ich sorge mich, dass so ein Aufbruch verstolpert wird. Die deutsche Regierung hat Macron und seine Bewegung „En Marche“ lange in einem falschen Glauben gelassen und Utopien genährt.

Frage: Die SPD kritisiert den Koalitionspartner ebenfalls, weil die Union immer neue rote Linien zieht.

Lindner: Merkels sozialdemokratischer Vizekanzler, Finanzminister Olaf Scholz, ist der große Schweiger. Welche Vorstellungen er konkret in der Eurozone hat – darüber wissen wir bislang nichts.

Frage: Die SPD ärgert sich über ein kritisches Papier des Unions-Fraktionsvizes Ralph Brinkhaus, das detaillierte deutsche Festlegungen in finanzpolitischen Fragen gegenüber Macrons Plänen verlangt. Kommt das Ihrer Haltung nicht entgegen?

Lindner: Das, was wir jetzt aus der Unionsfraktion hören, entspricht unserer Linie während der Jamaika-Verhandlungen und auch unseren Anträgen im Bundestag. Das wäre ein echter Schwenk. Denn in ihrer Regierungserklärung hat die Kanzlerin das Gegenteil davon vertreten, der Koalitionsvertrag von Union und SPD enthält ebenfalls eine völlig andere Politik. Sollte das Papier der Fraktion tatsächlich die neue Linie der Union beschreiben, wäre es daher ein Misstrauensvotum gegen die Kanzlerin und ein Kündigungsschreiben an die Adresse der SPD.

Frage: Nun, zunächst einmal ist es nicht mehr als ein Forderungskatalog aus der Fraktion.

Lindner: Das Papier zeigt, dass die FDP als liberale Partei im Bundestag wirkt. Die Union weiß, dass wir weitere Aufweichungen der finanzpolitischen Stabilität in der Euro-Zone und bei der Bankenunion zu einem zentralen Thema machen würden – auf den Marktplätzen und in den Sälen. Das wollen CDU und CSU insbesondere vor den Wahlen in Bayern und Hessen verhindern. Wir werden daher schauen, ob das Papier der Fraktion nur ein taktisches Manöver ist oder reale Politik.

Frage: Lassen Sie uns zu einigen der Vorschläge Macrons kommen. Was halten Sie von einer vertieften Bankenunion, mit dem angeschlagene Häuser gerettet werden sollen?

Lindner: Wenn es darum geht, gemeinsame Regeln für die Banken zu definieren und die Aufsicht für den Finanzsektor zu verbessern, dann spricht Macron die richtigen Themen an. Eine gemeinsame Einlagensicherung – wie sie die EU-Kommission will – kann man aber jetzt nicht mittragen. Es kann nicht sein, dass deutsche Kunden von Sparkassen oder Volksbanken für marode Banken in Südosteuropa mithaften sollen. Das wäre eine Transferunion durch die kalte Küche.

Frage: Warum sind Sie gegen seinen Vorschlag eines eigenen Haushalts in der Eurozone?

Lindner: Das ist eine Lösung für ein Problem, das es gar nicht gibt. Mit der Europäischen Investitionsbank oder mit dem Juncker-Plan könnten wir mit vorhandenen Möglichkeiten neues Wachstum anschieben. Wir brauchen vor allem keinen unkonditionierten Dispo-Kredit für Staaten, die Politik auf Pump machen wollen. Darauf liefe das hinaus. Nehmen Sie nur das Beispiel von Silvio Berlusconi, der bei der jüngsten Wahl wieder mit unhaltbaren Versprechungen Wahlkampf gemacht hat.

Frage: Wie steht es um die Umwandlung des bestehenden Eurorettungsfonds ESM in einen Europäischen Währungsfonds (EWF)?
 
Lindner: Das ist eine sinnvolle Weiterentwicklung, um die Unabhängigkeit Europas zu stärken. Ein EWF sollte mit objektiver Kompetenz über die Einhaltung der Euro-Verträge wachen. Im Krisenfall können von dort Stabilisierungsprogramme unabhängig von politischem Einfluss gesteuert werden.  

Frage: Sollte der EWF bei Krisen Mittel nur bei strikter Anwendung eines Reform- oder Anpassungsprogramms gewähren?

Lindner: So ist es. Programme sollten nur nach Zustimmung des Bundestages, mit klarem Reformfahrplan und in Verbindung mit der Möglichkeit einer Staateninsolvenz gewährt werden. Sonst wird es ein Länderfinanzausgleich, aus dem man sich einfach bedienen kann.

Frage: Die EU-Kommission will den EWF im Unionsrecht installieren, ohne Änderungen der europäischen Verträge und ohne Beteiligung der nationalen Parlamente. Die Große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag eine Beteiligung des Bundestags festgeschrieben. Trauen Sie dieser Zusage nicht?

Lindner: Ich habe den Verdacht, dass die Regierung Merkel die Beteiligung des Bundestages aushöhlen oder verwässern will. Dagegen werden wir uns politisch und notfalls bis vor das Verfassungsgericht wehren.

Frage: Für eine Vertragsveränderung des ESM wäre nicht nur die Zustimmung der Bundesregierung, sondern auch eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag notwendig. Würde die FDP da mitmachen?

Lindner: Das kann man pauschal nicht sagen. Wir sind bereit zu Gesprächen und zu konstruktiver Mitwirkung. Die Union kennt aber noch aus den Jamaika-Gesprächen unsere Ideen und roten Linien. Wie ernst es uns damit ist, wird noch in Erinnerung sein.

 

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