28.11.2017FDPFDP

LINDNER-Interview: Jamaika „hätte niemals vier Jahre gehalten“

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz.

Frage: Herr Lindner, Sie gelten als Totengräber eines Jamaika-Bündnisses. Wie fühlen Sie sich in dieser Rolle?

Lindner: Ein politischer Hagelschauer macht niemandem Freude. Die Entscheidung war schwer und die Konsequenzen sind ebenfalls schwerwiegend. In dieser Konstellation zu regieren, wäre aber für unser Land schlechter gewesen. Jamaika hätte die Politik der Großen Koalition fortgesetzt und um Verrücktheiten der Grünen ergänzt. Diese Koalition hätte niemals vier Jahre durchgehalten. Vielleicht wäre ich gerne einmal Finanzminister geworden, aber nicht, um mit Dutzenden Milliarden Euro die Widersprüche zwischen den Jamaika-Parteien zuzuschütten.

Frage: Woran sind die Jamaika-Gespräche letztlich gescheitert?

Lindner: Wir waren von Beginn an öffentlich skeptisch. Es ergab sich auch nach Wochen keine gemeinsame Idee und kein Vertrauen. FDP und Grüne wollen das Land in unterschiedliche Richtungen führen. Wir setzen Vertrauen in den einzelnen Menschen und auf eine offene Gesellschaft. Die Grünen setzen eher auf den Staat und Lenkung, auf Verbote und Subventionen. Das sind grundlegend verschiedene Politikverständnisse. Zwischen Union und FDP wären wir zu einem Abschluss gekommen. Leider hat am Ende die Union versucht, die Grünen mit Zugeständnissen zu gewinnen, ohne auf die Anliegen der FDP zu achten.

Frage: Die Kanzlerin will jetzt die Neuauflage der Großen Koalition. Union und SPD wollen allerdings erst im nächsten Jahr mit den Verhandlungen beginnen. Kann sich Deutschland diese Hängepartie leisten?

Lindner: Es besteht kein Grund zur Unruhe. Aktuell gibt es nur wenige Dinge, die dringend entschieden werden müssen. Und dafür hat Deutschland eine geschäftsführende Bundesregierung und ein voll arbeitsfähiges Parlament.

Frage: Große Koalition, Neuwahlen oder Minderheitsregierung – was wäre die beste Lösung für das Land?

Lindner: Die Große Koalition ist gegenwärtig die beste Lösung, wenn eine Neuwahl vermieden werden soll. Die GroKo wäre nicht kreativ, sondern nur am Status quo orientiert, gleichwohl aber stabil. Es war ein Fehler, dass die SPD nicht gleich nach der Bundestagswahl zu Gesprächen bereit war. Wir hatten die Bereitschaft dazu, obwohl die Hürde für Jamaika in der Sache viel höher ist, als die für die SPD, einfach im Kabinett zu verbleiben.

Frage: Beim Streit über den Familiennachzug von Flüchtlingen sollen sich Union, FDP und Grüne bereits einig gewesen sein. Was wird nun daraus?

Lindner: Von einer solchen Einigung ist mir nichts bekannt. Richtig ist aber, dass die Einwanderungspolitik das einzige Feld ist, wo ich eine innovative Jamaika- Politik für möglich gehalten habe. Sollte es eine Verständigung zwischen Union und Grünen zum Familiennachzug geben, würde ich diese gerne kennen. Die FDP bietet an, an einem solchen Kompromiss im Parlament mitzuwirken. So werden wir es bei allen fachlichen Einzelfragen als konstruktive Kraft halten.

Frage: Würden Sie auch auf die Stimmen der AfD bauen, um den Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus weiter zu begrenzen?

Lindner: Nein, das ist ausgeschlossen. Weichenstellungen in sensiblen Fragen sollten nicht unter Zuhilfenahme der AfD oder der Linkspartei geschehen. Mit den Randparteien gemeinsam Politik zu machen und Entscheidungen durchzusetzen, das wäre ein Dammbruch. Die Linkspartei will Sozialismus, die AfD denkt völkisch. Das passt nicht zu uns. Natürlich kann man nicht verhindern, dass die AfD auf Initiativen aufspringt. Aber wir wollen keine Initiativen ergreifen, bei denen die AfD von vornherein zur Mehrheitsbildung einkalkuliert würde.

Frage: Die Grünen werfen der FDP vor, die Union rechts überholen und im trüben Gewässer der AfD fischen zu wollen.

Lindner: Diese Verschwörungstheorien bestätigen im Nachhinein unsere Erkenntnis, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich ist. Wenn man Steuern senken und nicht erhöhen möchte, lieber Bildung als Umverteilung finanziert, ein Europa der finanzpolitischen Eigenverantwortung will und in der Flüchtlingspolitik so realistisch wie das liberale Kanada ist, dann stempeln die Grünen Sie als rechts.

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