06.12.2018FDPFDP

LINDNER-Interview: Habe keinen Futterneid

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab dem „Mannheimer Morgen“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Tatjana Junker.

Frage:  Herr Lindner, wie lange hält die große Koalition in Berlin noch?

Lindner: Das ist Spekulation. Ich gehe aber nicht davon aus, dass sie bis 2021 weitermacht. Die Union hält eine Erneuerung an ihrer Spitze für notwendig. Und was für eine Partei richtig ist, kann für das Land nicht falsch sein. Deutschland braucht einen Neuanfang. Themen wie Wirtschaftskraft oder Digitalisierung der Bildung müssen auf die Tagesordnung und auch angegangen werden.

Frage:  Bei diesem Neuanfang wollen Sie jetzt doch wieder mitmachen. Zumindest haben Sie zuletzt Offenheit für neue Jamaika-Gespräche gezeigt.

Lindner: Im vergangenen Jahr war es unter Führung von Frau Merkel nicht möglich, ein Erneuerungsprojekt für Deutschland anzustoßen. Das lag auch daran, dass sie nach zwölf Jahren Kanzlerschaft nicht bereit war, alte Fehler, etwa in der Flüchtlingspolitik, zu korrigieren oder neues Denken zuzulassen. Zum Beispiel mit einem Digitalministerium. Jetzt, wo Grüne und bald auch CSU und CDU unter neuer Führung stehen, können wir uns wieder Gespräche vorstellen – vor oder nach Neuwahlen.

Frage:  Warum sollte eine Einigung mit den Grünen dieses Mal besser gelingen? Bei deren Idee einer Garantiesicherung, also einer Art Hartz IV ohne Sanktionen, muss es Sie doch gruseln.

Lindner: Die Grünen wollen die Steuerbelastung für die arbeitende Mitte um insgesamt 30 Milliarden Euro erhöhen und das Geld dann Menschen geben, die nicht arbeiten wollen. Das ist mit uns in der Tat nicht zu machen. Aber man muss grundsätzlich kompromissfähig sein. Das sind wir. Die FDP regiert in drei Bundesländern gemeinsam mit CDU, SPD und den Grünen, in unterschiedlichen Konstellationen.

Frage:  Den Grünen gelingt es viel mehr, sich als Partei der Mitte zu positionieren. In Umfragen kommen sie auf 19 Prozent, die FDP auf neun. Was machen die Grünen besser?

Lindner: Ich habe keinen Futterneid. Wir setzen als Partei nun mal eher auf Bildung als soziale Aufgabe, nicht auf Rente ab Geburt. Wir fragen, wie der Wohlstand erwirtschaftet wird, und nicht nur, wie wir ihn verteilen. Und wir wollen Klimaschutz und Mobilität durch Technologieoffenheit und Naturwissenschaften sichern, nicht mit Quoten, Verboten und Subventionen. Wenn das derzeit nur zehn oder elf Prozent der Menschen überzeugt, ist das ok.

Frage:  Die CDU wählt am Freitag ihre neue Spitze. Könnten Sie mit Friedrich Merz als Wirtschaftsmann besser als mit Annegret Kramp-Karrenbauer?

Lindner: Friedrich Merz ist uns in der Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Tat näher. Er hat aber auch irritierende Dinge vorgeschlagen: eine EU-Steuer und eine europäische Arbeitslosenversicherung. Das halte ich nicht für klug, es würde nur der populistischen Regierung in Italien das Leben leichter machen. Bei beiden Kandidaten gibt es außerdem gesellschaftspolitische Positionen, die wir problematisch finden. Sie stehen für eine sehr konservative Familienpolitik und ein traditionalistisches Frauenbild. Ich habe deshalb keinen Wunschpartner. Jeder hat Vor- und Nachteile.

Frage:  Der Bund will Milliarden in die Digitalisierung von Schulen investieren – ein Kernthema der Liberalen. Die Bundesländer stellen sich aber quer und wollen den Vermittlungsausschuss anrufen. Ärgerlich, oder?

Lindner: Die vom Bundestag beschlossene Änderung des Grundgesetzes ist ein Schritt in die richtige Richtung. Einer Verwässerung der Reform in Qualitätsfragen würden die Freien Demokraten nicht zustimmen. Problematisch ist, dass auf Wunsch der Unionsfraktion im Bundestag nun bestimmte finanzielle Bedingungen an die Länder gestellt werden. Das muss die CDU-Familie aber unter sich ausmachen. Mich besorgt vor allem die sehr orthodoxe Haltung des grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg.

Frage:  Warum?

Lindner: Winfried Kretschmann lehnt jede Zusammenarbeit als Eingriff in die Länderzuständigkeit bei der Bildung ab. Das könnte ich vielleicht nachvollziehen, wenn die Qualität der Bildung in Baden-Württemberg unter seiner Regierungsführung besser geworden wäre. Sie ist aber schlechter geworden. Wir brauchen zudem eine gemeinsame Verantwortung für Bildung in Deutschland. Ein Umzug in ein anderes Bundesland darf nicht zum Risiko für die Kinder werden.

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