11.01.2019FDPFDP

LINDNER-Interview: Griechenland ist noch nicht über den Berg

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab der „Passauer Neuen Presse“ und der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz.

Frage: Herr Lindner, die FDP warnt angesichts des Besuchs von Kanzlerin Angela Merkel in Athen vor weiteren Finanzhilfen. Warum wollen Sie Griechenland den Geldhahn zudrehen?

Lindner: Wir wollen Griechenland nicht den Geldhahn zudrehen, wenn es sich an die vereinbarten Reformziele hält. Leider müssen wir bezweifeln, dass die linke Regierung von Alexis Tsipras ihre Zusagen erfüllt. Bei der Privatisierung und Marktöffnung wurde wieder ein Jahr verloren, die zugesagte EU-Angleichung der Mehrwertsteuer wurde abgesagt. Solidarität sollte strikt an Gegenleistungen gebunden bleiben. Das Ziel muss sein, dass die Euro-Mitgliedstaaten dauerhaft finanzpolitisch eigenverantwortlich sind. Dafür darf die griechische Regierung ihr Volk nicht länger mit falschen Versprechen in Wahlkämpfen ködern.

Frage: 2017 haben Sie den Grexit empfohlen. Aber das Hilfsprogramm scheint Wirkung zu zeigen: Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit geht zurück. War das nicht doch der richtige Weg?

Lindner: Bei der langfristigen Schuldentragfähigkeit bin ich gespannt. Man weiß nicht, ob der andere Weg besser gewesen wäre. Jetzt steht wieder ein Wahlkampf in Athen an, der zu Rückschritten führen kann. Frau Merkel muss gegenüber Herrn Tsipras Klartext sprechen. Wir haben schon 2015 den Grexit als Option gesehen, wenn die dortige Regierung nicht auf die Anforderungen eingehen kann oder will. Es hätte dann Hilfen gegeben, die zweckgebunden gewesen wären und nicht als Kredit getarnt. Auch der damalige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und die Mehrheit der europäischen Finanzminister hatten das. Das ist jetzt vergossene Milch. Klar ist heute: Die Reformvorhaben müssen umgesetzt werden.

Frage: Griechenland ist aus Ihrer Sicht also noch nicht über den Berg?

Lindner: Nein, Griechenland ist noch nicht über dem Berg. Allerdings will ich auch unterstreichen, dass es uns nicht um ein pauschales Griechenland-Bashing geht. Jeden Fortschritt dort begrüßen wir. Im Übrigen sehen wir, unter welch schwierigen Bedingungen die Menschen dort leben und welche harten Einschnitte sie in den vergangenen Jahren hinnehmen mussten. Dass wir mit der Regierung in Italien ein viel größeres politisches und ökonomisches Problem in Europa haben, zeigt die Notwendigkeit, im Kleinen wie im Großen auf die Fiskalregeln zu achten. Notfalls müssen Konsequenzen in Form von Strafzahlungen oder ausgesetzten Überweisungen gezogen werden.

Frage: Dunkle Wolken am Konjunkturhimmel, Unsicherheit angesichts des Brexit und drohender Handelskriege – welche Weichen müsste die Bundesregierung jetzt stellen?

Lindner: Die Bundesregierung macht weiter, als sei nichts passiert. Es wird Geld verteilt, Bürokratie aufgebaut, der Diesel wird verboten. Alles kostet Geld, macht uns aber nicht stärker. Die Zukunftsthemen wie künstliche Intelligenz und digitale Infrastruktur bleiben am Rand. Inzwischen wird hinter verschlossenen Türen an einem Programm für breitflächige Steuererleichterungen gearbeitet für den Fall einer Rezession. Wir brauchen aber jetzt Entlastung. Die Regierung darf nicht warten, bis wir wirklich auf Talfahrt sind. 

Frage: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagt, die fetten Jahre seien vorüber und warnt vor zu großen Entlastungen...

Lindner: Fette Jahre gab es für den Staat, aber nicht für die Facharbeiter. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn Deutschland die höchsten Steuerbelastungen weltweit hat und der Staat den Spielraum für private Investition und Vorsorge einschränkt, weil die Politik nur Subventionen verteilen will, dann ist das das wahre Problem. Damit wir gar nicht erst in eine Rezession rutschen, sollte die Regierung jetzt breitflächige Maßnahmen einleiten, um die wirtschaftliche Entwicklung positiv zu stabilisieren. Dazu gehören etwa andere Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgüter, von denen auch der Mittelstand profitieren würde und die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. 

Frage: Die deutsche Industrie fordert einen härteren Kurs gegenüber China, warnt davor, dass Deutschland und Europa den Anschluss verlieren könnten. Was muss geschehen?  

Lindner: Die Europäische Union ist hier gefordert. Deutschland als Exportwirtschaft hat ein Interesse an einer Kooperation mit China. Das ist ein wichtiger Markt und ein Wachstums- und Wohlstandsbringer. China ist inzwischen selbst Technologienation. Deshalb müssen wir uns nicht vor dem Ausverkauf deutscher Technologien fürchten, sondern davor, dass uns die Chinesen durch eigene Entwicklungen und Ingenieurkunst abhängen. Aber wir brauchen Fairness auf beiden Seiten. Wenn die Chinesen bei uns investieren, muss das auch ohne Hürden in China möglich sein. Und die EU-Handelskommissarin muss Dumping seitens der chinesischen Seite konsequent verhindern. Als größte Wirtschaftsregion der Welt dürfen wir uns von Peking nicht einschüchtern lassen.

Frage: Nach der Bundestagswahl wollten Sie nicht regieren und haben einem Jamaika-Bündnis eine Absage erteilt. Jetzt bietet sich die FDP wieder als Regierungspartner an. Woher kommt der Wandel?

Lindner: Ihre Unterstellung wird nicht richtiger, nur weil sie permanent öffentlich wiederholt wird. Es gibt wohl ein Jamaika-Trauma, das wir nicht teilen. Für mich ist das Vergangenheit. Wir fühlen uns bestätigt. Wir wollten regieren, aber nicht als Mehrheitsbeschaffer für Schwarz-Grün unter Frau Merkel. Damals wie heute sind wir bereit zur Übernahme von Regierungsverantwortung, wenn es eine faire Zusammenarbeit gibt und das Land erneuert werden kann. Inzwischen gab es personelle Veränderungen bei Union und Grünen. Und plötzlich will die CDU den Solidaritätszuschlag abschaffen, obwohl sie während der Jamaika-Verhandlungen dagegen war. Würden wir gefragt, dann würden wir sondieren, ob heute andere Ergebnisse erreicht werden könnten. 

Frage: Wären Neuwahlen im Falle eines Scheiterns der Großen Koalition nicht der sauberste Weg?

Lindner: Das kann man sich nicht aussuchen. Meinetwegen könnte man morgen neu wählen. Wir laufen jedenfalls niemandem hinterher, aber wir laufen auch nicht weg, wenn wir zu Gesprächen eingeladen werden. Allerdings haben die Grünen einen weiteren Linksruck vollzogen, so dass eine Erfolgsgarantie nicht besteht. Unsere Positionen in der Sache haben sich seit der Bundestagswahl ja nicht geändert.

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