11.03.2013FDPInnenpolitik

LINDNER-Interview für die "Rheinische Post"

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der "Rheinischen Post" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Für Abweichungen der Druckfassung ist die Redaktion verantwortlich. Die Fragen stellte MICHAEL BRÖCKER:

Frage: Glückwunsch zu Ihrem Wahlergebnis. Aber sind 77 Prozent für den Hoffnungsträger der FDP nicht etwas mickrig?

LINDNER: Ich bin einer der Verantwortungsträger der FDP - und mit meinem Ergebnis zufrieden. Der Parteitag hat die Phase der Selbstbeschäftigung der FDP beendet. Dazu brauchte es reinigende Gewitter. Insofern hatte der Parteitag etwas Befreiendes.

Frage: Haben Sie nicht mehr erwartet?

LINDNER: Gerade mit Blick auf die vielen Wettbewerbssituationen auf dem Parteitag war das ein ordentliches Ergebnis. Ich kann jetzt von NRW aus daran mitwirken, dass Deutschland weiter aus der Mitte regiert wird.

Frage: Sie sind damals als Generalsekretär zurückgetreten, weil sie politische Differenzen mit Philipp Rösler hatten. Sind die jetzt plötzlich weg?

LINDNER: Philipp Rösler und Rainer Brüderle setzen beide neue Akzente. Wir sprechen öfter darüber, wie wir Menschen in die Lage versetzen, die Chancen, die unsere Gesellschaft bietet, auch wirklich zu nutzen. Wir erinnern an die liberalen Grundwerte Selbstbestimmung und Verantwortungsgefühl. Und wir verdeutlichen, dass wir Märkte zwar nicht wie Rot-Grün lenken, aber sehr wohl ordnen wollen. Faire Aufstiegschancen und Ordnungspolitik in der Tradition von Lambsdorff sind auch meine Anliegen.

Frage: Nochmal. Die früheren Differenzen sind ausgeräumt?

LINDNER: Wir arbeiten nun in ganz anderen Rollen zusammen. Und ganz grundsätzlich lebt eine liberale Partei von ihrer Meinungsvielfalt. Nur in Sekten sind alle immer einer Meinung.

Frage: Wie bewerten Sie, dass der Parteitag die Bundesminister Niebel und Bahr abgestraft und dafür den Dauerkritiker Kubicki ins Präsidium gewählt hat.

LINDNER: Die FDP weiß, was sie an Gesundheitsminister Daniel Bahr hat. Er hat mit der Abschaffung der Praxisgebühr ein echtes Ärgernis für die Menschen beseitigt. Es war ein Wahlgang mit zwei Ministern und einer besonderen Einzelpersönlichkeit. Die Delegierten haben sich nicht gegen die Minister, sondern für den erfolgreichen Wahlkämpfer entschieden.

Frage: Wird er sich im Team einordnen können?

LINDNER: (lacht) Wenn Wolfgang Kubicki sich einordnet, wäre er nicht mehr Wolfgang Kubicki.

Frage: Was werden Ihre Schwerpunkte sein?

LINDNER: Wenn mir ein Handwerksmeister aus NRW erzählt, dass er es nicht versteht, dass der SPD-Wirtschaftsminister Duin so ein bürokratisches Unding wie das Tariftreuegesetz zulässt, und er sich andererseits fragt, warum die Politik erlaubt, dass das Scheitern einer amerikanischen Bank sein Geschäft in Turbulenzen bringen kann, dann ist eine ordnende Partei wie die FDP gefragt. Ich werbe für einen Staat, der die Menschen im Alltag in Ruhe, aber bei den großen Lebensrisiken nicht im Stich lässt.

Frage: Gehört zu den Lebensrisiken auch ein Niedriglohn, der nicht zum Leben reicht?

LINDNER: Darauf gibt es keine simple Antwort. Arbeit ist in jedem Fall besser als Arbeitslosigkeit, denn vielen gelingt der Aufstieg aus dem Niedriglohnbereich. Der politische Einheitslohn wird zu schnell zur Hürde für Jugendliche oder Langzeitarbeitslose. Wir müssen uns allerdings der Tatsache stellen, dass es inzwischen Regionen und Branchen gibt, in denen die Tarifbindung massiv reduziert ist. Dort besteht die Gefahr, dass der einzelne Geringqualifizierte bei der Lohnfindung mit einem übermächtigen Arbeitgeber konfrontiert wird. Das lässt auch Liberale nicht kalt. Wir sind für die Stärke des Rechts und nicht für das Recht des Stärkeren.

Frage: Sollte die Koalition noch vor der Bundestagswahl einen Beschluss fassen?

LINDNER: Erstens hat die CDU selbst keine Position. Merkel klingt vernünftig, Laumann nach Gabriel. Zweitens wollen wir bis Mai zunächst unsere Lösungen diskutieren. Mir ist wichtig, dass weiter Tarifpartner statt Politikern entscheiden. Regional, branchenbezogen und mit Öffnungsklauseln etwa für Auszubildende und Langzeitarbeitslose.

Frage: Rösler und Sie haben sich in der Rede vor allem an den Grünen abgearbeitet. Eine Ampel-Koalition scheint undenkbar.

LINDNER: Die Grünen sind die einzige Partei, die von sich glaubt, in die Geheimnisse der Geschichte eingeweiht zu sein. Deshalb erlauben sie sich, den Menschen bis in den privaten Alltag vorschreiben, wie sie zu leben sollen. Das ist autoritär. Unser Motto ist dagegen: Leben und leben lassen.

Frage: Träumen Sie manchmal davon, Parteichef zu sein?

LINDNER: Politik bestimmt meine Tage, nicht meine Nächte.

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