12.03.2010FDP

LINDNER-Interview für den "Münchner Merkur"

Berlin. FDP-Generalsekretär CHRISTIAN LINDNER gab dem "Münchner Merkur" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER.

Frage: Herr Lindner, Ihr Parteichef Guido Westerwelle hat seit der Wahl eine kometenhafte Karriere hingelegt: Vom Popstar zum Prügelknaben. Wissen Sie noch, wie Ihnen und der FDP geschieht?

LINDNER: Wir setzen sorgfältig das um, was wir vor der Wahl versprochen und in der Koalition vereinbart haben. Ich bin überzeugt, dass die heutigen Kritiker sich morgen wieder von Ergebnissen überzeugen lassen.

Frage: Den Störenfried in der Koalition zu geben, wie die CSU Ihnen vorwirft, hatten Sie nicht angekündigt.

LINDNER: Ich beteilige mich ungern an solchen atmosphärischen Debatten. Ich glaube, dass die CSU genug interne Dinge hat, die sie sortieren müsste.

Frage: Einen Absturz von 14 auf 8 Prozent in den Umfragen binnen weniger Monate: Das hat es noch nicht gegeben!

LINDNER: Alle Institute außer einem messen die FDP zweistellig. Aber egal: Wir sind in einer Phase, in der sich die Koalition Geschlossenheit erarbeiten muss, damit sie unserem Land Orientierung geben kann. Unsere Vorhaben müssen wir konkretisieren, z.B. beim Schuldenabbau und der Gesundheit. Dann wird die Zustimmung auch wachsen.

Frage: Besorgt es Sie nicht, dass auch die Kanzlerin in den Chor der Kritiker einstimmt? In der Hartz-IV-Debatte hat sie sich ausdrücklich von Westerwelles Wortwahl distanziert.

LINDNER: Jeder hat sein eigenes Vokabular. Guido Westerwelle hat sich immer pointiert artikuliert. Es hat die FDP stark gemacht, dass wir Probleme benannt haben. Er möchte nicht Salonlöwe sein und sich nur mit angenehmen Themen beschäftigen. Er ist präsent in der Innenpolitik...

Frage:...falls er zufällig mal in Deutschland weilt.

LINDNER: Ich habe den Eindruck, dass er auf der innenpolitischen Bühne gut sichtbar ist.

Frage: Es ist doch ungewöhnlich: Merkel hat ihren früheren Vizekanzler Steinmeier immer geschont.

LINDNER: Ich kann nicht sehen, dass das Wirken von Herrn Steinmeier für die SPD sonderlich segensreich gewesen wäre.

Frage: Das von Westerwelle für die FDP derzeit auch nicht. Er kämpft mit Schlagzeilen, Parteispender und sogar Firmen seines Bruders in seine Auslands-Delegation zu holen und so zu begünstigen.

LINDNER: Ich dachte, wir wollen über Inhalte reden?

Frage: Jetzt reden wir erstmal über die Günstlings-Vorwürfe.

LINDNER: Diese Vorwürfe und Diffamierungsversuche laufen völlig ins Leere. Mit solchen Debatten wird nur das Klima in der Politik vergiftet, das schadet der Demokratie insgesamt.

Frage: Es hat doch ein Gschmäckle, die Firma des Bruders in der Mini-Delegation des Ministers.

LINDNER: Bitte kein Fehlalarm. Der Geschäftsführer der Firma genießt seit Jahren einen exzellenten Ruf als Asien-Experte. Man hört, dass er deshalb auch schon den SPD-Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz begleitet hat. Diese Kompetenz darf aber ausgerechnet der Außenminister bei einer Asien-Reise nicht nutzen, weil sein Bruder einen Mini-Anteil an der Firma hält? Das ist unverhältnismäßig.

Frage: Nach der Hartz-IV-Debatte haftet der FDP das Image der sozialen Kälte an. Wie werden Sie das wieder los?

LINDNER: Sozial ist, Bedürftigen neue Chancen auf Arbeit und Bildung zu eröffnen. Für uns ist es unsozial, Menschen mit einem Hartz-Taschengeld abzuspeisen. Die Sozialdemokraten regieren z.B. seit 60 Jahren in Bremen: Da gibt es die schlechtesten Pisa-Ergebnisse. Und deshalb werden da heute traurige Sozialhilfe-Karrieren vererbt. Das soll sozial sein? Wir wollen, dass unser Sozialstaat seinen Fokus verschiebt. Weg von sozialer Reparatur hin zu sozialer Investition in Bildung. Weg vom Alimentieren hin zum Aktivieren.

Frage: Was fordern Sie denn nun konkret?

LINDNER: Wir möchten z.B. die Hinzuverdienstgrenzen bei Hartz IV erhöhen. Menschen müssen sich hocharbeiten können zurück in den regulären Arbeitsmarkt. Bisher darf man bei Hartz IV 100 Euro zuverdienen, von jedem weiteren Euro werden 80 Cent abgezogen. Unser Vorschlag ist: Es müssen 40 Prozent verbleiben.

Frage: Mit Obergrenze?

LINDNER: Wie bisher. Und bei den Midi-Jobs wollen wir die Sozialabgaben bis zum Verdienst von 1.000 Euro senken. Es gibt eine interessante Statistik: Neun von zehn Menschen, die zu Hartz IV 800 Euro dazuverdienen, schaffen den Sprung zurück in die Vollzeit-Beschäftigung. Das müssen wir fördern.

Frage: Schauen Sie mal: Es schneit in München. Würden Sie jetzt gern ein paar Hartz-IV-Empfänger zum Schneeschaufeln schicken?

LINDNER: Im Vordergrund muss die Vermittlung in den Arbeitsmarkt stehen, in zweiter Linie kommt die Weiterqualifikation. Nur wer gerade nicht vermittelbar ist, für den kann zeitweise ein Ein-Euro-Job sinnvoll sein, wenn es Disziplin, Pünktlichkeit und Arbeitsbereitschaft steigert.

Frage: Sagt Hannelore Kraft, SPD, auch.

LINDNER: Nein, Frau Kraft will im Gegenteil bestimmte Hartz-IV-Empfänger als für immer unvermittelbar abqualifizieren. Und der gemeinwohlorientierte Arbeitsmarkt, den Kraft will, ist in Wahrheit für diese Leute die Beschäftigungstherapie. Es gibt aber echte Aufstiegschancen für Geringqualifizierte, wenn man den Niedriglohnbereich nicht verriegelt.

Frage: Sie erwecken den Eindruck, Hartz-IV-Empfänger hart anzupacken, Steuerflüchtlinge aber ziehen zu lassen.

LINDNER: Ihr Eindruck ist falsch.

Frage: Warum stemmen sich so viele Liberale dann gegen den Ankauf der Steuerdaten-CDs?

LINDNER: Weil es gute Argumente dafür und dagegen gibt. Ein Rechtsgut ist: Steuerhinterziehung wird bekämpft. Ein anderes Rechtsgut besagt: Der Rechtsstaat darf sich nicht illegaler Mittel bedienen. Das muss abgewogen werden. Am besten wäre Rechtssicherheit durch ein Abkommen mit der Schweiz, damit wir bei Verdachtsfällen nicht auf Diebe und Denunzianten angewiesen sind, sondern auf Polizisten und Staatsanwälte.

Frage: Blicken wir mal auf die NRW-Wahl. Ihr saarländischer FDP-Chef rät den wahlkämpfenden NRW-Liberalen, sich auch nach anderen Partnern umzuschauen. Ist der Frust über den Flirt der CDU mit den Grünen so groß?

LINDNER: Andere Partner? Ich sehe in der SPD der Gegenwart keine Persönlichkeiten vom Format Helmut Schmidts oder Willy Brandts. Der aktuelle Parteichef heißt Gabriel und tut nichts anderes als spucken, treten, kratzen. So einer ist kein attraktiver Partner.

Frage: Ketten Sie sich an die Union?

LINDNER: Wir können unsere Koalitionspräferenzen nicht davon abhängig machen, woher der Wind kommt. Inhalte zählen.

Frage: Schließen Sie eine Koalition mit der SPD in NRW kategorisch aus?

LINDNER: Ich sehe keinerlei politische Gemeinsamkeiten.

Frage: Das war nicht exakt die Antwort auf die Frage.

LINDNER: Es wird dazu nicht kommen. Die SPD plant übrigens nicht mit einer Ampel, die planen in Wahrheit Rot-Blutrot-Grün.

Frage: Ihre Loyalität in Ehren - aber die CDU-Kanzlerin Merkel hält Schwarz-Grün offenbar für sexy.

LINDNER: Das sehe ich anders. Unsere Ergebnisse in Ländern und Bund stimmen. Schwarz-Grün in Hamburg hat dagegen nichts vorzuweisen. Wir müssen nur darauf achten, dass wir uns nicht dauernd in die Haare kriegen.

Frage: Funktioniert das auch mit Ihrem Gegenüber Dobrindt? Der CSU-General geht Ihnen seit Wochen furchtbar auf den Wecker.

LINDNER: Der geht mir gar nicht so sehr auf den Wecker. Er tut ja nur seine Pflicht und kümmert sich jetzt um die internen Diskussionen in der CSU - damit sie diese Konflikte nicht mehr ständig in die Koalition austrägt.

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