18.01.2014FDPEuropapolitik

LINDNER-Interview für „Bild“ und „Bild.de“

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Bild“ (Samstag-Ausgabe) und „Bild.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Hanno Kautz und Anne Merholz:

Frage: Entscheidet die Europawahl über das Schicksal der FDP?

Lindner: Bitte keine Dramatik. Unser Ziel bleibt die Rückkehr in den Bundestag im Jahr 2017. Ich will bei der Europawahl ein achtbares Ergebnis erzielen. Liberale Parteien sind in Europa relevant.

Frage: Und diese Relevanz beginnt ab fünf Prozent?

Lindner: Relevanz kommt von Argumenten. Die FDP will Europa, und zwar ein bürgernäheres. Marktwirtschaft statt Schulden, Eigenverantwortung statt Bürokratie. Ich bin in Sorge, dass Deutschland mit der Großen Koalition diesen Kurs verlässt.

Frage: Wäre es da nicht erfolgversprechender, beim Fang um Wählerstimmen in den Reigen der Eurokritiker einzustimmen?

Lindner: Das wäre zu billig. Die Eurokritiker der AfD sind D-Mark-Nostalgiker. Europa braucht Realismus, keine rückwärtsgewandte Politik. Als jüngerer Politiker weiß ich: Unseren Wohlstand und Lebensstil können wir in der Zukunft nur gemeinsam behaupten.

Frage: Wenn Sie wirklich so ein Europa-Fan sind: Warum fordern Sie dann in ihrem Europaprogramm, die Kompetenzen der EU zu beschneiden?

Lindner: Weil Europa aus der Balance ist. Die großen Fragen – Datenschutz oder Energie – die muss Europa beantworten. Aber Europa soll mir nicht vorschreiben, welche Glühbirne ich in die Fassung schraube.

Frage: Heißt konkret?

Lindner: Die Zahl der EU-Kommissare muss um ein Drittel reduziert werden. Wir wollen die Kernkompetenzen Europas stärken. Alles andere können die Mitgliedstaaten und die Bürger selbst entscheiden.

Frage: Ist Wirtschaftsförderung Kernkompetenz?

Lindner: Ja, wenn es zum Beispiel Forschung für Internet-Sicherheit ist. Aber das Geld der Steuerzahler ist zu schade für Subventionen in veraltete Industrien.

Frage: Anfang des Jahres ist die Euro-Zone um zwei Länder erweitert worden. Wann stößt Europa an seine Grenzen?

Lindner: Wir sollten offen bleiben. Aber jetzt muss Europa seine Identitäts- und Strukturkrise überwinden. Das Parlament ist zu schwach. Die Regierungen entscheiden deshalb über unsere Freiheit zu oft hinter verschlossen Türen. Andere müssen nicht nur aufnahmebereit sein, wir müssen auch aufnahmefähig werden.

Frage: Heißt für die Türkei...?

Lindner: Wir sollten keine Türen zuschlagen. In der Wirtschaft gab es Fortschritte. Aber die Türkei hat noch einen langen Weg vor sich, bevor sie die Kriterien an Rechtstaatlichkeit und Demokratie erfüllt.

Frage: Diese Kriterien wurden zuletzt vom amerikanischen Geheimdienst NSA verletzt. Kann uns Europa vor amerikanischem Datenzugriff schützen?

Lindner: Ja. Und wahrscheinlich sogar besser als Deutschland allein. Ich fordere die Bundeskanzlerin auf, sich an die Spitze einer europäischen Initiative zu einem No-Spy-Abkommen mit den USA zu setzen. Wenn sich die Vereinigten Staaten darauf nicht einlassen, müssen wir Abkommen zum Datenaustausch kündigen. Notfalls muss man das parallel zur transatlantischen Freihandelszone verhandeln. Denn Freihandel und Wirtschaftsspionage passen nicht zusammen. Wenn wir als Europäer zusammen stehen, sind wir stark. Auch gegenüber unseren Partnern in den USA.

Frage: Was bedeutet Europa eigentlich für Sie persönlich. Schon mal gedacht: Cooler Kontinent?

Lindner: Ja. Immer wenn ich meine Frau sehe... (lacht). Sie hat italienische Wurzeln, meine Schwiegermutter kommt aus Italien. Uns Europäer verbindet so viel – trotz aller Unterschiedlichkeit, die wir bewahren sollten.

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