LINDNER-Interview: Es hilft keine Werbekampagne, sondern nur ein schärferes Profil
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Eßlinger Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS HERHOLZ:
Frage: Herr Lindner, was ist schwieriger: Aus Opel wieder eine Erfolgsgeschichte zu machen oder aus der FDP?
LINDNER: Beide haben eine große Tradition und befinden sich in schwierigem Fahrwasser. Aber der FDP hilft keine Werbekampagne, sondern nur ein schärferes Profil. Denn keine Partei außer den Liberalen tritt für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, den Schutz der Bürgerrechte und ein freies, selbstbestimmtes Leben ohne Gängelung durch immer neue Verbote ein.
Frage: Haben Ihre Vorgänger den Kredit der FDP verspielt und damit die Partei in eine aussichtslose Lage gebracht?
LINDNER: Natürlich hatte die FDP in der Bundesregierung viel an Reputation verloren. Etwa bei der Energiewende haben wir Fehler gemacht. Wir hätten diese wahnsinnigen Dauersubventionen für Ökostrom nicht mitmachen dürfen. In der Zwischenzeit haben wir uns erneuert. Als einzige Partei wollen wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz abschaffen, damit die Strompreise nicht weiter explodieren. Die FDP wird wiederkommen.
Frage: Wie sehr schmerzt es, die Alternative für Deutschland an Wahlabenden jubeln zu sehen, während die FDP es wieder nicht in die Parlamente geschafft hat?
LINDNER: Unser Hauptgegner ist nicht die AfD. Ich habe auch keine Sorge, dass die AfD unseren Platz einnehmen könnte, weil sie ja kein liberales Programm hat. Eine Partei, die den Polizeistaat DDR als Vorbild für die Innere Sicherheit nimmt, ist nicht liberal. Ignorieren ist das falsche Rezept gegen die AfD. Wir sollten nicht dafür sorgen, dass die AfD sich als Märtyrer stilisieren kann, sondern sie in der Sache und mit Inhalten zu stellen. Die AfD bedient nur Protest. Die AfD arbeitet an der Alfred-Dregger-Flanke der CDU, die FDP wirbt um die Friedrich-Merz-Flanke. In Thüringen wird jetzt über eine schwarz-rot-grüne Regierung gesprochen. Das zeigt doch, dass es kaum noch Unterschiede zwischen diesen Parteien gibt. Das führt zu einem Protest von links und von rechts. Eine Partei mit einem umfassenden liberalen Bild von Wirtschaft und Gesellschaft sucht man da vergeblich.
Frage: Die FDP wird aktuell vor allem als Ein-Mann-Partei wahrgenommen. Sind Sie zu stark oder ihre Parteifreunde zu schwach?
LINDNER: Die FDP ist keine One-Man-Show. Wir haben 67 Abgeordnete, 57000 Mitglieder und bei der letzten Bundestagswahl zwei Millionen Wähler. Darauf bauen wir auf. Viele Medien richten ihren Fokus sehr auf meine Person. Dabei haben wir mit Katja Suding, Wolfgang Kubicki und Nicola Beer viele weitere Gesichter. Wir sind eine liberale Partei für alle – für Wirtschaftsliberale und Bürgerrechtler. Wir wollen Vielfalt, in der Gesellschaft und unserer Partei.
Frage: Die Arbeitslosigkeit geht mehr und mehr zurück, die Neuverschuldung liegt bei Null, und die Konjunktur ist im europäischen Vergleich stabil – wofür braucht es da noch die FDP?
LINDNER: Wer sich auf seiner aktuellen Stärke ausruht, hat längst begonnen, sie zu verspielen. Leider schaut die Bundesregierung nicht über den Tellerrand dieser Wahlperiode hinaus. Die Große Koalition wirtschaftet nicht ordentlich, investiert nicht genug und gibt keine Impulse für zusätzliches und nachhaltiges Wachstum. Sie macht Politik auf Kosten der künftigen Generationen. Mich sorgt, dass das Rentenpaket von Schwarz-Rot nur bis 2017 finanziert ist und dass unsere Infrastruktur ein Sanierungsfall ist. Den Jüngeren wird durch hohe Abgaben und Steuern immer mehr die Möglichkeit genommen, sich selbst etwas Eigenes aufzubauen. Das treibt mich um.
Frage: Wie bleibt Deutschland Wachstumsmotor?
LINDNER: In Deutschland werden ständig Chancen ausgeschlagen, weil man Risiken befürchtet. In der Debatte über das transatlantische Freihandelsabkommen mischt sich eine Wachstumsskepsis mit latentem Antiamerikanismus. Das Freihandelsabkommen ist eine riesige Chance für unsere exportorientierte Wirtschaft. Nordamerika und Europa können gemeinsame, weltweit gültige Standards für Umweltschutz und soziale Fragen schaffen. Wenn wir das nicht tun, wird China künftig die Regeln des Welthandels dominieren. Diese Chance darf man nicht vorbeiziehen lassen.