LINDNER-Interview: Bund soll Kosten für Asylverfahren tragen
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab dem „Kölner Stadtanzeiger“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten JOACHIM FRANK, PETER PAULS und PETER SEIDEL:
Frage: Herr Lindner, Sie posieren als FDP-Chef mit Armin Laschet von der CDU und Sylvia Löhrmann von den Grünen vor einem Wahlplakat von OB-Kandidatin Henriette Reker. Steht Köln am Beginn einer „wunderbaren Freundschaft“ in NRW?
LINDNER: Für das Land ist „Jamaika“ kein Modell. Die Grünen richten mit ihrer Regierungsbeteiligung in NRW großen Schaden an. Das will ich nach der Landtagswahl 2017 beenden, nicht verlängern.
Frage: Welchen Schaden?
LINDNER: Die Grünen sind der Bremsklotz im Land. Gesetze mit bürokratischen Hemmnissen tragen ihre Handschrift. Nach dem Ausstieg aus der Atomkraft wollen sie jetzt auch das Aus der Braunkohle. Das vernichtet Arbeitsplätze und schwächt die Volkswirtschaft. Im Bereich Bildung, für den Schulministerin Sylvia Löhrmann verantwortlich ist, steht NRW katastrophal da. In diesem Jahr wird in unserem Land jeder 20. Jugendliche seine Schullaufbahn ohne Abschluss beenden. Damit ist Hannelore Krafts Versprechen gebrochen, kein Kind zurückzulassen.
Frage: An diesen Kenndaten haben CDU und FDP in ihrer Regierungszeit auch nichts zum Positiven verändert.
LINDNER: Frau Löhrmann verschlimmert die Dinge. Sie hätschelt ihre Lieblingsschulform und betreibt die Vergesamtschulung des Gymnasiums. Gymnasien und Realschulen brauchen die gleichen fairen Bedingungen wie die anderen Schulformen.
Frage: Beim G8 soll es aber bleiben?
LINDNER: Ja. Ich weiß, dass manche Eltern über die Belastung ihrer Kinder durch das G8 klagen. Das wahre Problem ist aber die Vernachlässigung des Gymnasiums als Schulform insgesamt. Mit vernünftigen Rahmenbedingungen wäre das G8 keine unzumutbare Belastung.
Frage: Wenn im Land derzeit von „Belastungen“ die Rede ist, geht es meistens um die Flüchtlingspolitik. Hannelore Kraft ruft nach einer stärkeren Beteiligung des Bundes an den Kosten. Geht die FDP hier mit?
LINDNER: Wir gehen deutlich weiter. Wir fordern, dass der Bund die Kosten für das Asylverfahren zu 100 Prozent übernimmt, und zwar solange die Menschen in den Erstaufnahme-Einrichtungen sind. Die Asylpolitik ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Der Bund entscheidet über die Gewährung von Asyl, das Amt für Migration und Flüchtlinge ist eine Bundeseinrichtung. Also soll der Bund auch die Kosten tragen. Das ist ein Gebot der Zuständigkeit, aber auch der wirtschaftlichen Vernunft. Solange die Länder und Kommunen zahlen müssen, hat der Bundesinnenminister keinen Anreiz, die Verfahren zu beschleunigen.
Frage: Von welcher Summe, die Sie dem Bund aufbürden wollen, gehen Sie aus?
LINDNER: Von einer mutmaßlich geringeren als der, die Länder und Kommunen heute zu tragen haben. Der Bund würde sich nämlich ganz anders ins Zeug legen, Asylanträge schnell zu bescheiden, wenn er während der Dauer des Verfahrens für die Versorgung der Flüchtlinge aufkommen müsste. Wir haben in Deutschland einen Stau von 250 000 unbearbeiteten Asylanträgen – so viele wie in allen anderen EU-Staaten zusammen. Das ist das Versagen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
Frage: Was schlagen Sie vor?
LINDNER: Neben der Neuverteilung der Kosten brauchen wir eine Stichtagsregelung für Asylbewerber aus Syrien, Eritrea und dem Irak. Deren Anträge werden zu 99,5 Prozent anerkannt. Da sollte die Einzelfallprüfung entfallen und nach einer Sicherheitsüberprüfung und Identitätsfeststellung direkt der Stempel drauf: Fertig. Gerade die Syrer sind oft hoch qualifizierte Leute. Zurzeit müssen sie monatelang untätig herumsitzen, ehe sie am Ende doch den positiven Bescheid bekommen.
Frage: Sie schielen auf Arbeitskräfte?
LINDNER: Ich bin für eine geregelte Zuwanderung. Mir geht es nicht darum, die Schotten dichtzumachen, sondern um Ordnung. Und Ordnung heißt: Kein Asylgrund, kein Aufenthaltsrecht. Deshalb müssen die Länder des Westbalkans – Kosovo, Albanien, Montenegro – als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Mit Einführung einer Visa-Pflicht. Weil ich an der Freizügigkeit festhalten will, müssen wir den Missbrauch jetzt in den Griff bekommen.