LINDNER-Gastbeitrag: Nicht die Zukunft verspielen – jetzt in schnelle Netze investieren
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Der deutschen Wirtschaft geht es blendend. Aber wie sieht es in der Zukunft aus? Dieser Tage kommen die Digitalminister der G20-Staaten in Düsseldorf zusammen. Deutschland ist zwar Gastgeber dieses Treffens – Spitzenreiter in Sachen Digitalisierung sind aber leider andere. Das darf so nicht bleiben. Denn wer bei der technologischen Entwicklung jetzt nicht die Nase vorn hat, wird seine wirtschaftliche Stärke insgesamt einbüßen. Deutschlands Achillesferse ist ein zu langsames Internet – zumindest in weiten Teilen des Landes. Wir werden viel Geld investieren müssen – nutzen wir die Chance, uns jetzt von unnötigen Staatsbeteiligungen zu trennen und uns für die Zukunft zu rüsten.
Bei der Gestaltung der digitalen Gesellschaft und einer auf allen Wertschöpfungsketten vernetzten „Wirtschaft 4.0“ hängt Deutschland anderen Ländern hoffnungslos hinterher. Das gilt insbesondere für den Ausbau des zentralen Nervensystems der digitalen Zukunft: hochleistungsfähige Glasfasernetze. Im Vergleich mit anderen G20-Mitgliedern zeigt sich in Deutschland ein trübes Bild. Bei der Verbreitung von Glasfaser-Leitungen haben wir gerade einmal die Ein-Prozent-Marke durchbrochen. Zum Vergleich: Staaten wie Südkorea (über 70 Prozent) und Japan (über 50 Prozent) haben Deutschland längst abgehängt. Aber auch Russland (30 Prozent) und China (20 Prozent) oder die USA (knapp 15 Prozent) liegen weit vor uns.
Das hat Gründe: Untersuchungen der OECD zeigen, dass die öffentlichen Pro-Kopf-Investitionen in die Telekommunikation in Südkorea 25 Prozent, in Japan 40 Prozent höher ausfallen als in Deutschland. Die Vereinigten Staaten investieren sogar mehr als doppelt so viel. Das hat auch Auswirkungen auf das Investitionsklima insgesamt. Von neun in einer OECD-Studie analysierten großen G20- und OECD-Mitgliedsstaaten ist der Anteil der IT-Investitionen am BIP in Deutschland am geringsten. Spitzenreiter einmal mehr: Japan und die Vereinigten Staaten.
Eine Priorität für das digitale Zeitalter ist deshalb der schnelle Ausbau hochleistungs- und somit gigabitfähiger Netze. Der Staat steht hier in der Verantwortung zur Gestaltung. Deshalb plädiere ich für einen kraftvollen Impuls zum Ausbau der digitalen Infrastrukturen. Dafür sollte eine kurzfristige Privatisierungs- und Investitions-Offensive ergriffen werden: durch einen Verkauf des Bundesanteils an der Deutschen Post AG.
Die Beteiligung des Bundes an der Deutschen Post als größtem und marktbeherrschendem Akteur auf dem Briefmarkt ist ohnehin ein Anachronismus. Der Bund bestimmt als Gesetzgeber die Regeln, profitiert als Unternehmer jedoch unmittelbar davon. Er tritt also als Schiedsrichter auf, der gleichzeitig Spielführer einer Mannschaft ist. In einer Sozialen Marktwirtschaft haben solche Konstruktionen langfristig nichts verloren. Trennt sich der Bund von seiner Beteiligung an der Post, wäre die Beförderung des fairen Wettbewerbs also ein guter Nebeneffekt zu den Investitionsmitteln, die damit freigemacht würden.
Zu rechnen wäre aktuell mit einem Erlös von gut acht Milliarden Euro. Diese könnten unmittelbar in den Glasfaserausbau insbesondere im ländlichen Raum investiert werden und somit den wettbewerbsgetriebenen Ausbau in Ballungsräumen ergänzen und beschleunigen. Diesen Schub benötigen wir sofort. Denn während Verkehrsminister Dobrindt höhere Investitionen im Rahmen der „Netzallianz“ nur andeutet – und das auch wohlweislich erst für die Zeit nach der Bundestagswahl – vergrößern die Spitzenreiter ihren Abstand zu Deutschland. Im digitalen Zeitalter gilt jedoch das Prinzip „the winner takes it all“, worauf die OECD ebenfalls hinweist: Wer an der Spitze steht, wird immer stärker. Deshalb müssen wir jetzt den Mut und die Konsequenz für eine Privatisierung der Post aufbringen. Stärken wir den Wettbewerb und investieren wir in Zukunft und in Glasfaser, anstatt die digitale Gesellschaft weiterhin in Postkutschen-Geschwindigkeit zu gestalten.