07.07.2015FDPFinanzen

LINDNER-Gastbeitrag: Neustart für die Euro-Zone

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER schrieb für das „Handelsblatt“ (Dienstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Das griechische Volk hat eine demokratische Entscheidung getroffen. Es hat den Syriza-Kurs bestätigt – und damit die Strategie „Hilfen gegen Reformen“ als „Erpressung“ abgelehnt. Mancher, der am Sonntag auf den Plätzen gefeiert hat, wird in diesen Tagen am Bankautomaten mit einem Kater aufwachen. Wir bedauern dieses Votum – gerade weil mit der Stabilisierungspolitik seit 2010 in anderen Ländern Fortschritte erreicht werden konnten. Die Krisenstrategie ist nicht im Ganzen gescheitert, denn in den vergangenen fünf Jahren wurden im Gegenteil Institutionen geschaffen, die uns vor ökonomischen Ansteckungsrisiken und Erpressung schützen.

Deshalb liegt in der aktuellen Lage eine Chance für einen Neustart der Euro-Zone. Am heutigen Dienstag muss der europäische Gipfel dafür Konsequenz zeigen:

1. Ein Referendum-Rabatt wäre ein Konjunkturprogramm für alle Linkspopulisten Europas. Auch nach dem Rücktritt des griechischen Finanzmisters Varoufakis muss eine neue Kompromissrunde mit Syriza ausgeschlossen werden. In den solidarischen Ländern, die Haftungsrisiken übernommen haben und deren Wohlstandsniveau teilweise unterhalb des griechischen liegt, würden die Bürger sonst ebenfalls nach Volksabstimmungen über die Milliardenhilfen verlangen. Die politischen Fliehkräfte in Europa würden sich weiter verstärken.

2. Griechenland hat sich endgültig gegen Reformen entschieden. Nach dem deutlichen Ergebnis des Referendums ist keine Politikwende zu erwarten. Also muss die Euro-Gruppe ad hoc Vorkehrungen für den Grexit treffen. Die Kompetenz für die Währungspolitik geht dann an Athen zurück.

3. Wir haben mitmenschliche Verantwortung. Die Schwächsten werden die Ersten sein, die unter der Politik ihrer Regierung leiden werden. Die EU muss sich auf humanitäre Hilfe für das griechische Volk vorbereiten, um die Versorgung von Kranken und Bedürftigen sicherzustellen. Denkbar ist auch, strikt zweckgebunden EU-Investitionsmittel zur Milderung der wirtschaftlichen Krise einzusetzen.

4. Wir fordern die EZB auf, keine weiteren Liquiditätsnothilfen an griechische Banken auszugeben. Die Regierung Tsipras wird sich dann nicht mehr über den Verkauf kurzfristiger Staatsanleihen an griechische Banken finanzieren können, sondern zügig eine eigene Währung einführen müssen, um etwa Beamtengehälter und Renten weiter bezahlen zu können.

5. Die EZB muss wie im Falle Zyperns dafür sorgen, dass sich die griechischen Banken an der Bewältigung der Krise beteiligen. Wirtschaftlich gesunde Banken sind aufgefordert, die Lücken im Zahlungsverkehr und bei der gewerblichen Kreditversorgung, die durch die Insolvenzen griechischer Finanzinstitute entstehen werden, zu schließen. Denn ohne modernen Zahlungsverkehr und Kreditwirtschaft kann keine Volkswirtschaft mehr auf die Beine kommen.

6. Die Gläubiger Griechenlands müssen umgehend zu einer Konferenz zusammentreten und das weitere Vorgehen beraten, wie es bei früheren Staatsinsolvenzen der Fall gewesen ist. Für die Zukunft gehört die Arbeit an einer Insolvenzordnung für Staaten, die der Bundestag bereits im Jahr 2010 auf Initiative der FDP gefordert hat, nun auf der Prioritätenliste ganz nach vorn.

7. Nicht Europa hat sich gegen Griechenland entschieden, sondern Griechenland hat sich gegen die Solidarität mit der Währungsunion entschieden. Unsere Hand bleibt ausgestreckt für die Zukunft, wenn dereinst eine Regierung nach Syriza die strukturellen Probleme angegangen ist. Auch wenn Griechenland nach Stand der Dinge den Euro verlassen muss, so bleibt es ein Mitglied von EU und Nato.

Europa hat in seiner Geschichte stets aus Krisen gelernt – und ist durch sie stärker geworden. Tsipras war nicht bereit, die lange bestehenden Strukturprobleme zu korrigieren, obwohl das Land bereits auf dem richtigen Weg war. Politik und Rhetorik von Syriza orientieren sich offensichtlich an den Sozialisten Südamerikas, um das Wertefundament des europäischen Zusammenhalts zu sprengen. Die ideologischen Vorbilder von Syriza haben ihre Länder in Chaos und Elend gestürzt.

Europa muss daher seine marktwirtschaftlichen und rechtsstaatlichen Prinzipien bestätigen, denn in der Besinnung auf unser gemeinsames Wertefundament liegt die Chance dieser Tage. Dafür muss die Bundeskanzlerin am heutigen Dienstag eintreten.

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