06.05.2014FDPHaushalt

LINDNER-Gastbeitrag für die „Huffington Post“

LINDNER-Gastbeitrag für die „Huffington Post“

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER schrieb für die „Huffington Post“ den folgenden Gastbeitrag:

„Wer Schulden hat, dem ist nichts zu teuer“ – die Große Koalition nimmt das wörtlich. Das geplante Rentenpaket wird zwar allenthalben als ungerecht, wirkungslos und zu teuer kritisiert, aber Schwarz-Rot ist ins Verteilen verliebt. Davon profitiert vor allem eine Generation – nämlich die, die die neue Rente mit 63 nutzen kann. Weil deshalb die Renten der anderen weniger stark steigen, aber die Rentenbeiträge (oder der Steuerzuschuss) umso heftiger erhöht werden müssen, zahlen die Rechnung für die Wahlgeschenke der Großen Koalition andere: die heutigen Rentner und vor allem die Generation ihrer Enkel. Diese Politik, die nur für eine Generation Partei ergreift, ist unfair. Deutschland braucht daher Regeln für eine enkelgerechte Politik.

Für mich ist klar: 45 Jahre Arbeit sind eine Lebensleistung, die Respekt verdient. Wer so lange eingezahlt hat, erhält daher zumeist und zu Recht eine ordentliche Rente. Die abschlagsfreie Rente mit 63 ist dagegen nun ein zusätzliches Privileg und ein Anreiz zur Frühverrentung. Und das, obwohl sich viele ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eher mehr Selbstbestimmung beim Übergang in den Ruhestand wünschen. Statt starrer Altersgrenzen wäre zwischen dem 60. und 70. Geburtstag ein individuell-flexibel zu vereinbarender Renteneintritt wie in Schweden innovativ. Auch die Erziehungsleistung von Müttern hat unsere Gesellschaft fraglos über lange Zeit zu wenig gewürdigt. Wenn aber selbst der Paritätische Wohlfahrtsverband das Rentenpaket als unwirksam kritisiert, weil es das Problem der Altersarmut von Frauen nicht löst, dann ist etwas faul.

Es gibt Schätzungen, dass das Rentenpaket bis 2030 gut 230 Milliarden Euro kosten wird. Der Rentenbeitrag könnte bis 2040 auf 28 Prozent anwachsen, sagen Studien. Die Parteien der Großen Koalition selbst räumen ein, dass ihre Verteilungspolitik nur bis 2017 finanziert ist. Jetzt wird die Rentenkasse geplündert, danach gilt: Nach uns die Sintflut!

Dieses Rentenpaket, sei es auch ein Akt ungerechter Verschwendung, wird kommen. Zu übergroß ist die Mehrheit von Schwarz-Rot im Bundestag. Was Union und SPD einzelnen Wählergruppen versprochen haben, wird nun auf unser aller Kosten umgesetzt. Das ist Klientelpolitik im ganz großen Maßstab. Für die jüngeren Generationen bedeutet diese Politik, weit mehr in die Rentenkasse einzahlen zu müssen, als sie später heraus bekommen wird. Die Große Koalition kündigt ohne Not den Generationenvertrag. Der Zusammenhalt von Alt und Jung aber ist nötig, um den demographischen Wandel in den kommenden Jahren zu gestalten. Das gelingt nicht, wenn alle für eine Leistung bezahlen müssen, von der nur wenige profitieren.

Weniger Netto vom Brutto – das ist die Realität in Deutschland. Während die Steuerquellen des Staates seit Jahren sprudeln wie nie, wird der Lohn der Beschäftigten durch Steuern und Beiträge aufgezehrt, die Kaufkraft sinkt. Die Generation unter 50 weiß genau, dass sie immer mehr Geld zur Seite legen muss, weil sie im Alter immer weniger Rentenleistungen erwarten kann. Welche Eltern und Großeltern würden, vor die Wahl gestellt, die Geschenke der Großen Koalition wirklich annehmen, wenn die konkreten Belastungen für ihre Kinder und Enkel bekannt wären?

 

Deshalb lohnt es sich, über ein Verbot solcher Wahlgeschenke nachzudenken. Zumindest für die Zukunft müsste es dem Gesetzgeber verwehrt werden, zur Finanzierung von neuen Sozialausgaben die Portemonnaies künftiger Generationen zu plündern. Aber wie?

Erstens muss die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse durch eine neue Regel ergänzt werden: Versicherungsfremde Leistungen dürfen nicht mehr aus den Kassen der Sozialversicherungen bestritten werden. Eine „Schuldenbremse 2.0“ würde dem Gesetzgeber vorgeben, dass neue Sozialleistungen aus bestehenden Steuereinnahmen bezahlt werden müssen. Die Politik muss dann Prioritäten setzen. Neue Ausgaben werden transparent und können nicht mehr auf zukünftige Generationen verlagert werden. Wenn das Geld nicht reicht, muss eine Regierung dann an anderer Stelle sparen – oder auf neue Ausgaben verzichten.

Zweitens brauchen wir eine verbindliche steuerliche Belastungsgrenze. Denn für einige Sozialpolitiker scheint es keine Schranken mehr zu geben: Aktuell wird in der SPD bereits über weitere Ausgabenprogramme in Verbindung mit dem zukünftigen Rentenniveau diskutiert. Wohin das führt, ist jedem klar: Die Sozialdemokraten halten an ihrer Forderung nach höheren Steuern und Abgaben ja nach wie vor fest. Obwohl auch das erneut ungerecht wäre: Es träfe vor allem die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen. Gerecht ist, wenn die starken Schultern mehr als die schwachen tragen. Ungerecht ist es aber, wenn sich Arbeit und Anstrengung nach Abzug aller Abgaben nicht mehr lohnt. Eine verfassungsrechtliche Belastungsgrenze würde der Politik den Weg versperren, neue Ausgaben auf die Schultern der Beschäftigten zu verlagern. Eine Regierung muss dann endlich einmal mit dem Geld auskommen, das sie einnimmt.

Drittens brauchen wir eine Art Sozialstaats-TÜV, so wie er vom heutigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx einmal vorgeschlagen wurde. Wir müssen zukünftig verhindern, dass bei offensichtlichen Mängeln eines Gesetzes einfach weggeschaut wird, nur weil Politiker lieber neue Wohltaten verteilen und die Rücknahme von überkommenen Besitzständen vermeiden wollen. Nötig ist also eine unabhängige Institution, die alle Sozialgesetze auf der Hebebühne prüft, ob sie effizient ihr Ziel erreichen.

Deutschlands Politik braucht einen Paradigmenwechsel: Auch die jungen Familien haben ein Recht darauf, sich mit Fleiß und Engagement etwas für die Zukunft aufbauen zu können. Es wäre ungerecht, sie mit Steuern und Abgaben zu belasten, ihnen nur marode Infrastruktur und immense Staatsschulden zu hinterlassen – und ihnen dann noch geplünderte Sozialkassen zu übergeben. Die Große Koalition hat mit ihrer zukunftsvergessenen Politik eines gezeigt: Für eine enkelgerechte Politik darf man nicht auf Einsicht allein vertrauen. Der Parteienwettbewerb um Stimmen in einer alternden Gesellschaft braucht Regeln, wenn keine Generation unter die Räder kommen soll.

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