29.08.2013FDPDatenschutz

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER -Interview für das "Straubinger Tagblatt"

Berlin. Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Bundesjustizministerin SABINE LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER gab dem "Straubinger Tagblatt" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte MARKUS PEHERSTORFER:

Frage: Frau Bundesministerin, die bayerische Justiz hat in letzter Zeit mehrfach Schlagzeilen gemacht, vor allem durch den Fall Gustl Mollath. Der Richterverein hat kritisiert, dass sich die Politik zu sehr eingemischt habe. Finden Sie das auch?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Die Öffentlichkeit hat sehr wohl das Recht, Entscheidungen der unabhängigen Justiz zu diskutieren. Damit ist die Justiz nicht beeinflusst. Die bayerische Justizministerin hat sich in der Endphase des Falles Mollath im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten mit einer Weisung an die Staatsanwaltschaft eingebracht. Wenn die Politik sagen würde, dass wir eine bestimmte Entscheidung von den Gerichten erwarten, dann wäre das eine Einmischung, und das geht nicht. Insgesamt denke ich, die Politik hat sich nicht zu stark eingemischt.

Frage: Sie haben Eckpunkte für eine Reform der Zwangsunterbringung in die Psychiatrie vorgelegt. Welche Änderungen sind Ihnen am wichtigsten?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Einmal ist mir wichtig, dass wir eine Befristung der Unterbringung haben. Das ist derzeit nicht der Fall. Und außerdem brauchen wir ein enges Raster an Überprüfungsmöglichkeiten einer solchen Entscheidung. Gerade das hat uns ja beim Fall Mollath so beschäftigt: dass sich das über sieben Jahre hingezogen hat, dass das häufig auch immer wieder derselbe Gutachter war. Ich möchte, dass wir klare gesetzliche Regelungen zu Überprüfungsverpflichtungen haben. Wenn es um einen längeren Zeitraum geht, soll man einen zweiten Gutachter hinzuziehen müssen. Und ich möchte, dass es eine Unterbringung nur dann geben kann, wenn man mit Gefahren für wichtige Güter, Leib und Leben von Bürgern rechnen muss.

Frage: Auch die Geiselnahme im Rathaus von Ingolstadt hat Diskussionen ausgelöst. Der Geiselnehmer war ein verurteilter Stalker, der auf Bewährung frei war. Soll Stalking strenger bestraft werden?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Nach diesem Fall wurde ja auch gefragt, ob man den Geiselnehmer nicht in der Psychiatrie unterbringen hätte sollen. Das zeigt das Spektrum auf: Im einen Fall diskutiert man, ob jemand zu lange in der Psychiatrie war, und im anderen, ob er nicht dorthin gehört hätte. Deshalb ist es gut, dass wir uns jetzt sehr intensiv mit dieser Frage befassen. Beim Stalking sehe ich keine Notwendigkeit, den Strafrahmen zu ändern. Das Strafgesetzbuch sieht in der einfachen Form drei und in schwersten Fällen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe vor. Es ist die Entscheidung der Gerichte, diesen Spielraum zu nutzen, der auch ermöglicht, die Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen. Das ist eine Bewertung im Einzelfall, da halte ich mich als Politikerin zurück.

Frage: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Enthüllungen, wonach Geheimdienste massenhaft Kommunikationsdaten ausspähen?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir haben nach wie vor eine Arbeitsgruppe deutscher und amerikanischer Experten, die weitere offene Fragen aufklären soll. National wollen wir die parlamentarische Kontrolle über die Geheimdienste, auch über den Bundesnachrichtendienst, verbessern. Auf europäischer Ebene wollen wir die Datenschutz-Grundverordnung voranbringen. Wir haben dazu jetzt eigene Vorschläge eingebracht mit dem Ziel, dass es ein höheres Datenschutzniveau gibt, dass technischer Datenschutz auch Unternehmen außerhalb Europas vorgeschrieben wird und dass auch die Weitergabe von Daten an Unternehmen außerhalb der EU deutlich eingeschränkt wird. International haben der Bundesaußenminister und ich ein Zusatzprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen vorgeschlagen, der zwar die Privatsphäre schützt, aber bisher den Datenschutz nicht ausreichend berücksichtigt. Außerdem werden bilaterale Abkommen mit den USA zu einem Anti-Spionage-Abkommen in Angriff genommen. Wir sind auf allen Ebenen aktiv.

Frage: In einem Interview haben Sie gesagt: "Wenn wir nicht umfassend Informationen von den USA bekommen, dann können wir auch nicht verantworten, dass weiter in großem Umfang automatisch deutsche Daten an amerikanische Stellen geliefert werden." Haben Sie umfassend Informationen bekommen?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir haben Informationen bekommen, aber es sind noch Fragen offen, die wir an die amerikanische Regierung gestellt haben. Von den Diensten hier in Deutschland haben wir eine Transparenz und eine Berichterstattung an das Parlamentarische Kontrollgremium, die ich früher noch nicht erlebt habe.

Frage: Was heißt das dann? Kann Deutschland weiterhin ruhigen Gewissens Fluggast- und Bankdaten an die USA weiterreichen?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das ist im Moment ja in Übereinkommen so geregelt. Über den Austausch von Kontodaten wird aber ohnehin gerade verhandelt, ebenso wie über ein allgemeines Datenschutzabkommen zwischen der EU und den USA. Ich denke, da ist jetzt mehr Druck hineingekommen, damit wir Daten nicht nur liefern, sondern auch bessere Rahmenbedingungen bekommen. Auch das Freihandelsabkommen mit den USA bietet die große Chance, den Datenschutz zum Thema zu machen - nicht als Vorbedingung, sondern in den Verhandlungen. Ich denke, das sollten wir mit allem Nachdruck tun, gerade auch unter Freunden.

Frage: Wieso kann eigentlich die Bürgerrechtspartei FDP nicht von dieser Diskussion profitieren?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Die FDP hat hier sehr früh sehr klare Positionen bezogen. Wir haben uns in den Umfragen zur Bundestagswahl in den letzten Wochen auch konsolidiert. Wir liegen jetzt zwischen sechs und sieben Prozent - das war noch vor ein paar Monaten anders. Ich glaube, dass das auch mit daran liegt, dass wir bei den Bürgerrechten als einzige Partei glaubwürdig dastehen. Wir haben auch schon vor diesen Enthüllungen zum Beispiel die anlasslose Vorratsdatenspeicherung abgelehnt. Jetzt kommen alle anderen daher.

Frage: Sie haben Ihrer Partei nach den Erfolgen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen empfohlen, künftig ohne Koalitionsaussage in die Landtagswahlen zu ziehen. Die FDP Bayern macht das Gegenteil und bekennt sich klar zu Schwarz-Gelb. Woher kommt dieser Sinneswandel?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir schauen jeweils in den Ländern, wie man sich verhält. In Bayern geht es darum, alles zu tun, damit eine Koalition mit der CSU weiterbesteht und wir nicht in die Alleinregierung der CSU zurückfallen. Nur die FDP kann das verhindern. Das ist eine ganz andere Konstellation als bei anderen Landtagswahlen.

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