06.05.2014FDPEuropa

LAMBSDORFF/REHN-Doppelinterview für die „Schwäbische Zeitung“

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Europawahl und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF und der ALDE-Spitzenkandidat zur Europawahl und Kommissar für Wirtschaft und Währung OLLI REHN gaben der „Schwäbischen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Doppelinterview. Die Fragen stellte ANJA INGENRIETH:

Frage: Herr Rehn, Sie haben als Währungskommissar eine Schlüsselfunktion im Kampf gegen die Schuldenkrise. Ist sie endgültig überstanden?

REHN: Das Schlimmste ist vorbei. Die Währungsunion ist nicht mehr in der Gefahr auseinanderzubrechen. Aber wir sind noch nicht über den Berg und müssen national wie europäisch auf Reform und Konsolidierungskurs bleiben. Der Schwerpunkt muss sich nun vom akuten Krisenmanagement und institutionellen Veränderungen hin zu konkreten Maßnahmen für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Jobs verschieben – wie eine Vollendung des Binnenmarkts für Energie und Telekommunikation.

Frage: Griechenland hat einen Primärüberschuss erreicht. Doch der Schuldenberg ist immer noch mit Abstand der höchste aller EU-Länder. Kommt das Land ohne weitere Hilfe auf die Beine?

REHN: Griechenland hat bisher keine weitere Hilfe angefragt. Also ist das Thema auch nicht auf der Agenda. Die Wirtschaft wächst wieder und Athen konnte sogar am Markt erfolgreich Staatsanleihen platzieren. Es geht aufwärts.

Frage: Aber die Euro-Finanzminister haben Griechenland doch niedrigere Zinsen für die Hilfskredite und längere Rückzahlfristen versprochen, wenn Athen den Primärüberschuss schafft?

REHN: Die Zusagen der Finanzminister vom November 2012 stehen. Aber zunächst brauchen wir eine neue Troika-Mission und eine neue Analyse der Schuldentragfähigkeit. Dann können wir im Herbst auf dieser Basis Entscheidungen treffen.

Frage: Schließen Sie einen zweiten Schuldenschnitt aus?

REHN: Ich habe mir abgewöhnt, irgendetwas Definitives über Griechenland zu sagen. Die Schuldentragfähigkeit ist zweifellos ein Problem. Aber klar ist auch – Aussagen darüber sind genauso viel Kunst wie Wissenschaft. Denn sie hängen etwa extrem davon ab, welche Wachstumsraten man zugrunde legt.

LAMBSDORFF: Der Reformdruck auf Griechenland muss aufrecht erhalten werden. Die jüngste Kritik im Europaparlament an der Troika halte ich daher für verfehlt. Ebenso wie die Diskussion über neue Hilfen zum jetzigen Zeitpunkt.

Frage: Was denken Sie: Brauchen wir vielleicht eine Art europäischen Finanzminister, der auch ein Veto gegen unsolide nationale Haushalte bekommt?

LAMBSDORFF: Das würde das Bundesverfassungsgericht nicht mitmachen, weil dies die Budgethoheit der nationalen Parlamente aushöhlt.

REHN: Wir haben mit den jüngsten Reformen ausgeschöpft, was ohne Vertragsänderungen geht. Die Kommission hat durch den verstärkten Stabilitätspakt wirksame Durchgriffs- und Sanktionsrechte bekommen. Die werden wir nun anwenden und dann über weitere Schritte nachdenken.

Frage: Verbraucherschützer und linke Parteien machen im Wahlkampf gegen ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA mobil, weil sie sinkende Schutzstandards etwa bei Lebensmitteln fürchten. Zu Recht?

LAMBSDORFF: Wenn die linken Parteien wirklich etwas gegen die viel zu hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa tun wollen, sollten sie für das Freihandelsabkommen kämpfen und nicht dagegen. Der Vertrag eröffnet einen riesigen Absatzmarkt für europäische Lebensmittel – von griechischem Feta bis zu italienischem Wein. Die kann sich ein normaler Amerikaner zurzeit kaum leisten. Viele dieser Produkte kommen aus den Krisenländern und könnten dort Wachstum und Jobs bringen. Außerdem: Das Abkommen muss vom EU Parlament gebilligt werden. Wenn EU Verbraucherschutzstandards darin verwässert würden, wird es kein „Ja“ geben.

Frage: Meinungsforscher sagen Populisten und Anti-EU-Kräften bis zu einem Viertel der Sitze im neuen EU-Parlament voraus. Droht die Handlungsunfähigkeit?

REHN: Ich glaube, dass die Ukraine-Krise den proeuropäischen Parteien zugute kommt, weil die Menschen merken, dass Frieden nicht selbstverständlich ist.

LAMBSDORFF: Ich fürchte keine Lähmung. Wir werden aus der demokratischen Mitte des Parlaments heraus mit wechselnden Mehrheiten weiter proeuropäische Politik machen können. Die Populisten und Anti-EU-Kräfte sind zu uneinig und heterogen, um wirklich stark sein zu können.

Frage: Was muss die EU denn ändern, um den Populisten das Wasser abzugraben?

LAMBSDORFF: Warum muss in Brüssel über Kaffeemaschinen oder Glühbirnen entschieden werden? Dieser Unsinn geht den Menschen auf die Nerven. Die Ökodesign-Richtlinie, die all dies gebracht hat, muss weg.

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