06.03.2016FDPAsylpolitik

LAMBSDORFF-Interview: Wir müssen den Flüchtlingen sagen, dass der Schutz vorübergehend ist

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab der „B.Z. am Sonntag“ (heutige Ausgabe) und „bz-berlin.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte ULRIKE RUPPEL:

Frage: Die türkische Regierung macht einfach eine kritische Zeitung dicht. Ist das Land wirklich ein Partner für uns?

LAMBSDORFF: Wir brauchen die Türkei, das ist klar. Sie liegt nun einmal genau zwischen Syrien und der EU. Aber so wie Präsident Erdogan die Pressefreiheit mit Füßen tritt, kann sie niemals in die EU, auch wenn die Bundeskanzlerin brav weiter verhandeln will.

Frage: Kann denn der Gipfel morgen etwas bringen?

LAMBSDORFF: Na, wir haben schon noch gemeinsame Interessen. Wir wollen, dass die Türkei ihre Westküste noch besser absichert, damit nicht so viele Flüchtlinge in die EU kommen. Trotzdem braucht es eine europäische Lösung.

Frage: Das sagen alle. Warum geht es nicht voran?

LAMBSDORFF: Weil keiner sagt, was gemacht werden soll. Die Bundeskanzlerin hat gesagt, dass sie nicht weiß, wie eine europäische Lösung aussehen soll. Aber wir Liberalen vertreten eine ganz konkrete Lösung. Erstens: Wir müssen den Flüchtlingen sagen, dass der Schutz nach der Genfer Konvention vorübergehend ist. Wenn sich die Lage in Syrien verbessert und der Wiederaufbau beginnt, gibt es eine Rückkehrpflicht.

Frage: Alle Kriegsflüchtlinge sollen wieder weg?

LAMBSDORFF: Das ist rechtsstaatlich einwandfrei, so sieht es die Konvention vor. Aber als FDP sagen wir auch: Wer sich gut integriert und einen Job hat, soll sich bei uns um einen dauerhaften Aufenthalt bewerben können. Dabei sollten wir in Deutschland ganz klar unsere Interessen in den Vordergrund stellen. So wie die Kanadier das machen.

Frage: Was sieht Ihr Plan weiterhin vor?

LAMBSDORFF: Wir brauchen eine schnelle europäische Eingreiftruppe, die Griechenland bei der Einrichtung von Registrierungszentren hilft. Wir brauchen mehr Tempo beim Umbau von Frontex zu einem echten europäischen Grenzschutz mit eigener Küstenwache. Wir brauchen ein modernes Einwanderungsrecht, das legale Wege für qualifizierte Menschen nach Europa schafft. Und wir müssen ganz schnell das Dublin-System reformieren.

Frage: Das ist doch ohnehin außer Kraft.

LAMBSDORFF: Ja, aber es ist weiterhin geltendes Recht, dass Flüchtlinge dort Schutz beantragen müssen, wo sie zum ersten Mal EU-Boden betreten. Weil das die südlichen EU-Staaten komplett überfordert, müssen wir das schnell ändern. Dann kann es auch mit einem festen Schlüssel für die Verteilung von Flüchtlingen auf alle 28 EU-Staaten klappen.

Frage: Sie klingen nicht viel anders als die Bundesregierung.

Doch, denn wir haben einen Plan B. Frau Merkel hat keinen. Das sagt sie selbst. Die FDP sagt, was Union und SPD nicht sagen: dass wir in Deutschland nämlich – falls der Gipfel am Montag keine Fortschritte bringt – auf den Boden des Rechts zurückkehren und Dublin wieder anwenden müssen, so mangelhaft es auch sein mag.

Frage: Was heißt das konkret?

LAMBSDORFF: Dass wir tun, was Österreich und Schweden bereits tun. Wenn sich am Montag nichts bewegt, wenn Griechenland weiterhin Hilfe verweigert und die Balkan-Route auf neuen Wegen umgangen wird, bleibt uns nichts anderes übrig, als wieder Grenzkontrollen einzuführen und Menschen ohne Bleibeperspektive zurückweisen.

Frage: Finden Sie das gut, was die Österreicher jetzt machen?

LAMBSDORFF: Ich kann verstehen, dass Österreich nur noch denjenigen Schutz gewähren will, die ihn wirklich brauchen. Falsch sind aber Tagesquoten und Obergrenzen. Da sagen wir als Partei des Rechts ganz klar: Weder die Genfer Flüchtlingskonvention noch das Grundgesetz kennen Obergrenzen für wirklich Schutzbedürftige. Das sagt auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Frage: Wird der Montag zum Schicksalstag für die Kanzlerin?

LAMBSDORFF: Wenn die 28 EU-Staaten wieder keinen Schritt weiterkommen, sollte Merkel im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Das fordert die FDP. Wir erwarten nicht, dass Frau Merkel verliert, aber diese Chaos-Koalition muss dann endlich aufhören zu streiten und stattdessen an einer Lösung arbeiten. Das erwarten die Menschen von einer Bundesregierung, nicht das Chaos von Crazy Horst und seiner CSU.

Frage: 59 Prozent der Deutschen sehen Merkels Flüchtlingspolitik kritisch. Wo ist ihre Stimme im Bundestag?

LAMBSDORFF: Nirgends. Das ist ja das Problem. Bei den Flüchtlingen ist das so, aber nicht nur da. Nehmen sie die Rente mit 63 oder dem Mindestlohn: Von dem, was eine linke CDU mit der SPD vereinbart hat, wollen Linke und Grüne ja sogar noch mehr. Es gibt keine Opposition im Bundestag. Das ist für eine Demokratie ungesund. Wir sehen es leider an den starken Umfrageergebnissen der völkischen und teilweise rechtsextremen AfD. Die will zusammen mit Pegida unser Land in gefährlicher Weise verändern. Ich glaube, es muss eine Alternative geben für Demokraten, die sagen: Ich bin mit der Politik der Bundesregierung nicht einverstanden, aber auf keinen Fall wähle ich Feinde der Demokratie.

Frage: Die FDP als Alternative zur AfD?

LAMBSDORFF: Die FDP ist das genaue Gegenteil der AfD. Wir wollen ein weltoffenes Deutschland. Wir wollen keine Obergrenzen wie Herr Seehofer oder einen Schießbefehl wie Frau Petry. Aber wir sagen ganz klar: Wenn es nicht ganz schnell eine europäische Lösung gibt, brauchen wir wieder Grenzkontrollen.

Frage: Wie begegnen Ihnen die Bürger im Wahlkampf?

LAMBSDORFF: Unsere Umfragewerte gehen hoch. Das ist so in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt – weil wir in der Flüchtlingsfrage die demokratische, rechtsstaatliche Opposition sind, die viele Menschen vermissen. Und weil wir für Mut und Marktwirtschaft sind, wo Frau Nahles ihre Träume von immer mehr Bürokratie verwirklichen darf, die CDU sie nicht bremst und Linke und Grüne auch noch Beifall klatschen.

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