28.01.2017FDPAußenpolitik

LAMBSDORFF-Interview: Trump auch eine Chance für EU

Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff gab dem „Reutlinger General-Anzeiger“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Davor Cvrlje:

Frage: US-Präsident Donald Trump begrüßt den Brexit und sagt voraus, dass noch mehr Länder die EU verlassen werden. Ist Trump ein Risiko oder eine Chance für Europa?

Lambsdorff: Es mag überraschend klingen, aber ich sehe auch eine Chance darin, wie Trump sich gegenüber Europa verhält. Denn es macht uns deutlich, dass wir uns zusammenraufen müssen. Die protektionistischen Töne aus den USA sollten uns dazu bringen, uns auf das Gemeinsame zu besinnen.

Frage: Warum ist die Europäische Union in einer so schlechten Verfassung? Ist es der Virus des Nationalen?

Lambsdorff: Ja, leider. Man kann auch Kleinstaaterei dazu sagen, denn die EU ist ja eine Union der Völker und der Staaten. Die Völker wählen das EU-Parlament. Die Staaten treffen sich im Rat und einigen sich ganz oft nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, weil jedes Land irgendein Spezialproblem hat. Wir könnten etwa beim Grenzschutz viel weiter sein, wenn die Regierungen bereit wären, mit großen statt nur mit Trippelschritten voranzugehen.

Frage: US-Präsident Trump lehnt die Globalisierung ab, hält die Nato für obsolet, setzt auf starke Nationalstaaten und spricht sich sogar für Folter aus. Das widerspricht alles den westlichen Werten. Ist Trump eine Gefahr für den Westen?

Lambsdorff: Mir ist es noch zu früh, den Stab über diesen 45. US-Präsidenten zu brechen. Ich hätte ihn nicht gewählt. Was er sagt, widerspricht den Werten, an die ich glaube. Aber Donald Trump ist der demokratisch gewählte Präsident der Vereinigten Staaten, unseres Verbündeten. Wir müssen zwei Dinge tun: Erstens müssen wir schauen, wo er Rhetorik in reale Politik umsetzt und ob diese unseren Interessen zuwiderläuft. Zweitens müssen wir uns als Europäer definieren, welche Werte und Interessen unverhandelbar sind. Daraus folgt dann die Handlungsanleitung für die EU. Es ist offensichtlich, dass wir in der europäischen Sicherheitspolitik Fortschritte machen müssen. Wir können uns nicht mehr hinter Amerika verstecken. Die Zeit ist vorbei.

Frage: Es ist also noch zu früh, um Donald Trump ein klares Stopp-Signal zu senden?

Lambsdorff: Seine Äußerungen zu Folter sind indiskutabel. Da muss Europa klare Kante zeigen, da ist keine Diskussion möglich. Bei der Handelspolitik wird er noch merken, dass vieles rechtlich gar nicht möglich ist, was ihm da vorschwebt. Deshalb kann man bei diesem Thema noch abwarten, bis klar ist, was reale Politik wird.

Frage: Sie sind Mitglied der Atlantik-Brücke, die sich für gute Beziehung mit den USA einsetzt. Wie groß ist die Chance, dass manche von Trump verkündeten Maßnahmen später durch den US-Kongress zurückgenommen werden?

Lambsdorff: Kurzfristig ist die Chance nicht besonders groß, denn keine andere Institution ist in der Bevölkerung so unbeliebt wie der US-Kongress. Die Legitimation eines frischgewählten Präsidenten ist viel höher. Mittelfristig aber, da bin ich sicher, wird mancher Wahlkampfschlager auf Schwierigkeiten stoßen. Als Beispiel: Man kann darüber streiten, wie teuer die Mauer nach Mexiko werden wird. Aber jeder einzelne Dollar dafür muss vom Kongress bewilligt werden. Der Kongress ist die Haushaltsbehörde der USA.

Frage: Auch in der Wirtschaftspolitik lautet Trumps Devise „America first“. Wie groß ist die Gefahr, dass der globale Welthandel zerstört wird?

Lambsdorff: In meinen Augen ist das die größte Gefahr. In den 30er-Jahren haben die Amerikaner ähnlich protektionistisch gehandelt. Das hat die Weltwirtschaftskrise nach dem großen Crash dramatisch verschärft. So etwas wäre gerade für Deutschland hochgefährlich. 1,5 Millionen Jobs in Deutschland hängen am Export in die USA. Deutschland hat das größte Interesse, eine einheitliche europäische Stimme zusammenzubekommen, um Trump Kontra zu geben.

Frage: Müsste Bundeskanzlerin Merkel nicht offensiv auf Trump zugehen, um die deutschen Interessen vorzubringen?

Lambsdorff: Ja, ganz klar. Ich finde es schade, dass die Kanzlerin nicht bereits einen Besuchstermin bei US-Präsident Trump organisiert hat. Das Telefonat heute ist ein erster Schritt. Aber es wäre gut, wenn die Bundeskanzlerin und Trump sich persönlich kennenlernen. Denn solange Trump glaubt, dass der britische Populist Nigel Farage der Beste ist, um ihm die EU zu erklären, solange wird es viele Missverständnisse geben. Es wäre besser, das würde Frau Merkel tun.

Frage: Themenwechsel: Am Sonntag nominiert die SPD Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten. Sie kennen ihn aus dem EU-Parlament. Für was steht Schulz?

Lambsdorff: Schulz steht engagiert für Europa. Er steht allerdings auch für ein Europa der Schuldenvergemeinschaftung. Denn er befürwortet Euro-Bonds. Das lehnen wir als FDP ab. Wir wollen eigenverantwortliche Haushaltspolitik und solide Finanzen. Euro-Bonds sind genau das Gegenteil davon und sicher nicht im Interesse der Bundesbürger. Wenn Schulz Bundeskanzler werden will, muss er sich da ganz anders aufstellen. Persönlich schätze ich aber Martin Schulz, wir haben gut zusammengearbeitet.

Frage: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Alexander Sebastian Léonce Graf Lambsdorff, sind dieses Namensungetüm und die damit verbundene Geschichte eher eine Last oder ein Türöffner?

Lambsdorff: Ich komme aus einer alten Familie, ursprünglich aus Westfalen. Aber wir waren 500 Jahre im Baltikum und oft im Staatsdienst tätig. Einer meiner Großonkel war russischer Außenminister, ein Onkel deutscher Wirtschaftsminister. Politik ist bei uns also eine Art Familienkrankheit. Aber die meisten Menschen reagieren sehr positiv, neugierig auf meine Herkunft. Man hat immer etwas, worüber man nett miteinander ins Gespräch kommen kann.

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