LAMBSDORFF-Interview: Keine Schwächung Macrons
Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff gab „SWR2“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Florian Rudolph:
Frage: Aus dem Stand holt Macrons Partei mit Verbündeten eine deutliche absolute Mehrheit. Aber tatsächlich sind so wenige Franzosen zur Wahl gegangen wie seit 60 Jahren nicht mehr. Ist das für Macron vielleicht schon das erste Rendezvous mit der Realität?
Lambsdorff: Das glaube ich nicht. Ich glaube die meisten Franzosen haben auf diesen zweiten Wahlgang ein bisschen so geguckt, wie die Deutschen auf den Confed-Cup. Das ist zwar real, aber es geht nicht so um wahnsinnig viel. Das Ergebnis war nach der ersten Runde schon so deutlich, dass die meisten sich gesagt haben, sie genießen den Sonntag anders. Das Ergebnis ist so stark, dass Macron jetzt fünf Jahre damit arbeiten kann. Ich glaub nicht, dass ihn das schwächt.
Frage: Nun hängt ja vieles auch mit dem Wahlsystem in Frankreich zusammen. Aber wenn man jetzt schaut, nicht mal jeder Zweite geht wählen, und davon stimmt nicht mal jeder zweite für Macrons Partei. Aber darauf werden dann im Parlament fast 60 Prozent der Sitze, ist das ein starkes Votum?
Lambsdorff: Naja, das liegt am Wahlrecht. Wir haben ein anderes Wahlrecht in Deutschland. Das französische ist da eher ein bisschen wie das was wir aus England kennen. Wer also sozusagen dieses Mehrheitswahlrecht aussucht als System, der weiß natürlich, dass genauso etwas dabei passieren kann. Dennoch glaube ich, eines ist ja klar, das hat die Wahl zum Präsidenten gezeigt, die Wahl von Macron selber. Er hat die Unterstützung, seine Partei hat sie jetzt auch fürs Parlament bekommen. Also an der Legitimität und an der Kraft dieses Mandats würde ich jedenfalls erst mal keine Zweifel sehen.
Frage: Viele die ihn gewählt haben oder seine Partei in diesem Fall, taten das aus Enttäuschung über das politische System in Frankreich. Wie groß ist denn die Gefahr, dass die Franzosen Macron dieses Vertrauen auch genauso schnell wieder entziehen können?
Lambsdorff: Die Gefahr gibt es und ich glaube, dass deswegen der Satz „Macron muss Erfolg haben“ wirklich stimmt. Wir dürfen nicht vergessen, die Alternative wäre Marine Le Pen gewesen. Ich kenne die Frau aus dem Europaparlament. Das ist eine Rechtsradikale. Wenn in 5 Jahren Macron keinen Erfolg haben sollte, dann könnte es glatt sein, dass in der zweiten Runde unter Umständen, diese rechtsradikale gegen einen linksradikalen Demokraten dann steht. Das wäre für ganz Europa ganz schlecht. Insofern, wir müssen was tun und alle Daumen drücken, dass Macron erfolgreich ist.
Frage: Tatsache ist ja erst mal, er kann jetzt durchregieren. Aber ist er auch dem Druck der Straße gewachsen, der da nun unweigerlich kommen wird?
Lambsdorff: Das werden wir abzuwarten haben. Er war ja sehr mutig. Er hat schon vor den Parlamentswahlen etwas gesagt, dass gerade die Franzosen immer sehr nervös macht, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit des Landes muss gesteigert werden. Es muss wieder Wirtschaftswachstum geben. Die Innovationskraft des Landes muss freigesetzt werden. Das Arbeitsrecht muss reformiert, die Märkte liberalisiert werden. Das sind ja alles Ansagen, die im traditionell ja eher ein bisschen sozialdemokratisch, sozialistisch tickenden Frankreich für Nervosität sorgen. Er hat aber reinen Wein eingeschenkt allen, das heißt, er hat für diese Reformen das Mandat bekommen. Und wenn die Gewerkschaften jetzt der Meinung sind, sie müssten auf der Straße dann Krach schlagen, einige werden das sicher tun, dann wird das die erste große Kraftprobe. Ich bin aber optimistisch, dass er mit dieser großen Mehrheit in der Assemblée nationale das auch überstehen kann.
Frage: Aus europäischer Sicht, steht die Achse Paris – Berlin vor einer Renaissance, aber erkennen Sie die von Macron geforderte Bereitschaft zur Veränderung, die Sie eben auch skizziert haben, auch in Deutschland?
Lambsdorff: In Deutschland schon. Ich habe mich, dass will ich hier auch in dieser Deutlichkeit sagen, schon darüber geärgert was aus Berlin, aus Presse und Politik, da zum Teil an Kritik direkt an Emmanuel Macron und seinem Programm kam. „Teurer Freund“ hat der Spiegel getitelt. Einige Politiker waren der Meinung man müsste sofort Details herausgreifen aus seinem Programm, mit dem man nicht einverstanden ist. Ich glaube all diese Stimmen haben vergessen, dass die Alternative damals Marine Le Pen war. Ich glaube wir müssen zuhören, wir müssen aufeinander zugehen, wir sollten nicht von vornherein irgendwelche Ideen in Bausch und Bogen verdammen, sondern dann gemeinsam versuchen, in den nächsten Monaten im Jahr 2018 gemeinsam die Schritte für Europa zu entwickeln mit denen die EU wieder erfolgreich wird.
Frage: Macron steht für ein neues Europa. Einer der Architekten Helmut Kohl ist am vergangenen Freitag verstorben. Kommissionschef Juncker will ihm eine Ehre zu Teil werden lassen, die es so noch gar nicht gab, nämlich einen europäischen Staatsakt. Was halten sie von dem Juncker-Vorschlag?
Lambsdorff: Ich finde, das eine richtige Idee. Wir sollten nicht vergessen, Helmut Kohl hat nicht nur gemeinsam mit Hans Dietrich Genscher damals entschlossen die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands erreicht. Sondern er war Zeit seines Lebens ein echter großer Herzenseuropäer und ist einer von nur insgesamt drei Ehrenbürgern Europas. Die anderen sind Jean Monnet und Jacques Delors. Er ist einer von diesen Dreien und deswegen fand ich die Idee von Jean Claude Juncker zu sagen, für diesen großen Europäer gibt es auch einen europäischen Staatsakt, ausgesprochen passend.