04.02.2017FDPEuropa

LAMBSDORFF-Interview: Es braucht den Erfolg des europäischen Projekts

Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff gab der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Christina Fleischmann:

Frage: Donald Trump ist seit Kurzem im Amt. Sie setzen sich als Mitglied der Atlantik-Brücke für gute Beziehungen zu den USA ein, haben einige Jahre dort gelebt. Wie blicken Sie gerade auf Amerika?

Lambsdorff: Wie auf ein Familienmitglied, das auf Abwege gerät. Mit einer Mischung aus Entgeisterung und Unglauben. Ich hätte Trump nie im Leben gewählt und finde das, was er angekündigt hat und jetzt umsetzt, falsch für die amerikanische Gesellschaft. Auf der anderen Seite bin ich nicht bereit, nach zwei Wochen Amtszeit bereits den Stab zu brechen und zu sagen, das war’s.

Frage: Sie lehnen den designierten US-Botschafter für die EU, Ted Malloch, strikt ab. Er hatte die EU mit der Sowjetunion verglichen.

Lambsdorff: Das ist völlig abwegig und zudem eine Beleidigung für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft. Ein Botschafter muss zu konstruktiver Kooperation bereit sein. Wir haben in der Vergangenheit gut mit republikanischen US-Botschaftern zusammengearbeitet. Aber wie soll das gehen mit jemandem, der erklärt, die EU sei wie die Sowjetunion dem Untergang geweiht und er wolle ihn noch beschleunigen? Jedes EU-Land muss zustimmen, wer Botschafter wird. Sigmar Gabriel kann die Ernennung von Malloch also stoppen. Und genau das muss er tun.

Frage: Trump könne eine Chance für Europa sein, haben Sie kürzlich gesagt. Bleiben Sie dabei?

Lambsdorff: Ja. Unsere Umgebung ist mit Russland, der Türkei, Syrien und Libyen schon schwierig genug, so dass wir uns als Europäer ohnehin zusammenraufen müssen. Aber wenn unser wichtigster Verbündeter jetzt an Berechenbarkeit einbüßt, dann macht es auch den letzten Zweiflern am europäischen Projekt in Europa deutlich, dass es eben den Erfolg dieses Projekts braucht. Mit dem Kleinmut, der viele Mitgliedsstaaten befallen hat, muss es vorbei sein.

Frage: Was meinen Sie mit Kleinmut?

Lambsdorff: Eigentlich funktioniert Europapolitik so, dass die EU-Kommission von den Mitgliedstaaten in wichtigen Fragen gebeten wird, eine vermittelnde Rolle einzunehmen und Kompromisse zu entwickeln, hinter denen sich alle versammeln können. Die Bundeskanzlerin aber hat 2010 offiziell die Renationalisierung zur Leitlinie ihrer Europapolitik ausgerufen, das wird gerne vergessen. Das heißt, Gemeinschaftsorgane – Kommission, Rat, Parlament – werden auf die Seite gedrängt und der Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit der Länder gelegt. So einigt man sich immer nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, weil jedes Land versucht, sein Gesicht zu wahren. Oder man macht Alleingänge, wie Merkel bei der Flüchtlingspolitik. Wir müssen wegkommen von dieser Renationalisierung hin zu einer demokratischeren EU, von der Einstimmigkeit der Länder hin zur Handlungsfähigkeit der Union.

Frage: Ist die Renationalisierung Ausdruck eines wachsenden Misstrauens gegenüber der EU? Was letztlich auch Parteien wie der Front National und der AfD in die Hände spielt.

Lambsdorff: Das Misstrauen gegenüber der EU ist da, aber es ist ein Teil eines größeren Misstrauens gegenüber der Demokratie insgesamt. Wenn man die populistischen Kräfte Europas anschaut, hatten sie am Anfang nichts mit der EU zu tun. Der Front National ist entstanden als eine Bewegung gegen die Zuwanderung aus nordafrikanischen Staaten, die PVV von Geert Wilders als antiislamische Partei.

Frage: Bei der AfD war es anders.

Lambsdorff: Die Ur-AfD war eine professoral-ökonomistisch-währungskritische Partei, deren Gründer verkannt haben, dass man so etwas nicht machen kann, ohne nationalistische Kräfte anzuziehen wie Licht die Motten. Aus einer diskussionswürdigen Kritik an der Konstruktion der Währungsunion ist eine nationalistische, gegen Minderheiten hetzende, europafeindliche Partei geworden.

Frage: Die immer mehr Stimmen gewinnt.

Lambsdorff: Bürger, auch in Deutschland, sind bereit, Wandel zu akzeptieren, solange sie die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Wandels demokratisch kontrollieren können. Wenn es einen Kontrollverlust gibt, wie das bei der Flüchtlingskrise der Fall war, entsteht eine Abwehrhaltung und dann haben diejenigen Zulauf, die diese Ängste auch noch befeuern.

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