12.10.2016FDPWirtschaft

LAMBSDORFF-Interview: Ein ganz klares Ja zu CETA

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab „Phoenix“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte STEPHAN KULLE:

Frage: Die Gretchenfrage muss ich einmal ganz am Anfang stellen: Ja oder Nein zu CETA?

LAMBSDORFF: Das Abkommen mit Kanada macht Sinn. Es ist eines der neuen Handelsabkommen, die wir als Europäische Union abschließen. So etwas haben wir beispielsweise schon mit Südkorea – unter dem Strich ein ganz klares Ja.

Frage: Das haben wir schon einmal festgehalten. Und womit rechnen sie jetzt, wenn sie ein bisschen orakeln dürften?

LAMBSDORFF: Nun, ich glaube beim Bundesverfassungsgericht sollte man nicht rätseln. Es gilt der alte Satz: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Aber ich hoffe, dass das Verfassungsgericht europäisch entscheidet, weil die Handelspolitik eines der erfolgreichsten Felder ist, wo Europa weltweit ernst genommen wird, wo wir großes Gewicht haben, weil wir gemeinsam auftreten. Und insofern sollte hier nicht ein Gericht eines einzelnen Mitgliedsstaates – auch wenn es so ein wichtiger ist wie Deutschland – den Stock in die Speichen halten und für alle Mitgliedstaaten diesen Prozess stoppen.

Frage: Ja, man hat so ein bisschen den Eindruck, mal wieder ein Gericht, nämlich das Bundesverfassungsgericht, leistet das, was die aktuelle Politik nicht leistet. Haben Sie auch den Eindruck?

LAMBSDORFF: Nein, den Eindruck habe ich überhaupt nicht. Man darf ja eines nicht vergessen: CETA diskutieren wir überhaupt nur deshalb, weil es eine Kampagne gegen das Abkommen mit den USA gegeben hat. Und dann diejenigen, die diese Kampagne betreiben, gemerkt haben: Mensch, diese Abkommen werden ja schon seit längerem verhandelt, da gibt es überhaupt keine Probleme. Die werden verabschiedet, ratifiziert und die positiven wirtschaftlichen Folgen sind ja klar spürbar. Ich hab eben Südkorea zitiert. Und dann haben sie gemerkt: Mensch, mit Kanada gibt es schon so ein Abkommen, also sind wir jetzt auch mal gegen das Abkommen mit Kanada. Ansonsten gäbe es diese ganze Diskussion nicht. Wir haben das sehr transparent hier im Europäischen Parlament gemeinsamen mit der Kommission diskutiert, debattiert, die verschiedenen Phasen der Verhandlungen begleitet. Das Endergebnis liegt uns vor. Der Handelsausschuss hat volle Einsicht. Alle Bürgerinnen und Bürger die das wollen, können sich das im Internet auch anschauen. Also mit anderen Worten: Es ist überhaupt nicht so, dass das hier irgendwie intransparent wäre – das Gegenteil ist der Fall. Kanada, das will ich hier auch noch einmal deutlich sagen, ist vielleicht sogar das Land auf der Welt, das uns Europäern am allernächsten steht, was Werte, was Politik, was die Wirtschaftsstruktur angeht. Also da eine Bedrohung für unsere Gesellschaftsordnung an die Wand zu malen, wie das die Klägerin eben im Beitrag getan hat, ist vollkommen absurd.

Frage: Also Sie sagen auch, dass diese Vermischung von dem TTIP-Abkommen, das mit den USA angestrebt wird, und dem CETA-Abkommen mit Kanada die Sache ein bisschen schwieriger macht. Aber dieser Vorwurf des Undemokratischen, der dem Ganzen innewohnen soll, der ist ja im Raum. Was sagen sie denen, die das vorbringen?

LAMBSDORFF: Naja, zwei Dinge. Das eine bezieht sich auf die Schiedsgerichte. Die haben wir seit Jahrzehnten. Die sind einmal von Deutschland erfunden worden, damit deutsche Investoren, die im Ausland sind, nicht enteignet werden können und schlechter behandelt werden als nationale Investoren. Darum ging es bei der ganzen Geschichte. Wir haben das in 160 deutschen Abkommen mit anderen Ländern schon drin. Man hatte jetzt eine Verbesserung gemacht, das ist auch in Ordnung. Das muss man sagen, haben natürlich auch die Kritiker erreicht, dass man hier eine Verbesserung in der Struktur erzielt hat. Aber grundsätzlich gilt: Investitionsschutz ist nicht undemokratisch. Und das zweite Thema, das sind die sogenannten Ausschüsse, die sind eben auch angesprochen worden. Diese Ausschüsse dienen dazu, insbesondere neue Gesetze, neue Regeln, neue Standards daraufhin abzuklopfen, ob sie ein Handelshemmnis darstellen oder ob sie für den Handel förderlich sind. Niemand, das will ich deutlich sagen, ist daran gebunden, was diese Ausschüsse machen. Wir werden uns als Europäisches Parlament ja nicht durch eine Zustimmung zu einem solchen Abkommen selber entmachten, dann wären wir ja schön blöd, das tun wir nicht. Also mit anderen Worten: Die Sorge vor diesen Ausschüssen ist völlig überzeichnet und überzogen.

Frage: Gibt es dennoch etwas, wo Sie sagen, das hätte man vielleicht noch besser verhandeln können, oder ist alles paletti aus Ihrer Sicht?

LAMBSDORFF: Naja, interessant ist bei CETA ein großer Erfolg, und das sind die öffentlichen Beschaffungsmärkte – also das, was Gemeinden, was kanadische Provinzen, was der kanadische Bundesstaat einkauft, dass das jetzt auch für Europäerinnen und Europäer geöffnet ist. Das heißt, unsere Unternehmen können sich auf allen Ebenen bewerben um solche Aufträge. Das ist ein Riesenerfolg. Und wenn wir über kritische Punkte reden wollen, dann müssen wir Richtung TTIP schauen. Hier weigern sich die Amerikaner an dieser Stelle noch in die Richtung zu gehen, dass wir auch die öffentlichen Beschaffungsmärkte öffnen. Aber bei Kanada wie gesagt ist das ein sehr erfolgreiches, ein sehr gutes, ein ausgewogenes Abkommen, das sollten wir auf jeden Fall ratifizieren.

Frage: Da Sie es gerade noch einmal angesprochen haben, TTIP, vielleicht aus ihrer Sicht noch einmal der wichtigste Unterschied, der sowohl auf der einen Seite für CETA spricht und auf der anderen Seite dann gegen TTIP?

LAMBSDORFF: Naja, Kanada, ich hab es gesagt, steht uns viel näher. Es war überhaupt kein Problem, mit den Kanadiern beispielsweise die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation ins Abkommen hineinzuschreiben. Die öffentlichen Beschaffungsmärkte, da war Kanada offen, wir waren offen für kanadische Unternehmen. Die Amerikaner weigern sich, ihre Bundesstaaten mit einzubringen, das ist ein sehr harter Knackpunkt, das muss man deutlich sagen. Und ansonsten sind die Verhandlungen mit den Amerikanern natürlich deswegen schwieriger, es ist einfach ein größerer Markt, und da wo wir geschützte europäische Begriffe haben, Parmaschinken oder Aachener Printen, da weigern sich die Amerikaner zum Teil, das als geografisch geschützt anzuerkennen. Also das sind ein paar harte Nüsse, die noch zu knacken sind, bei denen es mit Kanada aber gelungen ist, das zu schaffen. Und deswegen, wie gesagt, diese ganze Debatte über CETA ist nichts anderes als ein Kollateralschaden der TTIP-Debatte. Ich würde mir wünschen, dass wir Europäer verlässlich international als Verhandlungspartner auftreten und die Kanadier jetzt endlich einmal beruhigen, das Abkommen ratifizieren, es unter Dach und Fach bringen, und dann den Nutzen ziehen, nämlich verbesserte Handelsbeziehungen mit Wohlfahrtszuwächsen auf beiden Seiten des Atlantik.

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