01.10.2015FDPAußenpolitik

LAMBSDORFF-Gastbeitrag: Mit Assad reden

Berlin. Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF schrieb für das „Handelsblatt“ (Donnerstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Die Flüchtlingskrise stellt die EU vor nie geahnte Herausforderungen. Doch für die Bekämpfung der Fluchtursachen gibt es allenfalls Ideen, keine Maßnahmen. Verzweifelt sucht die Völkergemeinschaft einen Weg, um den Krieg in Syrien zu beenden. Unterdessen schafft Wladimir Putin Tatsachen – wieder einmal.

Für die westliche Welt ist Putin in Europa ein Problem, im Nahen Osten aber möglicherweise Teil einer Lösung. Als Helfer Europas einerseits und Schutzpatron eines international isolierten Regimes andererseits könnte der russische Präsident am Ende der große Gewinner sein.

Vor diesem Hintergrund muss die Strategie Europas zweigleisig sein. Die Terrormiliz IS kann nur mit militärischen Mitteln zurückgedrängt werden. Die Beteiligung Großbritanniens und Frankreichs an den Luftschlägen ist dabei ein wichtiger Beitrag. Auch Deutschland sollte Verantwortung übernehmen und im Falle einer Anfrage militärische Fähigkeiten zur Verfügung stellen.

Wo wir Solidarität in der Flüchtlingsfrage einfordern, dürfen unsere Verbündeten auch Unterstützung bei der Intervention vor Ort erwarten. Klar ist aber auch: Militärische Mittel können den IS hart treffen. Stabilität in Syrien werden sie jedoch nicht bringen.

Eine dauerhafte Lösung bedarf daher gleichzeitig einer diplomatischen Offensive. Angesichts der sehr unterschiedlichen Interessen der beteiligten Staaten ist nicht nachvollziehbar, warum es keine funktionierende Syrien-Kontaktgruppe gibt. Von Außenminister Steinmeier ist in dieser Frage nichts zu hören.

Gerade jetzt aber müsste Deutschland aktive und sichtbare Friedenspolitik betreiben. Das Format der Iran-Verhandlungen könnte dabei der Schlüssel zum Erfolg sein. Unter EU-Vorsitz wurde der Atomkonflikt nach jahrelangen Verhandlungen eingehegt. Diese Erfahrung muss jetzt als Blaupause für die Bewältigung der Syrien-Krise genutzt werden.

Eine mögliche Lösung muss die Interessen Europas, der USA, Russlands, Chinas, der Türkei und Irans berücksichtigen und die Rechte aller religiösen und ethnischen Gruppen gleichermaßen schützen. Und sie muss den Flüchtlingen eine Rückkehrperspektive eröffnen. Denn viele syrische und irakische Familien würden lieber zu Hause in bescheidenem Wohlstand und Frieden leben, als sich in der Fremde ein neues Leben aufbauen zu müssen.

Damit die Waffen dauerhaft schweigen, muss auch mit Assad gesprochen werden. Nur seine Regierung hat die militärischen Mittel, dem IS am Boden entgegenzutreten – sofern Moskau nach seinem Parlamentsbeschluss nicht eigene Soldaten schickt. Dennoch kann das Assad-Regime nicht dauerhaft Teil eines neuen Syriens sein.

Denn große Teile der geschundenen Bevölkerung sind auch vor dem grausamen Despoten geflohen. Deshalb muss mit der Befriedung Syriens eine Exitstrategie für Assad einhergehen. Unter diesen Bedingungen wäre das russische Vorgehen wirklich Teil einer Lösung statt Ursache neuer Probleme. Sollte Putin einen solchen Beitrag zur Beendigung des Bürgerkriegs und zu einem Neustart in Syrien leisten, könnten das erste Schritte zur Wiederannäherung sein.

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