LAMBSDORFF: FDP wird neuer EU-Kommission nicht zustimmen
Berlin. Zur Abstimmung über die neue EU-Kommission im Europäischen Parlament erklärt der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF:
„Der Amtsantritt der Europäischen Kommission ist genau der Moment, in dem die Weichen für die Zukunft der EU gestellt werden. Und in mancher Hinsicht ist diese Kommission tatsächlich ein Neuanfang – denn die Bürgerinnen und Bürger hatten bei der Europawahl am 25. Mai erstmals die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Spitzenkandidaten auszuwählen. Jean-Claude Juncker hat diese Wahl für sich entschieden. Auch wenn das Verfahren noch nicht perfekt funktioniert hat, so ist es doch ein erster wichtiger Schritt zur Stärkung der europäischen Demokratie. Junckers Organisationsreform der EU-Kommission mit starken Vizepräsidenten schafft schlankere Strukturen und hoffentlich weniger Bürokratie. Aus europapolitischer Sicht geht also vieles in die richtige Richtung.
Die Ausrichtung der neuen Kommission auf dem zentralen Feld der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik aber stimmt nicht. Für die FDP ist klar: Der Stabilitätspakt darf nicht erneut aufgeweicht werden. Eine starke Kommission ist gerade jetzt nötig, da Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Hollande sich wie seinerzeit Schröder und Chirac daran machen, die Regeln für stabile Finanzen und nachhaltige Wirtschaftsreformen in Frankreich erneut zu umgehen. Die Konjunkturflaute in Deutschland, der unverändert hohe Stand der Arbeitslosigkeit in Frankreich und die zunehmend verzweifelten Maßnahmen der EZB zeigen, dass das genau der falsche Weg ist. Marktwirtschaftliche Reformen, nicht Rentengeschenke oder neue Schulden sind Voraussetzung für Wachstum, Arbeitsplätze und neue Chancen für Millionen Menschen in der gesamten EU, die endlich wieder produktiv tätig sein wollen.
Daher kann die FDP der von Präsident Juncker zusammengestellten EU-Kommission nicht zustimmen. Mit Währungskommissar Moscovici und Finanzmarktkommissar Hill droht eine wirtschafts- und finanzpolitische Irrfahrt. Während Juncker vor der Wahl noch das Hohelied von Haushaltsdisziplin und Bankenregulierung sang, will er nun gleich zweimal den Bock zum Gärtner machen.
Pierre Moscovici soll als Währungskommissar die Stabilisierung des Euro voranbringen und für mehr Disziplin in den Krisenländern sorgen. Als französischer Finanzminister hat er hingegen nicht ein einziges Mal einen Haushalt vorgelegt, der die Maastricht-Kriterien für Stabilität und Wachstum eingehalten hätte. Dieser mangelnde Respekt für – auch von Frankreich unterschriebene – europäische Regeln für die öffentlichen Finanzen disqualifiziert ihn für seine Aufgabe. Auch die Benennung von Jonathan Hill ist eine schwerwiegende Fehlentscheidung. Kein Land hat so konsequent wie das Vereinigte Königreich versucht, den Finanzsektor vor Reformen zu bewahren. Lord Hills Parteifreunde von den britischen Konservativen sind gerade deshalb hocherfreut, dass es nun ein Ende haben soll mit der Schaffung einer verantwortungsbewussteren Risikokultur im Finanzdienstleistungssektor. Für die anderen Mitgliedstaaten ist das keine gute Nachricht und für die FDP ein Warnsignal, das wir nicht übersehen können oder wollen.“