KUBICKI-Interview: Wir müssen verbal abrüsten
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab der „Frankfurter Neuen Presse“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Sylvia A. Menzdorf.
Frage: Berlin, Hotel Savoy, Times Bar, in den dicken Ledersesseln sitzen zwei Männer. Einer der beiden sind Sie.
Kubicki: Und der andere Christian Lindner. Das war vor ziemlich genau vier Jahren. Die FDP war bei der Bundestagswahl 2013 rausgeflogen. In der Bar haben Christian Lindner und ich uns in die Hand versprochen, bis zur nächsten Wahl die FDP zurück ins Parlament zu führen. Das ist ja jetzt gelungen.
Frage: Seitdem passt zwischen Lindner und Sie kein Blatt Papier?
Kubicki: Ich vertraue ihm grenzenlos, das ist erst einmal das Wichtigste. Hinzukommt, dass er rhetorisch brillant und ein scharfer Analytiker ist. Damit liegen wir auf einer Wellenlänge. Zweimal im Jahr fahren wir für zwei, drei Tage nach Sylt und nach Mallorca, um ohne Termindruck Zeit für Strategiegespräche zu haben.
Frage: Über die Verteilung der Ministerposten in der angestrebten Jamaika-Koalition brauchen Sie dann nicht mehr zu reden, wenn man jüngsten Veröffentlichungen glauben darf. Die sollen in kleinem Kreis mit den Grünen bereits ausgekungelt sein.
Kubicki: Da spielen Sie auf die ominöse Mail an, die, von wem auch immer, in Umlauf gebracht wurde. Die „Rheinische Post“ hat dann berichtet. Ein solches Treffen hat es aber nie gegeben. Und erst recht keine Postenverteilung. Alles frei erfunden. Alles Fake News. Alle angeblich Beteiligten haben das dementiert. Es wird interessant sein zu erfahren, wer hinter diesem Störmanöver steckt.
Frage: Ganz abwegig oder dumm hört es sich aber nicht an, wenn dieser geheimnisvollen Quelle zufolge das Finanz- und das Justizressort sowie das um die Zuständigkeiten für Technologie und Digitales erweiterte Bildungsministerium an die FDP gehen sollen.
Kubicki: Was richtig dumm ist, ist der Umstand, dass mit solchen Falschmeldungen Vertrauen zwischen allen Verhandlungspartnern zerstört wird, noch bevor es sich entwickelt hat. Ohne Vertrauen funktionieren Verhandlungen aber nicht und Bündnisse auch nicht. Bei Sondierungen geht es nicht um die Verteilung von Posten. Es geht nur darum, diejenigen, mit denen man am Tisch sitzt, einzuschätzen und hinzuhören, wo die Schmerzgrenzen verlaufen. Das Wichtigste wird dann sein: keine Forderungen stellen, die der Andere nicht erfüllen kann. Gleichzeitig müssen wir genau prüfen, ob sich mit den Anderen eine solide Basis für vier Jahre und eine vernünftige Zusammenarbeit entwickeln lassen.
Frage: Wann wissen Sie, mit wem es geht und wem nicht so gut?
Kubicki: Das entscheidet sich ganz schnell. Auf meine gute Menschenkenntnis, geschult in Jahrzehnten als Anwalt, kann ich mich immer verlassen. Wer es übrigens zuverlässig schafft mich innerhalb von 30 Sekunden rasend zu machen, ist Katrin Göring-Eckardt. Sie hat uns Liberale zu „Klimaleugnern“ und „Diktatorenverstehern“ erklärt, andere führende Grüne haben uns als „Menschenfeinde“ bezeichnet. Die notorisch moralische Attitüde von Frau Göring-Eckardt treibt meinen Blutdruck in die Höhe.
Frage: So dünnhäutig kennt man Sie gar nicht. Sie sind auch nicht gerade als Filigranrhetoriker bekannt.
Kubicki: Wir müssen alle verbal abrüsten. Der Wahlkampf ist vorbei. Es geht jetzt nicht mehr um Parteien und Individuen, sondern darum, eine gute, tragfähige Lösung für unser Land zu finden. Deutschland ist ein Stabilitätsanker in Europa, wahrscheinlich sogar global. Da sind wir jetzt alle in der Pflicht, in erster Reihe natürlich Angela Merkel. Sie muss nun aber erst einmal die Verwerfungen in der Union sortieren und zusehen, wie sie mit Horst Seehofer umgeht. Das wird alles in die Länge ziehen, was ich persönlich für unglücklich halte. Wenn erst nach dem Parteitag der CSU Mitte November mit Gesprächen begonnen werden sollte, dann haben wir frühestens im Januar kommenden Jahres eine neue Regierung. Das ist ein fatales Signal an die Wähler, aber es schadet Deutschland auch in der Wahrnehmung im Ausland.
Frage: Jamaika in Schleswig-Holstein ging offenbar leichter. Da stand der Koalitionsvertrag innerhalb von vier Wochen.
Kubicki: Die Situation kann man nicht vergleichen. In Kiel kennt man sich seit Jahren und weiß, was man voneinander zu halten hat. Vertrauen war schnell hergestellt. Da redet man miteinander, geht was essen, trinkt ein Glas miteinander. Dann menschelt es, dann entspannt sich manches. Als es an die Sacharbeit ging, war es wie im Trainingslager: Alle haben straff gearbeitet, alle wollten das bestmögliche Ergebnis. Das ist uns dann auch gelungen. So was schweißt zusammen.
Frage: Demnächst also Lockerungsübungen mit lecker Essen und einem guten Wein mit den Grünen in Berlin?
Kubicki: Das könnte in der Tat ein guter Anfang sein. Mit einer 14-köpfigen Sondierungsgruppe, wie die Grünen sie nominiert haben, ist das aber nicht zu machen. Vier, höchstens fünf Leute pro Fraktion – das wäre für den Anfang ideal. Und die Grünen sollten Robert Habeck für die anstehenden Gespräche nach Berlin holen. Mit ihm hätten sie einen Jamaika-erfahrenen Verhandler mit am Tisch.
Frage: Und am Ende sind Sie, wenn alles gut geht, Finanzminister oder Justizminister oder doch lieber fürs Innenressort zuständig?
Kubicki: Ich kann alles, auch Kanzler, habe ich kürzlich scherzhaft auf eine ähnliche Frage gesagt. Aber im Ernst: Es ist nicht mein Wunschtraum Minister zu werden. Die FDP hat gute Personalreserven. Als Minister müsste ich meine Anwaltstätigkeit ruhen lassen. Und Sie wissen: Ich bin leidenschaftlicher Anwalt.
Frage: Dann also den Fraktionsvorsitz?
Kubicki: Warten Sie es ab.
Frage: Sie haben mal kategorisch ausgeschlossen, nach Berlin zu gehen. Dort werde ich entweder zum Trinker oder zum Hurenbock, haben Sie vor ein paar Jahren zu Protokoll gegeben. Müssen wir uns jetzt Sorgen um Sie machen?
Kubicki: Auf keinen Fall. Inzwischen bin ich sittlich und moralisch gefestigt.