18.01.2018FDPFDP

KUBICKI-Interview: Wir brauchen eine starke SPD

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab dem „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Dieter Schulz.

Frage: Herr Kubicki, wen würden Sie in Berlin lieber begrüßen: Ralf Stegner als Minister einer erneuten Großen Koalition oder Daniel Günther als Spitzenkandidat der CDU bei Neuwahlen?

Kubicki: Die Antwort auf diese Frage fällt mir nicht schwer: Daniel Günther als Spitzenkandidat bei möglichen Neuwahlen. Allerdings ist dies hypothetisch, da es für ihn noch zu früh kommt. Aber er ist sicher jemand innerhalb der CDU, der diese Partei in den nächsten zehn Jahren prägen wird.

Frage: Sie haben Daniel Günther neben Jens Spahn immer wieder als Person für die Erneuerung der CDU genannt. Verheizen Sie ihn mit solchen Vorschusslorbeeren nicht?

Kubicki: Ich glaube, Daniel Günther kann sich nur selbst verheizen. Aber die Erfahrungen, die er bei der Regierungsbildung in Kiel gemacht hat und auch die Tatsache, dass er als gläubiger Katholik für die Ehe für alle eingetreten ist, zeigt, dass er nicht nur zu einer neuen CDU-Generation zählt, sondern, dass er auch politische Substanz hat. Der Erfolg unserer Landesregierung hat ja auch mit dem Namen Daniel Günther zu tun. Und nicht nur mit Heiner Garg, Bernd Buchholz oder Robert Habeck. Deshalb glaube ich schon, dass er in der Lage ist, daran mitzuwirken, die Union in den kommenden Jahren zu modernisieren.

Frage: Sowohl Ihr Parteichef Christian Lindner als auch Sie fordern für eine Neuauflage der Jamaika-Verhandlungen de facto den Rücktritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel...

Kubicki: Stopp. Das tun wir nicht. Das wäre auch absurd. Wir sagen nur: Es macht keinen Sinn, dort fortzusetzen, wo wir aufgehört haben. Wenn man nach viereinhalb Wochen Sondierung feststellt, man kommt nicht zueinander, dann verändert sich die Lage ja nicht dadurch, dass die Große Koalition auch nicht zustande kommt. Wir glauben, wenn Angela Merkel mit der Regierungsbildung ein zweites Mal scheitert, haben die Menschen ein Recht, neu zu votieren. Und danach werden auch neue Personen bestimmen, wohin die Parteien marschieren. Ich hoffe bei den Grünen auf Robert Habeck, bei der CDU wird es dann bestimmt auch nicht so weitergehen und bei der CSU ist der Wechsel mit Markus Söder ja schon vollzogen.

Frage: Aber auch Neuwahlen werden nichts an der Tatsache ändern, dass sich drei Parteien für eine Regierungsbildung zusammenfinden müssen...

Kubicki: Zunächst sind Meinungsumfragen keine Prognosen, sondern Stimmungsbilder des Tages. Wir wissen aus der Vergangenheit, wie schnell sich diese ändern können. Zuerst fand eine Mehrheit Jamaika gut, jetzt finden mindestens genauso viele eine Große Koalition toll. Ich habe noch gut in Erinnerung, dass wir Freien Demokraten zwei Monate vor der Landtagswahl 2012 in Schleswig- Holstein bei zwei Prozent lagen und am Wahlsonntag dann auf 8,2 Prozent hochgeschnellt sind. Deshalb bin ich vorsichtig mit einer solchen Prognose. Aber da das alte Motto „Köpfe transportieren Themen“ immer noch gilt, glaube ich nicht, dass Martin Schulz die SPD in Neuwahlen führen wird, sondern Andrea Nahles, weil sie persönlich auch für die thematische Erneuerung der SPD steht. Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass wir bei einer Neuwahl zu denselben Ergebnissen wie im September vergangenen Jahres kommen werden. Wir sind bereit, neue Gespräche zu führen. Aber erst nach einem neuen Votum – und dann wahrscheinlich mit neuen handelnden Personen.

Frage: Auch mit anderen Inhalten?

Kubicki: Was die Freien Demokraten angeht: Nein! Aber ich kann mir vorstellen, dass die Kompromissbereitschaft bei den anderen zunehmen würde. Zudem würde es eine andere Herangehensweise geben und keine Riesengruppen mehr. Wir würden zunächst versuchen, Vertrauen zu schaffen, um selbst politisch strittige Dinge auszudiskutieren, ohne dass der andere sein Gesicht verliert.

Frage: Dazu werden Sie ja rasch Gelegenheit bekommen, denn nach Ihren Einschätzungen gibt es selbst bei einer Groko 3.0 bereits 2019 Neuwahlen...

Kubicki: Das hat die dritte Große Koalition unter Angela Merkel in ihrem Sondierungspapier quasi selbst vereinbart. 2019 will man überprüften, ob es weitergeht oder nicht. Ich glaube, dass die inneren Fliehkräfte bei Schwarz-Rot so stark sind, dass es spätestens dann endet. Wenn Alexander Dobrindt und Ralf Stegner sich gegenseitig unterstellen, der eine mache einen Zwergenaufstand und der andere versuche zu betrügen... Es gibt schon jetzt so viel Misstrauen in dieser Koalition, dass mir jede Fantasie fehlt, um zu glauben, dies könnte lange halten.

Frage: Sie glauben also auch nicht an den Erfolg von Nachverhandlungen?

Kubicki: Es ist der Sinn von Sondierungsgesprächen, dass man feststellt, was bei den Big Points geht und was nicht. Im Klartext: Es gibt keine Änderungen beim Spitzensteuersatz, es gibt keine Bürgerversicherung, es gibt nach wie vor die sachgrundlose Befristung und bei der Flüchtlingspolitik hat sich Horst Seehofer durchgesetzt – da beißt die Maus keinen Faden ab. Es gibt eine Obergrenze, die auch so definiert wird. Und es gibt etwas, das die seit vielen Jahren gemeinsame Flüchtlingspolitik von CDU, SPD, Grünen, FDP und SSW in Schleswig- Holstein faktisch auf den Kopf stellt. Das ist die Tausender-Grenze beim Familiennachzug. Entweder Sie haben Härtefälle und dann gibt es keine Begrenzung, oder Sie haben keine Härtefälle, dann brauchen Sie keine Begrenzung. Besonders perfide ist, dass diese 1000 Menschen mit Flüchtlingen verrechnet werden, die Deutschland aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Griechenland oder Italien, aufnehmen soll. Hier wird Not mit Not verrechnet. Das widerspricht allen sozialdemokratischen Prinzipien – auch hier in Schleswig-Holstein. Deshalb bin ich – und das möchte ich ausdrücklich sagen – Serpil Midyatli und Kai Dolgner sehr dankbar, dass sie das nicht mittragen. Schließlich gehört ein gewisses Maß an Rückgrat dazu, dies dem SPD-Landesvorsitzenden Ralf Stegner zu sagen, der diesen faulen Kompromiss mit verhandelt und unterschrieben hat.

Frage: Sie gehen also am Sonntag davon aus…

Kubicki: ... dass es eine knappe Mehrheit gibt, die die Parteiführung stützt. Mit der Faust in der Tasche, nicht aus Überzeugung. Es wird auch eine Mehrheit bei der Mitgliederbefragung geben. Aber was die SPD bislang verhandelt hat – oder besser: nicht verhandelt hat –, wird die Partei zerreißen. Nun kann ich als Freier Demokrat sagen, das ist mir egal. Aber auch wir haben ein Interesse daran, dass es eine starke Sozialdemokratie gibt. Es kann nicht sein, dass dauernd die relative Mehrheit der Union ausreicht, um die Kanzlerin im Amt zu halten. Entscheidend ist, dass Deutschland Veränderung braucht, eine der Zukunft zugewandte Politik und kein Verwalten des Bisherigen. Dazu brauchen wir auch eine schlagkräftige Sozialdemokratie.

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