22.05.2017FDPFDP

KUBICKI-Interview: Wahrscheinlichkeit größer als 50 Prozent

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab den „Kieler Nachrichten“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Ulf B. Christen:

Frage: Herr Kubicki, Glückwunsch. Sie führen die Nord-FDP in die Bundestagswahl. Bleiben Sie diesmal in Berlin?

Kubicki: Wenn die FDP in den Bundestag einzieht, dann werde ich mein Mandat annehmen. Welche Aufgabe ich in Berlin übernehme, wird man sehen. Christian Lindner hat bereits erklärt, dass er keinen Ministerposten anstrebt. Das gilt auch für mich. Wir werden also um den Fraktionsvorsitz ringen. (lacht)

Frage: Zurück nach Schleswig-Holstein. Wie sicher ist Jamaika?

Kubicki: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, dass die Wahrscheinlichkeit größer als 50 Prozent ist. Aber es ist nicht sicher. Das liegt auch daran, dass ein solches Bündnis für die Grünen ein weiterer Weg als für uns ist. Einige Grüne haben noch ein Bild von der FDP, das – freundlich formuliert – verbesserungswürdig ist. Für manche sind die Liberalen und insbesondere ich der Gott-sei-bei-uns, also das absolut Böse. Ich glaube, das wird sich im Zuge der Koalitionsverhandlungen ändern. Die FDP ist keine kalte, hartherzige Partei, deren Ziel es ist, einige Menschen reicher zu machen und die Massen zu verelenden.

Frage: Sie haben Ralf Stegner als „Erdogan der SPD“ und „Küsten-Machiavelli“ bezeichnet.

Kubicki: Die Formulierung „Erdogan der SPD“ war sicher überzogen. Nichtsdestotrotz nerven mich seine machttaktischen Spielereien mittlerweile. Die Annahme, die Grünen lassen Jamaika platzen und drängen so die FDP in eine Ampel, ist anmaßend und unerträglich. Herr Stegner ist immer noch der Meinung, die Politik der SPD sei richtig gewesen und die Leute hätten nur falsch gewählt. Es wäre schön, wenn er die Wahlniederlage endlich akzeptiert.

Frage: In der SPD wird beklagt, dass es zu Parteichef Stegner keine Alternative gebe.

Kubicki: Es gibt schon Kandidaten. Der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer wäre so einer. Er ist ein Sympathieträger, hat einen ganz anderen Politikstil als Herr Stegner und ist deutlich weniger herrisch. Und die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange könnte in eine solche Rolle reinwachsen. Sie ist diskussionsfreudiger, lässt Widerspruch zu, braucht aber vielleicht noch drei, vier, fünf Jahre.

Frage: Im Jamaika-Fall wird Bernd Buchholz als Wirtschaftsminister und Heiner Garg als Sozialminister gehandelt.

Kubicki: Das könnte passen. Wir haben in den Gesprächen schon deutlich gemacht, dass wir es nicht zulassen, dass das Wirtschafts- und Verkehrsministerium in andere Hände fällt. Dass Heiner Garg gern Sozial- und vor allem Gesundheitsminister war, ist bekannt. Und er hat das in seiner ersten Amtszeit auch richtig gut gemacht.

Frage: Bei den Bürgerrechten tickt die FDP ähnlich wie die Grünen, die Flüchtlingspolitik könnte aber zum Knackpunkt werden. Oder?

Kubicki: Wir sind gar nicht so weit voneinander entfernt, wie das öffentlich den Anschein hat. Wir sagen, der Rechtsstaat muss sich bewähren und am Ende durchsetzen. Das heißt etwa in der Frage Afghanistan, dass eine Abschiebung in jedem einzelnen Fall geprüft werden muss. Der allgemeine Abschiebestopp für Afghanen, den Ministerpräsident Torsten Albig verkündet hatte, war eine reine PR-Aktion vor der Wahl. Es hat auch niemand ernsthaft versucht, andere Länder oder den Bund mit ins Boot zu holen.

Frage: Die Grünen sind gegen ein Abschiebegefängnis.

Kubicki: Ich habe versucht, den Grünen unsere Sicht zu erklären. Wenn wir abschieben müssen, dann brauchen wir auch Einrichtungen, aus denen niemand entweichen kann. Das muss kein Gefängnis, keine Haftanstalt sein. Es handelt sich ja nicht um Kriminelle. Es kann auch ein hotelähnlicher Komplex sein, der umzäunt ist. In diesem Zusammenhang können wir überlegen, ob wir nicht die humanste Einrichtung, die es überhaupt gibt, gemeinsam mit norddeutschen Ländern in Schleswig-Holstein einrichten, vielleicht nahe Hamburg.

Frage: Die Grünen haben einen linken Flügel, zu dem ihr Finanzpolitiker Rasmus Andresen zählt. Können Sie sich vorstellen, im Landtag bei Andresen-Reden zu klatschen?

Kubicki: Herr Andresen hat sehr kluge Reden etwa zum Glücksspiel oder zur HSH Nordbank gehalten. Es ist übrigens so, dass weder die Grünen noch wir für das Desaster der Bank verantwortlich sind. Das waren SPD-Politiker Anfang des Jahrtausends. Und es waren 2009 CDU und SPD mit dem 10-Milliarden-Euro-Rettungsschirm.

Frage: Es gab zuletzt keine HSH-Debatte, in der sie mit der grünen Finanzministerin Heinold nicht über Kreuz lagen...

Kubicki: Die Regierung hat sich Ende 2015 gegen eine Abwicklung der Bank entschieden, in dem Glauben, dass die Bank eines Tages verkauft werden kann. Ich hätte das anders gemacht, weil es keinen Käufer für die HSH gibt. Für eine Jamaika-Koalition spielt das aber keine Rolle. Wenn wir im Sommer antreten, ist das alles gelaufen, und wir wissen, dass wir die Bank im Februar 2018 abwickeln müssen – egal wer regiert.

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