05.11.2015FDPAsylpolitik

KUBICKI-Interview: Gehe von einem Kompromiss aus, der niemandem helfen wird

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „Abendzeitung“ München (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte RUDI WAIS:

Frage: Herr Kubicki, mal ehrlich: Sind Sie nicht froh, dass Sie im Moment nicht regieren? Eine Bundesregierung, an der die FDP beteiligt ist, wäre mit der Flüchtlingskrise doch genauso überfordert wie Union und SPD es sind.

KUBICKI: Natürlich haben wir es derzeit mit einer historischen Sondersituation zu tun, die in ihrer Wucht fast zwangsläufig eine administrative Überforderung mit sich bringt. Dennoch haben CDU, CSU und SPD – und allen voran die Bundeskanzlerin selbst – viele Fehler gemacht, die die Lage noch unnötig verschärft haben.

Frage: Welche Fehler meinen Sie?

KUBICKI: Wenn die Kanzlerin ihre Arme ausbreitet und den Menschen in der Welt zu verstehen gibt, „Kommt alle zu uns, wir brechen sogar Europarecht für Euch“, dann wird aus einer „großen Herausforderung“ ein großes Problem.

Frage: Die Koalition will ihren Streit um die Asylpolitik jetzt mit einem zweiten Gipfel beilegen. Was erwarten Sie davon?

KUBICKI: Ich erwarte, dass alle Seiten versuchen, so gesichtswahrend wie möglich aus dem Treffen herauszugehen. Unter inhaltlichen und fachlichen Gesichtspunkten betrachtet, gehe ich allerdings von einem Kompromiss aus, der niemandem richtig helfen wird. Die Beruhigung des koalitionsinternen Streites wird wahrscheinlich durch Abstriche in der Problemlösung erkauft.

Frage: Welcher von den beiden vorliegenden Lösungsvorschlägen ist denn der bessere: Die Transitzonen der Union oder das dezentrale Modell der SPD?

KUBICKI: Ich sage es einmal so: Transitzonen sind eindeutig die schlechtere Lösung. Wie sollen wir uns die denn vorstellen? Wir nehmen zigtausende Menschen in Einrichtungen in Gewahrsam, die wir erst noch bauen müssen – und keine Ahnung haben, wie die aussehen oder auf welcher rechtlichen Grundlage das geschehen soll. Die CSU will vor allem die Flüchtlinge vom Balkan abschrecken, die kaum eine Bleibeperspektive haben – die Zahlen dieser sind aber schon stark rückläufig. Wer sagt, hiermit werde ein Problem durch kraftvolles politisches Handeln gelöst, streut den Menschen Sand in die Augen.

Frage: Die FDP will Flüchtlingen aus Syrien oder dem Irak kein Asyl mehr gewähren, sondern sie nur vorübergehend in Deutschland aufnehmen – bis der Krieg vorbei ist. Ist das nicht eine etwas akademische Herangehensweise? Die Leute sind ja schon da.

KUBICKI: Wenn wir so Politik betreiben würden, dann müssten wir ja bei bereits aufgetretenen Problemen grundsätzlich die Hände in den Schoß legen. Gelingt es uns, die neu zu uns kommenden Menschen nach einer gewissen Zeit auf rechtlich sicherer Grundlage wieder in ihre Heimatländer zurückzusenden, hätten wir auf jeden Fall mehr erreicht als gegenwärtig. Außerdem begrenzen wir damit auch den Familiennachzug – da erwarten wir schon zum aktuellen Zeitpunkt mehrere Millionen Menschen zusätzlich.

Frage: Auch das bestehende Instrumentarium erlaubt Abschiebungen in weit größerem Umfang, als es bisher geschieht. Warum soll es mit dem FDP-Modell besser funktionieren?

KUBICKI: Die niedrige Abschiebequote ist tatsächlich ein großes Problem. Hier müssen wir noch um einiges konsequenter vorgehen. Es liegt ja auf der Hand, dass sich die Integrationsfähigkeit der Bundesrepublik auch daran misst, wie viele Kapazitäten wir für die Menschen haben, die zu Recht Schutz bei uns suchen. Je weniger Menschen abgeschoben werden, obwohl die Voraussetzungen für eine Abschiebung vorhanden sind, umso schwieriger wird die Integration der Flüchtlinge werden. Im Übrigen verlieren die Menschen in Deutschland das Vertrauen in die Durchsetzung des Rechtsstaates, wenn sie sehen, dass die Versagung des Asyls keine Konsequenzen hat.

Frage: Zum Schluss noch eine Frage an den Propheten Kubicki: Hält die Koalition bis zum nächsten Wahltermin im Herbst 2017 durch?

KUBICKI: Ich glaube schon. Derzeit können weder die Union noch die SPD ein Interesse an Neuwahlen haben. Ob allerdings die Kanzlerin bis 2017 durchhält, hängt davon ab, ob sie es versteht, die Herzen der Konservativen in Partei und Wählerschaft wieder zu erwärmen. Die Zweifel dieser Klientel sind extrem hoch und auch durch die Diskussion über Transitzonen nicht geringer geworden.

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