KUBICKI-Interview: Die Freien Demokraten sind auf der Höhe
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab dem „Deutschlandfunk“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Dirk Müller:
Frage: Herr Kubicki, warum ist Christian Lindner noch besser als Sie?
Kubicki: Weil er schlicht und ergreifend eine längere Zeit hatte, die Wähler davon zu überzeugen, die Wahl zu gewinnen. Nein, nein, im Ernst: Es ist doch eine unglaubliche Leistung, dass die nordrhein-westfälischen Freunde das beste Wahlergebnis seit Bestehen des Landes erzielt haben, und darüber freuen wir uns alle. Auf die Frage, wer ist besser oder schlechter, auf die kommt es gar nicht an. Er ist der Bundesvorsitzende meiner Partei und das Gesicht meiner Partei.
Frage: Er ist erster und Sie sind zweiter. Also passt das ganz gut?
Kubicki: Das passt ganz gut. Wir haben uns alle riesig gefreut. Wir haben mit gezittert und mit gehofft, dass nach Schleswig-Holstein NRW noch eine Schippe drauflegt. Denn man muss ja wissen: Das ist für uns der Weg zur Bundestagswahl und das waren Meilensteine, die hier gelegt worden sind, bei uns in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen. Eine bessere Ausgangslage für die Bundestagswahl haben wir uns gar nicht vorstellen können.
Frage: Es ist immer sehr viel zu lesen, Herr Kubicki, von Signalwirkung gerade im Zusammenhang mit Wahlen – Signalwirkung, Signalwirkung. Gibt es die wirklich, diese Signalwirkung?
Kubicki: Die letzten Wahlen zeigen ja, dass die Menschen offensichtlich ein Bedürfnis danach haben, die Freien Demokraten wieder in den Parlamenten möglichst stark zu sehen.
Frage: Bis aufs Saarland.
Kubicki: Bis auf das Saarland, das war eine Sondersituation. Aber wir haben Hamburg, wir haben Bremen, wir haben Rheinland-Pfalz, wir haben Berlin, wir haben Schleswig-Holstein, wir haben Nordrhein-Westfalen, alles toll. Und entscheidend ist, die Wählerinnen und Wähler wussten ja sowohl in Schleswig-Holstein als auch in Nordrhein-Westfalen, dass Christian Lindner und Wolfgang Kubicki auch für den Bundestag antreten werden. Und wenn man sieht, dass wir es geschafft haben, in unseren Ländern zweistellig zu werden, dann muss die Frage ja beantwortet werden, was daran hindern sollte, dass die FDP unter Führung von Christian Lindner und Wolfgang Kubicki auch ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl am 24. September erzielt. Wir sind da völlig relaxt, wir sind im Plan, wir freuen uns. Unsere Parteifreunde werden jetzt zwei, drei Tage sich mal durchschütteln und dann geht es los mit der Bundestagswahl.
Frage: Sie sind ja auch jemand, der sich immer kritisch mit der Partei auseinandergesetzt hat und weiterhin auseinandersetzt. Was ist denn im Moment bei der FDP noch nicht so toll?
Kubicki: Wir haben einige Länder in den Landesverbänden, in denen die Strukturen noch nicht so richtig stimmen, die organisatorisch noch etwas Nachholbedarf haben. Aber wir können auch feststellen, dass wir ähnlich wie die Sozialdemokraten seit Anfang des Jahres einen riesigen Mitgliederzuwachs bekommen, und wir sind sicher aus den Erfahrungen der letzten Wahlkämpfe, dass wir es schaffen können, die Organisationsstruktur so aufzubauen, dass wir überall präsent sind, dass wir überall Menschen haben, die nicht nur kandidieren, sondern auch die Arbeit leisten vor Ort, die auf die Marktplätze gehen, an Stände gehen, und das ist ja mit ein Garant für den Wahlerfolg.
Frage: Und inhaltlich sind Sie voll auf der Höhe, auch mit der CDU zusammen?
Kubicki: Was mit der Union ist, weiß ich noch nicht. Das ist mir momentan auch relativ egal. Aber die Freien Demokraten sind auf der Höhe. Wir haben Ende April unser Bundestags-Wahlprogramm beschlossen, was ich allen nur empfehlen kann, auch im Internet sich herunterzuladen, denn dort sind auf die spannenden Fragen der Zukunft Antworten gegeben worden, beispielsweise im Bereich der Digitalisierung, beispielsweise auch im Bereich der Bildung, wo andere Parteien noch einen riesen Nachholbedarf haben.
Frage: CDU, das ist jetzt das große Thema in Nordrhein-Westfalen, mit großer Wahrscheinlichkeit Schwarz-Gelb. Die Voraussetzungen dafür sind da. In Schleswig-Holstein ist das etwas komplizierter. Große Koalition geht immer, geht dann auch in Kiel. Aber es geht auch rechnerisch Jamaika und es geht die Ampel. Sind Sie da ein bisschen flexibler geworden und reden mit jedem, der ankommt?
Kubicki: Wir haben zunächst einmal gesagt, dass wir als demokratische Partei mit allen anderen demokratischen Parteien selbstverständlich Gespräche führen. Aber eins ist doch klar: Die Küstenkoalition ist insgesamt abgewählt worden, die Politik ist abgewählt worden. Deshalb tendiert die Wahrscheinlichkeit einer Ampelkoalition gegen null, insbesondere nach dem gestrigen Abend auch noch, wo Herr Trittin ja den Freien Demokraten empfohlen hat, aus rein machttaktischen Gründen in eine Ampelkoalition zu gehen. Was hat der für ein Verständnis von einer demokratischen Partei, die von den Wählerinnen und Wählern mit immerhin 3,3 Prozent mehr Zuwachs mit großer Verantwortung ausgestattet worden ist. Wir beginnen morgen, nein heute Abend beginnen wir mit den Grünen die ersten Sondierungsgespräche und ich bin sehr optimistisch, dass es uns gelingen wird, eine vernünftige Basis zu finden, um dann gemeinsam wohl mit der Union die Verhandlungen zu führen über die Errichtung einer Jamaika-Koalition.
Frage: Mit Verlierern reden Sie schon und machen mit denen auch gemeinsame Sache?
Kubicki: Wir machen in Schleswig-Holstein grundsätzlich gemeinsame Sachen. Wir haben auch in der letzten Legislaturperiode eine ganze Reihe von Anträgen gemeinsam abgestimmt. Aber noch einmal: Die Frage einer Ampelkoalition dürfte sich kaum noch stellen.
Frage: Herr Kubicki, jetzt ist die Wahrscheinlichkeit ja sehr groß, Sie haben das ja gerade auch skizziert. Die CDU wird immer der Seniorpartner sein, in Kiel mit großer Wahrscheinlichkeit dann zusammen mit FDP und Grünen und in Nordrhein-Westfalen dann alleine mit Schwarz-Gelb. Wie schwierig wird das für die Liberalen nach diesen Entscheidungen, die in den nächsten Wochen ja anstehen, beim Bundestagswahlkampf klar zu machen, wir unterscheiden uns von der Union?
Kubicki: Wir müssen nicht dokumentieren, dass wir uns von der Union unterscheiden, weil Sie offensichtlich das Klischee immer noch im Kopf haben, dass die Freien Demokraten so was sind wie ein Additiv zur CDU.
Frage: Haben ja viele!
Kubicki: Na ja, das mag ja sein, aber das sind ja Vorurteile. Wenn Sie sich die letzten Wahlen anschauen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, dann haben CDU und FDP keine kommunizierenden Röhren mehr miteinander. Bei deutlich gestiegener Wahlbeteiligung haben beide zugelegt, die FDP sogar überproportional. Wir haben keine Sorgen, unsere Eigenständigkeiten zu dokumentieren. Das macht man in der Sache und nicht an Koalitionen fest. Ich sage mal wieder, fragt uns nicht mit wem, fragt uns was. Entweder es gibt eine vernünftige Politik auch im Bund, dann gibt es Gemeinsamkeiten, oder es gibt keine vernünftige Politik, dann wird die FDP sich daran nicht beteiligen.
Frage: Das heißt, die Oppositionsoption bleibt immer?
Kubicki: Die Oppositionsoption bleibt immer, denn es geht hier nicht darum, einfach nur in eine Regierung hineinzugehen. Diese Lernerfahrung haben wir 2009 und 2013 gemacht. Entscheidend ist, dass man eine vernünftige Politik vereinbaren und auch umsetzen kann, denn Deutschland hat nichts davon, dass wir Farbenspiele betreiben. Deutschland hat was davon, dass die Menschen begreifen, wie toll es ist, in diesem Land zu leben, hier zu arbeiten, dass sie Chancen haben, dass sie aus ihrem Leben das Beste machen können. Darauf wird es ankommen und auf nichts anderes.
Frage: Wie wollen Sie das denn schaffen bei der Inneren Sicherheit, mit der Union da zusammenzukommen? Da sind Sie doch der SPD viel näher.
Kubicki: Das weiß ich nicht, ob wir der SPD da viel näher sind. Die SPD hat ja beispielsweise im Bereich der Inneren Sicherheit in Nordrhein-Westfalen dramatisch versagt, was ja die Freien Demokraten gerügt haben. Aus rechtsstaatlichen Gründen beispielsweise hätte Herr Amri viel früher in Abschiebehaft genommen werden müssen. Die Sozialdemokraten mit Herrn Jäger hatten sich da geweigert, fälschlicherweise. Es ist auch mal wieder dieses Märchen vorhanden, die Freien Demokraten hätten was gegen Videoüberwachung. Das stimmt nicht. Wir sind nur gegen flächendeckende Videoüberwachung. An Schwerpunkten macht das durchaus Sinn, zumindest für die Strafverfolgung. Wir haben immer wieder gesagt und auch dokumentiert, vor Jahren schon, dass wir bei der Polizei nicht sparen dürfen, sondern sie ausbauen müssen, angesichts der Tatsache, dass wir mehr als eine Million zusätzliche Menschen in Deutschland haben und dass die Gewaltbereitschaft zunimmt. Also die Freien Demokraten haben kein Problem im Nachhilfeunterricht Innere Sicherheit, aber dass die Union ihr Versagen bei der Flüchtlingskrise nun versucht umzudrehen, indem sie erklärt, wir brauchen schlicht und ergreifend mehr Überwachungsmaßnahmen, unabhängig von der Frage, ob sie effizient sind oder nicht, das führt auch nicht zu einem deutlichen Zuwachs bei den Wählerinnen und Wählern. Überlegen Sie mal: Die Union ist in beiden Ländern, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, auf knapp über 30 Prozent gekommen. Die waren mal über 40 Prozent. Das bedeutet, auch hier hat sich eine Verschiebung breitgemacht.
Frage: Na ja. Jeder kann verlieren und auch wieder gewinnen. Das versuchen Sie im Moment ja auch.
Kubicki: Wir haben zunächst mal gewonnen, und zwar überdurchschnittlich. Sie müssen sich überlegen: Bei gestiegener Wahlbeteiligung haben die Freien Demokraten in Schleswig-Holstein 3,3 Prozent, fast 40 Prozent ihrer bisherigen Stimmen hinzugewonnen, in Nordrhein-Westfalen das beste Ergebnis aller Zeiten erzielt. Warum sollen wir jetzt in Sack und Asche gehen? Wir werden den Sieg genießen, dann werden wir an die Arbeit gehen und die Menschen davon überzeugen, dass es sich lohnt, die FDP auch für den Deutschen Bundestag gleich stark zu machen.
Frage: Können wir das am Ende inhaltlich festhalten? Flüchtlingspolitik, CDU, wird ein harter Brocken?
Kubicki: Ja gut. Wir sind auch für eine humanitäre Flüchtlingspolitik, aber auch für die konsequente Durchsetzung des Rechtsstaates. Wer kein Bleiberecht hat, bei dem Gerichte entschieden haben, er muss ausreisen, da muss der Rechtsstaat das auch durchsetzen. Ansonsten verlieren die Menschen ihr Vertrauen in den Rechtsstaat. Aber das unterscheidet uns von der Union. Wir haben seit 1996 für ein Zuwanderungsgesetz gekämpft, damit wir aussuchen können, welche Menschen wir hier haben, nach welchen Kriterien. Die Union hat sich dagegen immer gewehrt, bis heute, was wir nicht verstehen, und ich bin sicher, sie wird diesen Kurs korrigieren müssen. Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz. Ansonsten werden die Menschen der Union auch das Vertrauen wieder entziehen.