31.01.2017FDPEuropa

KUBICKI-Gastbeitrag: Europa ist viel mächtiger, als es Trump lieb ist

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki schrieb für die „Huffington Post“ den folgenden Gastbeitrag:

Über weite Strecken des 20. Jahrhunderts galten US-Präsidenten – mit wenigen Ausnahmen – als (Meinungs)Führer der freien Welt. Gerade für die Bundesrepublik war die enge Verbindung nach Washington der Garant für den Wiederaufstieg nach dem Zweiten Weltkrieg.

Mit dem Beginn der Amtszeit von Donald Trump jedoch wird deutlich, dass mit dem von ihm proklamierten Ziel „Make America great again“ ein Paradigmenwechsel eingeläutet wurde. Ob die richtige Antwort hierauf „Make Europe great again“ lautet? Ja und Nein. Denn Europa ist bereits ein großer Erfolg.

Frieden, Wohlstand und wirtschaftliche Stärke verdanken wir dem Zusammenwachsen Europas. Die EU führte zu einem höheren Lebensstandard, einem weltweit einzigartigen Binnenmarkt, einer Gemeinschaftswährung und zu einem einheitlichen Auftreten in der Welt.

Das sind die Grundbedingungen für seine Entwicklung. Alles in allem hat sich die Europäische Union in einen wirtschaftlichen Giganten verwandelt. Europa ist der Kontinent mit der höchsten Innovationsfähigkeit.

Von allen Übersetzungsmöglichkeiten des Wortes „great“ gefallen mir „großartig“, „toll“ und „super“ am besten. Denn hiermit wird jeweils Begeisterung ausgedrückt und kein politischer Größenwahn.

Es ist deshalb auch eine historische Verpflichtung, dass wir uns denjenigen entgegenstellen, die auf Abschottung setzen. Die Weimarer Republik ist an ihrer „Werteneutralität“, an ihrer Gleichgültigkeit gegenüber den radikalen, die Werteordnung der Verfassung zersetzenden Umtrieben zu Grunde gegangen. Das Bekenntnis zu Europa ist Auftrag des Grundgesetzes.

Europa ist großartig. Es ist überlebenswichtig, in gesamteuropäischen Zusammenhängen zu denken. Der europäische Kontinent ist klein im Verhältnis zu anderen Zonen der Welt. Jeder der 28 Staaten der EU ist zu klein, um zu überleben, und die EU ist mehr als die Summe der 28 Staaten.

Das Beispiel Airbus zeigt, wie durch Zusammenarbeit Synergien generiert wurden, um zu den Spitzen der Luftfahrtindustrie aufzuschließen. Nur so ist unsere starke Stellung auch in anderen Bereichen der Exportindustrie – Autobau, Pharmazie, Chemie, Maschinenbau – zu erklären.

Natürlich gibt es in diesem großartigen Europa auch Baustellen. Wir müssen Mut zu durchgreifenden Reformen aufbringen, um Europa weiter zu stärken. Es ist klar, dass dies nicht ohne Kontroversen geschehen kann – aber es muss geschehen.

Was Präsident Trump inzwischen offiziell und per Twitter zur Europäischen Union, Freihandel und Bündnisverpflichtungen respektlos rausgelassen hat, kann uns Europäern nicht gefallen. Wenn er beginnt, seine Schlachtrufe im Wahlkampf „Make America great again!“ und „America first“ in eine Politik gegenüber Amerikas Verbündeten zu übertragen, provoziert er einen Konflikt, der am Ende nur Verlierer hinterlässt.

Natürlich ist uns seit langem bekannt, dass Europa wirtschaftlich viel stärker geworden, als es sich die Amerikaner jemals gewünscht haben. Wir sollten keine Illusionen haben: Wir sind ein mächtiger Wettbewerber.

Dabei übersehen unsere amerikanischen Freunde, dass Europa und Amerika Nutznießer einer einzigartigen Zusammenarbeit sind. Unsere Beziehungen sind die mit großem Abstand wichtigsten zwischen zwei Kontinenten in der Geschichte der Menschheit.

Die USA und die EU sind die wirtschaftlich am stärksten miteinander verbundenen Regionen weltweit. Darin liegen für beide Seiten Chancen. Die USA brauchen eine starke Partnerschaft mit Europa und umgekehrt. Europa und die USA sind „verflochten und verflixt“.

Die USA sind keine Insel in der Welt – sie sind vom Miteinander mit anderen Staaten und Regionen abhängig. Wenn sie diese seit langem gewachsene, wechselseitige Abhängigkeit stören wollen, werden sie zum Verlierer. Trump kann per Dekret verordnen, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen. Aber er kann keinen Handelskrieg gegen die Europäische Union führen.

Die USA haben keine kalkulierbare weltpolitische Strategie mehr, die Halt bieten könnte. Eindeutig ist nur die Ermahnung der NATO-Staaten, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben.

Es gibt jedoch vorab wichtigere Fragen zu lösen. Welches Bündnis wollen die USA eigentlich? Gilt die politische Zielsetzung der NATO noch, eine „dauerhafte und gerechte Friedensordnung in Europa – unter Einbeziehung Russlands – zu schaffen“?

Ist das Bündnis für die USA ein ausschließlich geopolitisches Instrument, um ihre Einflusssphäre weiter nach Osten auszudehnen?

Suchen sie einen sicherheitspolitischen Sonderweg mit Russland außerhalb der NATO? Wir können es als Europäer nur begrüßen, dass Trump sich nun um ein besseres Verhältnis zu Russland bemühen will. Wir wünschen eine Rückkehr zu der Politik aus der „Charta von Paris“ von 1990 und hoffen, den Ausbau einer Kooperation von Wladiwostok bis Vancouver verwirklichen zu können.

Der Umgang mit dem neuen Präsidenten sollte genauso klar und ungeschminkt ablaufen, wie er es selbst schätzt. Es wäre ein Rückfall in altes Denken, sollten die USA sich damit begnügen wollen, uns nur mitzuteilen, was gut für uns ist.

Es wird Zeit, dass sich Europa aus der Starre, die das Kaninchen vor der Schlange empfindet, löst. Wer sich kleiner macht, als er ist, darf sich nicht wundern, wenn er als Kleiner behandelt wird. Es ist auch eine Chance, vorsorglich Vorstellungen zu entwickeln, welche eigenen Verantwortungen wir notfalls übernehmen müssen.

Wir sollten uns darauf verständigen können, dass die transatlantische Partnerschaft für beide Seiten nutzbringend ist, die Europäer Verbündete und nicht Vasallen der USA sind und Europa unser Kontinent und kein Vorhof der USA ist.

Besteht Europa diese ernste Bewährungsprobe, beweist es seine Größe ausreichend – ohne große Sprüche klopfen zu müssen.

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