KUBICKI-Gastbeitrag: Das Rentenchaos wird unser Land um Jahrzehnte zurückwerfen
Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI schrieb für die „Huffington Post“ den folgenden Gastbeitrag:
Es wäre keine Übertreibung zu sagen, dass die Lösung der Rentenproblematik in der Bundesrepublik das größte politische Projekt der kommenden Jahre und Jahrzehnte werden wird. Denn es geht in dieser Frage nicht nur um die Gestaltung der individuellen Alterssicherung, es geht vor allem um deren Finanzierung.
Wie groß diese Herausforderung werden wird, zeigt sich daran, dass allein die große Koalition nur dreieinhalb Jahre brauchte, um Renten-Versprechungen abzugeben, die bis zum Jahr 2030 mehr als 200 Milliarden Euro zusätzlich kosten werden.
Doch damit nicht genug: Andrea Nahles macht sich in alter sozialdemokratischer Manier noch einmal daran, die Summe weiter zu erhöhen und erklärt frech, bis 2030 seien diese Mehrausgaben leistbar. Danach müssten Steuern erhöht werden.
Die heutige junge Generation hat diese Problemverschiebung mit höheren Rentenbeiträgen auszubaden. Die Bundesregierung beschwört damit einen Generationenstreit herauf, weil sie nicht die Interessen beider Seiten im Auge behält.
Dabei haben die Jungen das Nachsehen: Wer wegen höherer Steuern und Abgaben weniger zur Verfügung hat, kann auch immer weniger selbst vorsorgen. Auf diese Weise sorgt die Bundesregierung also schon heute dafür, dass die Abhängigkeit von der – immer schmaler werdenden – gesetzlichen Rente künftig steigt.
Zugleich ist die demographische Ausgangslage für die faire Lastenverteilung extrem ungünstig. Deutschland wird älter. Wir müssen damit rechnen, dass schon im Jahr 2030 auf jeden Ü-65er nur noch zwei Menschen zwischen 20 und 64 Jahren kommen. 1960 lag dieses Verhältnis noch bei eins zu 5,3. Die Verteilung der Mittel war zu diesem Zeitpunkt noch kein Problem.
Allein diese Zusammenfassung zeigt auf, wie sehr das System der Alterssicherung in Deutschland eine grundlegende Strukturveränderung benötigt.
Wenn wir – wie bisher – mutige Entscheidungen unterlassen, werden auf Sicht langjährige Beitragszahler bei Renteneintritt reihenweise zu Sozialfällen, zugleich werden die morgigen Arbeitnehmer von einer unerträglichen Abgabenlast erdrückt.
Um dies zu verhindern, müssen wir damit aufhören, die Lösung der offensichtlichen Probleme einfach auf später zu verschieben und bis dahin alles mit viel zukünftigem Geld zuzudecken.
Klar sollte schon heute sein: Die gesetzliche Rente wird in den meisten Fällen nicht mehr ausreichen, um den Lebensstandard zu halten. Nicht ohne Grund wird dies jedem Beitragszahler regelmäßig von der Rentenversicherung mitgeteilt.
Deshalb müssen wir neben der gesetzlichen möglichst auch noch die private und betriebliche Altersvorsorge unterstützen – damit jeder einen individuellen Renten-Baukasten aufstellen kann.
Die Deutschen werden nicht nur älter, sondern bleiben glücklicherweise auch länger gesund. Deshalb ist es mittlerweile etwas anachronistisch, wenn wir den Menschen vorschreiben, dass sie mit 65 Jahren aufhören sollen, selbst dann, wenn sie noch weiterarbeiten könnten und dies auch wollen.
Wer schon ab 60 in den Ruhestand gehen möchte, soll dies auch dürfen – muss aber mit entsprechenden Abschlägen rechnen.
Der Staat sollte den Willen zum längeren Arbeiten angemessen berücksichtigen. Denn wer im Ruhestand noch im besten Sinne unruhig ist und seinen Wohlstand durch Hinzuverdienst sichern möchte, sollte hieran nicht gehindert werden. Aus diesem Grund müssen wir die Hinzuverdienstgrenzen neben dem Rentenbezug komplett abschaffen.
Die Bürgerinnen und Bürger müssen in der Rentenfrage außerdem vor zu viel politischem „Ehrgeiz“ geschützt werden. Wenn es uns gelingt, eine Art Schuldenbremse für die Sozialversicherungskassen einzuführen, werden populistische Rentenforderer in die Pflicht genommen, entsprechende Gegenfinanzierungsvorschläge zu unterbreiten. Damit könnten wir die Alterssicherung vor weiterem Schaden bewahren.
Wir haben also viel vor uns, wenn wir die Rente dauerhaft sichern wollen. Ein rentenpolitischer Überbietungswettbewerb, wie er uns jetzt im Bundestagswahlkampf droht, kann uns allerdings um Jahre – wenn nicht Jahrzehnte – zurückwerfen.