14.09.2016FDPMedien-, Internet- und Netzpolitik

KUBICKI-Gastbeitrag: CSU verspielt mit TV-Vorschlag Glaubwürdigkeit der Politik

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Die CSU ist bekannt dafür, dass sie häufig den maßkruggefüllten Stammtisch bedient, wenn sie mit politischen Forderungen auf den Markt der Meinungen geht. Dieses Vorgehen garantiert ihr eine gewisse Aufmerksamkeit, auf die der gemeine CSU-Funktionär mit einem gewissen bajuwarischen Stolz blickt.

In die Verlegenheit, solche Initiativen auch noch umzusetzen, kommen die Christsozialen allerdings äußerst selten. Entweder finden sie nicht genügend Mitstreiter für ihre intellektuell herausfordernden Ideen, oder diese Vorschläge wären in der Umsetzung evident verfassungswidrig. Ob Dobrindt-Maut, Transitzonen oder die Asyl-Obergrenze von 200.000 – wer das Grundgesetz in der Bayerischen Staatskanzlei in guten Händen sieht, scheint es nicht gut mit dem Rechtsstaat zu meinen.

In dieser Reihe von politischen Nicht-Ideen können wir seit einigen Tagen auch den Vorschlag des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer verorten, eine Zusammenlegung von ARD und ZDF voranzutreiben. Eine solche Einheitsstruktur sei ausreichend, so der weiß-blaue Potentat, weil „die Grundversorgung auch von einer Fernsehanstalt geleistet werden könnte“. Seine Partei strebe deshalb „langfristig die Beseitigung von Doppelstrukturen und die Zusammenlegung von ARD und ZDF unter einem Dach an“.

Grundsätzlich ist die Diskussion über die öffentlich-rechtliche Programmvielfalt immer ein gutes Aufregerthema. So ist es durchaus bedenklich, ob sowohl ARD und ZDF in ihren Hauptprogrammen gleichzeitig und über Stunden die Hochzeit eines englischen Adligen mit einer Bürgerlichen ausstrahlen müssen. Ob uns die zeitgleich gesendeten, uns mit den neuesten und spektakulärsten Autounfällen beliefernden Boulevardformate „Brisant“ (ARD/MDR) oder „Hallo Deutschland“ (ZDF) intellektuell voranbringen, ist nicht einmal mehr fraglich.

Man kann auch über die Kostenstruktur der öffentlich-rechtlichen Anstalten sprechen, ob das derzeitige System vielleicht dann und wann einmal dazu verleitet, nicht so ganz genau auf das Geld der Beitragszahler zu achten. Wir dürfen die Frage stellen, ob der Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten nicht zu asymmetrisch wird. Eine solche Debatte, in der verschiedene Aspekte unserer medialen Grundversorgung unaufgeregt abgewogen werden, wäre gewiss des Schweißes der Edlen wert. In dieser Diskussion sollte aber auch Erwähnung finden, dass es öffentlich-rechtliche Recherchen waren, die den russischen Doping-Sumpf trockengelegt haben.

Auf eine unaufgeregte Debatte zielte Seehofer bei seiner Provokation aber nicht. Im Gegenteil: Ihm ging es gerade um die größtmögliche Aufregung – ohne das Ziel zu verfolgen, seine „Vorschläge“ auch wirklich umzusetzen, sondern einzig und allein der Aufregung willen. Hier kann man es einen „dummen Zufall“ nennen, dass die alte AfD-Parole von der „Lügenpresse“ zumindest emotional mit dem Seehoferschen Postulat gleichläuft.

Denn der Tenor ist ja: „Wenn ARD und ZDF ihre Kernaufgaben nicht sachgemäß erfüllen, dann müssen wir diesen Wildwuchs zerschlagen.“ Im Ergebnis spielt der CSU-Chef damit auf derselben Leier der politisch Irrationalen – und erledigt deren Geschäft. Und dass ARD und ZDF im medialen Wettbewerb stehen, wird völlig ausgeblendet.

Das hinter solchen Forderungen stehende Problem ist am Ende aber viel gefährlicher für uns alle – es betrifft den Umgang mit unserer demokratischen Verantwortung. Wenn der einzige Zweck von Politik sein soll, für medialen Trubel zu sorgen, ohne damit das Ziel zu verfolgen, bestimmte Änderungen zu erreichen, dann bekommen wir langfristig ein Demokratieproblem. Denn es ist niemandem erklärbar, warum laufend politische Vorschläge aufs Tapet gebracht werden, die vorrangig eine diffuse Stimmung bedienen, aber niemals realistisch zur Umsetzung gelangen.

Wer so vorgeht, verspielt die Glaubwürdigkeit der Politik im Allgemeinen und erhöht die Zahl derjenigen, die sich von demokratischen Entscheidungen enttäuscht abwenden. Und der muss sich nicht wundern, wenn Parteien emporstreben, die genau dies zu ihrem Geschäftsmodell gemacht haben.

Wenn es Horst Seehofer ernst wäre mit seiner Forderung, dann hätte er als mächtiger Ministerpräsident mehr in der Hand, als er derzeit vorgibt. Denn was spricht dagegen, dass er sein gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale legt, um zumindest den Bayerischen Rundfunk in einer anderen Sendeanstalt – zum Beispiel dem SWR – aufgehen zu lassen? Hiermit wäre ein erster Schritt getan, um zu einer sukzessiven Beseitigung der öffentlich-rechtlichen Doppelstrukturen zu kommen, die er selber ja so beklagt.

Deshalb gilt hier: Warten wir einmal ab, ob Horst Seehofer zu einer solchen Politik der kleinen Schritte imstande ist. Ich glaube allerdings nicht, dass er hierzu willens oder in der Lage ist. Wetten dass?

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