FDPAußenpolitik

Im Streit mit Erdogan könnte Merkel von Rutte lernen

Präsident Erdogan geht auf Kollisionskurs mit der EUPräsident Erdogan geht auf Kollisionskurs mit der EU
17.03.2017

Die FDP ruft die Bundesregierung und die EU auf, Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder zu unterbinden. Die EU müsse sich hierzu auf eine einheitliche Linie verständigen, sagte EU-Parlamentsvize Alexander Graf Lambsdorff der Welt. Er lobte den Ansatz der Niederlande, solche Termine zu verhindern. "Die Holländer machen vor, wie es geht, die Bundesregierung dagegen eiert herum", konstatierte er. FDP-Chef Christian Lindner teilt diese Auffassung. Der liberale niederländische Ministerpräsident Mark Rutte handle so, wie man es von Merkel und Europa insgesamt erwarte, so Lindner.

"Es entspricht nicht den Standards einer wehrhaften Demokratie, wenn Freiheit missbraucht wird, um für die Aufhebung von Freiheit zu werben", stellte Lindner gegenüber der dpa klar. "Unsere Liberalität braucht Einsatz statt Laschheit." Merkel müsse deshalb die falsche Zurückhaltung gegenüber Erdogan aufgeben, Solidarität mit den Niederlanden vorleben und sich für einen schnellen Schulterschluss der EU einsetzen, statt die Verantwortung "wie bei der Flüchtlingskrise auf die Städte und Gemeinden" abzuwälzen, sagte er dem Korrespondentenbüro Herholz + Buchsteiner. "Mehr Rutte wäre der richtige Weg für Deutschland und Europa."

Denn die Provokationen der Erdogan-Regierung spitzen sich weiter zu: Nachdem der türkische Machthaber wüste Nazi-Beschimpfungen auch gegen die Niederlande richtete, warnte Lambsdorff vor einer gefährlichen Eskalation. "Unsere niederländischen Nachbarn als Nazis zu beschimpfen, zeugt von einem absurden Geschichtsverständnis und ist vollkommen ungehörig", monierte der EU-Parlamentsvize im Interview mit der Heilbronner Stimme. Es sei "höchste Zeit, dass die Türkei verbal abrüstet, um das Verhältnis zur EU nicht irreparabel zu beschädigen".

Die rechtliche Grundlage, um Wahlkampfauftritte zu untersagen, gibt es bereits: Am Freitag erklärten die Richter des Bundesverfassungsgerichts, dass weder das Grundgesetz noch das Völkerrecht ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern einen Anspruch auf die Einreise nach Deutschland zur Ausübung amtlicher Funktionen gebe. Trotzdem plant die Bundesregierung kein Einreiseverbot für türkische Minister. Aus Lindners Sicht geht klare Kante anders. Im Gespräch mit der Bild am Sonntag forderte er: "Die Bundesregierung muss die Werbekampagnen auf deutschem Boden unterbinden, indem sie zeitweise die Einreise türkischer Regierungsmitglieder verhindert."

Die Bundesregierung sei jetzt in der Handlungspflicht, ergänzte Lindner gegenüber der Heilbronner Stimme. "Die Bundesregierung macht bewusst von ihren Möglichkeiten keinen Gebrauch, die Werbung für eine autoritäre Türkei bei uns zu unterbinden. Das ist nun klar", sagte der FDP-Chef. Für Lindner ist jedoch eindeutig: "Es ist ein falsches Verständnis von Toleranz, den Gegnern der Meinungsfreiheit Meinungsfreiheit zu gewähren."

Abschaffung doppelter Staatsbürgerschaft ist keine Integrationsstrategie

Die Forderung des CDU-Politikers Norbert Röttgen, die doppelte Staatsbürgerschaft als Reaktion auf den Streit mit der Türkei abzuschaffen, wiesen die Freien Demokraten entschieden zurück. Der Vorstoß sei lediglich ein Ablenkungsmanöver, um Defizite in der Integrationspolitik und im Umgang mit dem autoritären türkischen Machthaber zu vertuschen, rügte Lindner im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Die Regierung ist zu lax zu Erdogan und bekommt kein Einwanderungsgesetz gestemmt", kritisierte er.

Lindner verwies darauf, die geltende doppelte Staatsbürgerschaft "ohnehin eine hohe Hürde" enthalte und "keine Mauern, sondern Brücken" baue. Eine Abschaffung brächte hingegen viele rechtliche Probleme und würde Menschen in unnötige Gewissenskonflikte stürzen, mahnte er. FDP-Vize Wolfgang Kubicki bekräftigte diese Einwände und prangerte das Bürgerrechtsverständnis der Union an. "Die CDU ist derzeit wirklich nur noch zu bedauern", unterstrich er.

Auch die abstruse Forderung der CSU nach Abzug der Bundeswehr vom NATO-Stützpunkt im türkischen Incirlik stieß bei den Freien Demokraten auf Unverständnis. Lambsdorff bezeichnete sie als "politisches Scharmützel" und verlangte, die Bundeswehr aus politischen Auseinandersetzungen herauszuhalten. "Die Forderungen der CSU sind deplatziert. Die Frage der Stationierung in Incirlik ist eine rein operative und keine, mit der man politisch punkten sollte", erläuterte er gegenüber der Welt. "Wir sollten in diesem Falle besonnen handeln."

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