20.02.2013FDP

HOMBURGER-Interview für "Die Welt"

Berlin. Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende BIRGIT HOMBURGER gab der "Welt" (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ULF POSCHARDT:

Frage: Frau Homburger, soll das Sitzenbleiben abgeschafft werden?
HOMBURGER: Nein, wer das Sitzenbleiben abschafft, gaukelt den Schülerinnen und Schülern eine heile Welt vor. Kinder und Jugendliche brauchen Herausforderungen. Sie wollen sich weiterentwickeln. Ihnen vorzumachen, dass es Erfolge ohne Anstrengung und Leistung gibt, betrügt sie um ihre Zukunftschancen.
Frage: Bildungsexperten sagen, Sitzenbleiben sei ineffizient.
HOMBURGER: Wenn das Sitzenbleiben in der Schule verschwindet, gibt es für Schülerinnen und Schüler keinen Grund mehr, sich anzustrengen. Denn die nächste Klasse wird auf jeden Fall erreicht. Es gilt: fördern und fordern. Deshalb ist es notwendig, dass wir den Schülern, die Schwächen in einzelnen Fächern haben, durch den Besuch von Förderkursen, Wochenendkursen oder Ferienkursen die Chance auf ein Weiterkommen erhalten. So können Schüler durch Extra-Anstrengungen die Versetzung erreichen. Wir wollen uns gerade um schwächere Schülerinnen und Schüler intensiv bemühen. Das bedeutet für die Kultusminister, dass man Schulen auch die entsprechenden Lehrerdeputate zur Verfügung stellen muss. In dieser Diskussion spüre ich zumindest unterschwellig das Interesse der Kultusminister, Stellen einsparen zu können. Schafft man das Sitzenbleiben ab, bedeutet dies in der Regel weniger Aufwand.
Frage: Sie vermuten hinter dem rot-grünen Vorstoß vor allem ein ökonomisches Interesse?
HOMBURGER: Ich spüre bei den Kultusministern den Versuch, ihre Einsparvorgaben anstrengungslos zu erreichen.

Frage: Wenn sich Leistung lohnen soll, wie die FDP stets betont, muss Nicht-Leistung dann bestraft werden?
HOMBURGER: Nein, es geht hier nicht um Bestrafung. Es geht darum, dass man die Schülerinnen und Schüler fit macht für die Zukunft. Kinder und Jugendliche werden im Berufsleben immer wieder in Prüfungssituationen gestellt. Das sind zwar keine formalen Prüfungen, aber sie haben Druck, sie müssen Leistung bringen. Wenn man Kinder darauf nicht vorbereitet, dann werden sie als Erwachsene scheitern. Die rot-grüne Bildungspolitik läuft im Grunde auf eine Schule ohne Noten und Sitzenbleiben hinaus - mit einem einheitlichen Abschluss für alle, den jeder Bürger am besten gleich mit der Geburtsurkunde erhält. Das ist eine Bildungspolitik, die nicht funktioniert und die die Zukunftsfähigkeit unseres Landes untergräbt.
Frage: Aber sie ist, blickt auf die Wahlergebnisse von Rot-Grün in den Ländern, scheinbar eine sehr populäre Vorstellung von zukünftiger Bildungspolitik.
HOMBURGER: Nein. Ich glaube, dass viele Bürgerinnen und Bürger noch gar nicht gemerkt haben, in welche Richtung diese Bildungspolitik läuft. Wenn ich mir mein Heimatland Baden-Württemberg anschaue, dann wird das da sehr geschickt verschleiert. Es wird nicht per Gesetz die Bildungslandschaft umgebaut, sondern dadurch, dass man die Gemeinschaftsschule zu Lasten aller anderen Schularten realisiert. Also indem man die ideologisch motivierten Ziele durch finanzielle Weichenstellungen erreicht. Mehr und mehr Menschen in Baden-Württemberg merken das und wehren sich. Das wurde jüngst bei einem Bürgerentscheid gegen die Gemeinschaftsschule spürbar. Wäre das Quorum bei den Bürgerentscheiden nicht so derart hoch, dann hätte es eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gegen die Gemeinschaftsschule und eben gegen die Politik der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg gegeben.
Frage: Was sind denn grundliberale Forderungen an eine Veränderung oder eine Modernisierung des Bildungssystems?
HOMBURGER: Das Bildungswesen muss vor allen Dingen eins: Es muss möglichst differenziert sein. Wir haben Frühstarter, und wir haben Spätzünder, und wir müssen allen Kindern und Jugendlichen eine Chance geben. Das Bürgerrecht auf Bildung, das ist die zentrale, liberale Botschaft. Wir wollen also, dass kein Kind verloren geht und das bedeutet eben, dass man ein möglichst durchlässiges Bildungssystem hat, ein möglichst differenziertes Bildungssystem und natürlich möglichst viel individuelle Förderung ermöglicht. Das erfordert mehr Autonomie, mehr Entscheidungen in den Schulen vor Ort, weil nämlich vor Ort die Eltern, die Lehrer und die Schüler besser wissen, was für sie gut ist, als irgendeine Kultusbürokratie weitab in der Landeshauptstadt oder wohlmöglich noch in Berlin.
Frage: Glauben Sie, dass die Bildungsfrage am Ende die alles entscheidende ist, wenn es darum geht, die soziale Frage, das große linke Thema, zu lösen?
HOMBURGER: Bildung ist die soziale Frage unserer Zeit. Bildung ermöglicht Aufstieg unabhängig von der Herkunft, und darum geht es uns Liberalen. Diese Chance wollen wir den Kindern geben, und deswegen haben wir in dieser Legislaturperiode, seit Eintritt der FDP in die Bundesregierung 13 Milliarden Euro mehr in Bildung und Forschung gesteckt, weil es da um Zukunftsfähigkeit geht.

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