04.07.2013FDPAußenpolitik

HAHN-Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied JÖRG-UWE HAHN schrieb für die"Frankfurter Rundschau" (Donnerstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Zeichen setzen für den Rechsstaat

Hast Du einen Hammer in der Hand, sehen alle Probleme wie Nägel aus. So oder so ähnlich muss das Motto der NSA der letzten Jahre gelautet haben. Das Auffliegen der praktischen Umsetzung dieser (Abhör-)Strategie versetzt uns für einige Tage zurück in den Kalten Krieg.

Ich bin entsetzt darüber, was ich höre, weil ich dies bisher nur autokratischen Systemen, aber niemals unseren Freunden und Partnern zugetraut hätte. Das erste Ziel muss deshalb die vollständige Aufklärung der Sachverhalte sein. Im Falle Großbritanniens notfalls auch mit einem Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH.

Sobald sich der Staub der ersten Entrüstung gelegt hat, müssen wir den Blick auf die deutsche, aber vor allem auf die europäische Antwort richten. Wir Europäer glauben an das Recht. Wir glauben daran, dass sich Konflikte mit friedlichen Mitteln lösen lassen, dass wir die Bürgerrechte nicht dadurch verteidigen, in dem wir sie aushöhlen, und wir glauben daran, dass Freiheitsrechte, Demokratie und Rechtsstaat wirkungsvoller sind, als Fundamentalismus, Extremismus und Terrorismus.

Wir glauben daran, dass kein Staat und kein Staatenlenker der Welt die Macht besitzen sollte, in unsere Schlafzimmer zu schauen. Und weil uns das in den Augen mancher kalten Krieger naiv erscheinen lässt, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass sich unsere Taten an diesem Maßstab orientieren und wir für diese Werte einstehen. Einige Instrumente dazu haben wir in der Hand.

Mir sind die Anschläge von Madrid und London durchaus noch bewusst. Auch habe ich in Erinnerung, dass es eine Sauerland-Gruppe in Deutschland gegeben hat und dass Mohammed Atta in Hamburg lebte. Ich bestreite weder eine Bedrohungslage, noch die Möglichkeit der Nutzung modernster Technologie zur Bekämpfung von Terrorismus. Dies entbindet Rechtsstaaten aber keinesfalls davon, dass solche Maßnahmen nur aufgrund demokratischer Rechtsgrundlagen erfolgen dürfen, bei denen die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Ein anlassloses "Scannen" der gesamten Kommunikation der Bürger sollte keinem Land, auch nicht den Vereinigten Staaten oder Großbritannien erlaubt sein. Dies gilt bei der Vorratsdatenspeicherung im Innern ebenso wie bei geheimdienstlichem Vorgehen. Für Tempora und PRISM gibt es keine rechtsstaatliche, und damit auch keine sicherheits- oder verteidigungspolitische Rechtfertigung.

Deshalb gilt der Verweis auf nationale Eingriffsbefugnisse auch nicht. Ausländische Bürger aufgrund von nationalen Regelungen abzuhören, erinnert fatal an die Argumentation von Unrechtsregimen. Eigens geschaffenes (Un-)Recht hilft aber weder hier noch da, sich aus der moralischen Verpflichtung zum anständigen Verhalten zu exkulpieren. Dies gilt insbesondere, wenn die so erlangten Daten durch die Sicherheitsbehörden international gepoolt werden und somit über Bande auch die eigene Bevölkerung belauscht wird.

Aus meiner Sicht ist ein internationales Datenschutzabkommen deshalb die sinnvollste Antwort, die die Europäer jetzt geben können. Ein solches Abkommen sollte man jedoch nicht im Rahmen der Vereinten Nationen, sondern im Rahmen der WTO etablieren. Dies hätte nicht nur den Vorteil, ein bewährtes und auch von den USA anerkanntes Sanktionssystem zu haben, es würde zudem auch die Aspekte der Wirtschaftsspionage abdecken können.

Die Europäische Union könnte hierbei eine besondere Rolle spielen. Der Vertrag von Lissabon enthält die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten Mandate für Verhandlungen im Rahmen der WTO an die Europäische Union erteilen. Damit würden einzelne europäische Länder nicht allein verhandeln, sondern man könnte das Verhandlungsgewicht der nunmehr 28 Mitgliedstaaten mit fast 500 Mio. Europäern gezielt im Sinne unserer hohen Datenschutzstandards einsetzen - eine Verhandlungsposition auf Augenhöhe.

Die direkte Kopplung eines solchen Datenschutzabkommens mit dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA wäre ein weiteres wirkungsvolles Instrument. In jedem Fall sollten die Verhandlungen dazu zunächst einmal ruhen.

Sicherlich ist dies ein Vorschlag für die nähere Zukunft und mit einigen Fallstricken behaftet. Kurzfristig sollte Europa deshalb vor allem zwei moralische Zeichen setzen. Erstens: Edward Snowden ausdrücklich einen sicheren Aufenthalt in der Europäischen Union anbieten. Dabei ist es mir gleich, ob man es Asyl, Zeugenschutz oder Aufenthaltsgenehmigung nennt.

Zweitens: Sollte man die moralische Autorität der Europäischen Union, der sie nicht zuletzt die Verleihung des Friedensnobelpreises im letzten Jahr verdankt, dazu nutzen, Präsident Barack Obama zur Rückgabe seines Friedensnobelpreises aufzufordern. Diesen hat er aufgrund seiner "außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken" erhalten - und da etwas gründlich missverstanden.

Wer Millionen Europäer anlasslos abhört, demokratische Institutionen belauschen lässt, Guantanamo im Betrieb hält und nicht zuletzt das Vertrauen der Bündnispartner aufs Spiel setzt, hat die Hoffnungen von Millionen Menschen weltweit, die das Nobelpreiskomitee 2009 gegenüber Obama zum Ausdruck brachte, leider gänzlich enttäuscht.

Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, ob man eine politische Randfigur sein will, oder ob man als Europäische Union die Verantwortung annehmen will, die die Väter und Mütter der Europäischen Verträge ihr zugewiesen haben: Die weltweite Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte. Ich bin für Letzteres.

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