FDPVerfassungsreferendum

Grundlagenvertrag statt EU-Perspektive für die Türkei

Die Türkei entfernt sich immer weiter von europäischen GrundwertenDie Türkei entfernt sich immer weiter von europäischen Grundwerten
19.04.2017

Nach dem Türkei-Referendum darf Erdogan seine Machtkonsolidierung fortsetzen. Damit sei das Land auf dem Weg zu einer islamistischen Präsidialdiktatur, verdeutlichte FDP-Chef Christian Lindner im Interview mit n-tv. Er forderte die Bundesregierung zum entschlossenen Handeln auf: "Ende der Gespräche über einen EU-Beitritt, stattdessen Verhandlungen über einen Grundlagenvertrag, der gemeinsame Interessen regeln kann. Kein Beitritt zur EU und keine Milliardenhilfen für das Land, das uns als Nazis beschimpft." Darüber hinaus befürworten die Freien Demokraten gestärkte Integrationsarbeit zu Hause und eine Rückbesinnung auf demokratische Werte und das Grundgesetz.

Dass Grünen-Chef Cem Özdemir seine Enttäuschung nach dem Referendum an den Deutschtürken ausgelassen und sogar gefordert hatte, jetzt alle Beziehungen zur Türkei auf den Prüfstand zu stellen, sieht EU-Parlamentsvize Alexander Graf Lambsdorff allerdings kritisch. "Die radikale Abkehr der Grünen von der Türkei halte ich für falsch", sagte er der Rheinischen Post. "Ihr Parteichef Özdemir verhält sich wie ein enttäuschter Liebhaber – erst naive Umarmung, dann frustrierte Ablehnung. So kann man keine Außenpolitik machen."

Für eine wehrhafte Demokratie und gestärkte Integrationsarbeit

Der Ausgang des Referendums habe aber natürlich auch in der Bundesrepublik schwerwiegende Fragen aufgeworfen, betonte FDP-Vize Wolfgang Kubicki im Gastbeitrag für die Huffington Post. Wenn sich fast zwei Drittel der türkischen Wahlbeteiligten in Deutschland gegen die parlamentarische Demokratie in der Türkei ausgesprochen hätten, "lässt das vermuten, dass sich viele von ihnen auch von unserer Demokratie abgewendet haben", gab er zu bedenken. "Gerade vor dem Hintergrund der Tatsache, dass zum Beispiel in den USA die Nein-Stimmen klar überwogen, stellt sich die Frage, wie weit wir in den vergangenen Jahrzehnten mit unseren Integrationsbemühungen gekommen sind."

Diese Einschätzung teilt Lindner. Es sei eine Ironie der Geschichte, dass in türkischen Großstädten wie Istanbul und Ankara das Erdogan-Lager keine und im gesamten Land nur eine knappe Mehrheit gefunden habe, bei allen 13 deutschen Wahllokalen jedoch gesiegt habe. "Das sind Warnsignale", sagte er bei n-tv. Wenn die Politik Respekt für die liberale Rechts- und Werteordnung erreichen wolle, dürfe sie nicht selbst so lasch und zurückhaltend mit diesen Werten umgehen. Bei der Aufrechterhaltung des Grundgesetzes dürfe es keine falsche Toleranz geben, stellte der FDP-Chef klar. "Wir müssen im Alltag mit den Menschen sprechen und auch selber offen für liberale Werte eintreten. Es machen ja zu wenige bei uns."

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