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Großbritannien im Schwebezustand

London
29.11.2016

Ungewissheit über den künftigen Brexit-Kurs bestimmt derzeit die politische Stimmung in Großbritannien. Die endgültige Entscheidung des Supreme Court zu einem Mitbestimmungsrecht des britischen Parlaments bei der Aktivierung von Artikel 50 wird für Januar erwartet. Im Interview mit freiheit.org erklärt Sir Graham Watson, ehemaliger ALDE-Parteichef und EU-Parlamentarier, welchen Einfluss die Gerichtsentscheidung auf die Brexit-Verhandlungen haben könnte und wie die Liberal Democrats auf den Prozess einwirken können.

"Der Brexit wird leider mit großer Wahrscheinlichkeit kommen. Die am wenigsten schlechte Option wäre, wenn Großbritannien zumindest im Binnenmarkt bliebe", ist Watson überzeugt. Auch wenn das Parlament tatsächlich mitentscheiden dürfte, gäbe es wahrscheinlich eine Mehrheit im Unterhaus zugunsten des Brexit, "da viele Labour-Abgeordnete zusammen mit den Anti-EU-Tories dafür stimmen werden", erklärte er. Allerdings müsste auch das Oberhaus zustimmen und unter den Lords gebe es derzeit keine Mehrheit für den Brexit. Möglich sei dann etwa ein Brexit, der an bestimmte Bedingungen geknüpft wäre, beispielsweise ein Referendum oder eine Abstimmung im Parlament über das endgültige Ausstiegs-Paket.

Watson verwies auf die Spannungen zwischen den Brexit-Verfechtern, die einen harten Ausstieg aus der EU wollten, und jenen, die einen weicheren Ausstieg bevorzugten. "Die Premierministerin scheint nicht sonderlich gut darin zu sein, diese Spannungen aufzulösen", stellte er fest. Daher könnten vorgezogene Neuwahlen, durch die May ihre Position festigen könnte, nicht ausgeschlossen werden. "Wenn dann auch noch der Supreme Court das Urteil des High Court bestätigt, werden vorgezogene Wahlen noch wahrscheinlicher. Die Konservativen würden wahrscheinlich gewinnen, da die Opposition in einem schlechten Zustand ist", schätzte er ein.

Zuspruch für liberale Politik wächst

Ihrerseits hofften die britischen Liberalen, den Brexit noch verhindern zu können und warben deshalb dafür, dass das Parlament den Brexit in einer Abstimmung ablehnen sollte. "Aber wir sind leider nicht mehr so stark wie früher. Wir haben nur noch acht LibDems-Abgeordnete im Unterhaus", räumte Watson ein. "Eine positive Entwicklung gibt es aber: Die Mitgliederzahlen der LibDems sind seit dem Referendum deutlich angestiegen und die Partei erzielt in lokalen Wahlen und Nachwahlen die besten Werte seit zwanzig Jahren."

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