FDPSWR-Elefantenrunde

Gerade jetzt schlägt die Stunde der Demokraten

Wolfgang KubickiWolfgang Kubicki fordert alle demokratischen Parteien auf, sich der offenen Debatte zu stellen
02.02.2016

Für die Weigerung, an einer TV-Debatte mit der AfD teilzunehmen, muss die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) scharfe Kritik von FDP-Vize Wolfgang Kubicki einstecken. "Wenn Regierungschefs meinen, sich aussuchen zu können, welcher Konkurrent mit ihnen diskutieren darf, dann haben wir ein größeres Problem, als es die AfD für unsere Demokratie jemals sein kann", verdeutlicht er im Gastbeitrag für "Focus Online".

"Es stimmt: Die AfD ist eine rechtspopulistische, von Ressentiments und Xenophobie durchsetzte Partei. Sie vertritt Positionen, die oftmals nur schwer zu ertragen sind. Die Partei ist aber nicht verboten und ist deshalb ein Konkurrent", betont der Freidemokrat. Auch wenn die rheinland-pfälzische SPD in dieser Frage teilweise zurückgerudert sei und ihren Landeschef in die "Elefantenrunde" entsenden wolle, vermisst Kubicki an der Haltung der Sozialdemokraten eine Wertschätzung des politischen Diskurses.

Selbstbewusste Demokraten müssten keine Angst haben, sich dem argumentativen Zweikampf mit der AfD zu stellen, so der FDP-Vize. "Vielmehr ist es eine Chance, die allzu einfachen und oft dümmlichen Argumentationsmuster wirkungsvoll auseinanderzunehmen. Schönwetterdemokrat kann jeder. Wenn die Sozialdemokraten keine Argumente gegen die AfD haben – wir liefern welche." Behauptungen, es würde eine Krise der Demokratie eintreten, weist Kubicki zurück. "Im Gegenteil: Angesichts der vielerorts grassierenden Verunsicherung schlägt gerade jetzt die Stunde der Demokraten. Welch eine schöne Aufgabe, für die demokratischen Errungenschaften zu streiten – Toleranz, Meinungsfreiheit, Pluralität und Rechtsstaatlichkeit."

Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.

Rasant steigende Zahlen rechtsextremer Gewalttaten auf Flüchtlingsheime, Schüsse auf AfD-Plakatierer, brennende Autos bei Pegida-Demonstrationen, politisch motivierte Messerattacke auf eine Kölner Oberbürgermeisterkandidatin: Wir konnten in den vergangenen Monaten eine Radikalisierung der politischen Auseinandersetzung im öffentlichen Raum erleben, die wir in dieser Form schon lange nicht mehr hatten.

Menschen schließen sich zu Bürgerwehren zusammen, weil sie an die Durchsetzungsfähigkeit staatlicher Organe nicht mehr glauben. Anlässlich des um sich greifenden Gefühls, die Politik habe die Problemlösungskompetenz in der Flüchtlingsfrage verloren, befürchten nicht wenige, dass die Bundesrepublik in eine gefährliche Demokratiekrise hineinschlittert.

Gerade mit den Kölner Silvester-Übergriffen und ihrer späteren Aufarbeitung konnte sich ein wirkungsmächtiges Symbol in der Gemütslage etablieren, mit dem die vorher diffusen Ängste vieler Menschen plötzlich greifbar wurden.

Diese Ängste hießen: Ohnmacht des Staates und seiner Sicherheitsorgane angesichts von „Flüchtlingskriminalität“, Versuch der Unterdrückung dieser Informationen durch die Strafverfolgungsbehörden, angebliche Relativierung von Straftaten durch „die Politik“ und nicht zuletzt der Eindruck, dass „die Medien“ entsprechende Informationen zurückhalten, weil sie – so eine mittlerweile zu gewisser Bekanntheit gelangte WDR-Redakteurin – pro Regierung berichten sollen.

Diese ungute Grundstimmung trifft auf eine stärker werdende Tendenz in der politischen Kommunikation, die es eigentlich schon seit Jahren gibt: Die Emotionalisierung politischer Fragen. Manche können sich vielleicht noch an den früheren Mainzer Regierungschef und SPD-Vorsitzenden Kurt Beck erinnern, der am Einzelbeispiel „des“ Dachdeckers seine grundsätzliche Abneigung gegen die Rente mit 67 Jahren (für jedermann, zu jeder Zeit) öffentlich kundtat. Dass das Rentensystem möglicherweise kippen könnte, wenn zu viele Rentner auf zu wenige Beitragszahler treffen, war dabei vielleicht ein gutes Argument – aber zu vernachlässigen. Es ging ja um „den“ Dachdecker.

Aber auch das herzliche Ausbreiten der Kanzlerinnenarme im vergangenen September für die Flüchtlinge in Ungarn war von dieser Tendenz getragen. Dass Merkel mit dieser Entscheidung gegen „Dublin III“ verstoßen hat und sich eigenmächtig über europäische Vereinbarungen hinwegsetzte, begründete sie emotional. Denn hier konnte es vom moralischen Standpunkt betrachtet vermeintlich keine zwei Meinungen geben: „Wir schaffen das“ ja.

Die Superlativierung dieser politischen Emotionalität konnten wir jetzt aber mit der Weigerung der rheinland-pfälzischen SPD unter Malu Dreyer erleben, mit Vertretern der AfD in einer Fernsehrunde zu diskutieren. Es stimmt: Die AfD ist eine rechtspopulistische, von Ressentiments und Xenophobie durchsetzte Partei. Sie vertritt Positionen, die oftmals nur schwer zu ertragen sind. Die Partei ist aber nicht verboten und ist deshalb ein Konkurrent.

Auch wenn die rheinland-pfälzische SPD jetzt in dieser Frage teilweise zurückgerudert ist und ihren Landesvorsitzenden (nicht den Spitzenkandidaten!) in die „Elefantenrunde“ entsenden will, ändert dies nichts an der grundsätzlichen Denkweise: Wenn Regierungschefs meinen, sich aussuchen zu können, welcher politische Konkurrent mit ihnen diskutieren darf, dann haben wir ein größeres Problem, als es die AfD für unsere Demokratie jemals sein kann.

Denn mit der Dreyerschen Weigerung, die ja mittlerweile auch von Hannelore Kraft und Sigmar Gabriel geteilt wird, verlassen führende Sozialdemokraten die Grundlagen unseres demokratischen Diskurses. Die Gewährung von Rede und Gegenrede gehört zu den Spielregeln der demokratischen Auseinandersetzung. Und solange wir uns im weiten Rahmen der Meinungsfreiheit bewegen, sind diese Meinungen erlaubt.

Die hinter Dreyers, Krafts und Gabriels Vorgehen stehende, überhebliche Haltung „Wir sind die guten, die anderen die schlechten Demokraten“, ist zutiefst undemokratisch. Abgesehen davon glaube ich noch immer, dass selbstbewusste Demokraten keine Angst haben müssen, wenn sie sich dem argumentativen Zweikampf mit der AfD stellen. Vielmehr ist es eine Chance, die allzu einfachen und oft dümmlichen Argumentationsmuster wirkungsvoll auseinanderzunehmen.

Das Erstarken der Rechtspopulisten ist ein Symptom für eine außerordentliche Verunsicherung in der Bevölkerung, es ist nicht das Problem selbst. Jeder weiß, dass das Ignorieren von Problemen noch nie wirksam zur Problemlösung beigetragen hat. Das Ignorieren des Symptoms hilft da noch weniger.

Die Kanalisierung von Konflikten in geregelte Bahnen ist für unser demokratisches Gemeinwesen und für das Gedeihen unserer Freiheit unerlässlich. Nur autoritär angehauchte Verantwortungsträger können es sich erlauben, missliebigen Positionen keinen Raum im Meinungsspektrum zu geben. Auf diesen Pfad sollten sich Dreyer, Kraft und Gabriel nicht begeben.

Abschließend bleibt die Frage: Erleben wir derzeit eine Krise der Demokratie? Ich glaube nein. Im Gegenteil: Angesichts der vielerorts grassierenden Verunsicherung schlägt gerade jetzt die Stunde der Demokraten. Welch eine schöne Aufgabe, für die demokratischen Errungenschaften zu streiten – Toleranz, Meinungsfreiheit, Pluralität und Rechtsstaatlichkeit. Frau Dreyer möchte man zurufen: Für diese Errungenschaften zu ringen ist uns Demokraten aufgegeben, wir sollten diese aus taktischen Erwägungen niemals aufgeben und schon gar nicht preisgeben.

Schönwetterdemokrat kann jeder. Wenn die Sozialdemokraten keine Argumente gegen die AfD haben – wir liefern welche.

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