FDPEuropäische FlüchtlingspolitikGeltendes Recht wieder konsequent anwenden
Alexander Graf Lambsdorff kritisiert den Kurs der Bundeskanzlerin in der europäischen Asylpolitik08.03.2016In der Flüchtlingskrise profitieren rechtspopulistische Strömungen von chaotischen Zuständen und einer zerstrittenen Großen Koalition. Für alle, die weder den Kurs der Kanzlerin noch extremistische Protestparteien unterstützen wollen und sich nach einer echten Opposition sehnen, gebe es jedoch eine bessere Option, betonte Alexander Graf Lambsdorff. Die FDP stehe für Rechtsstaat statt Rechtsruck und sei damit die Alternative für Demokraten, verdeutlichte der Vizepräsident des EU-Parlaments im Interview mit der "Magdeburger Volksstimme".
"Der Rechtsstaat muss unterscheiden: Wer kommt legal als Asylbewerber mit Aussicht auf Anerkennung – und bei wem ist das nicht so? Die zweite Gruppe zurückzuweisen, ist legal", erläuterte der Freidemokrat. "Auf die EU übertragen heißt das: Wir haben den Schengen-Raum, dessen Außengrenzen geschützt werden müssen."
Die EU sei eine Rechts- und Wertegemeinschaft, so Lambsdorff weiter. "Wer das Recht einseitig außer Kraft setzt, verstößt auch gegen unsere Werte. Das hat die Kanzlerin getan, als sie die Grenzen einfach so geöffnet hat", kritisierte er. "Die anderen Länder wollen aber nicht akzeptieren, dass sich Deutschland in einem Gefühl moralischer Überheblichkeit aufs hohe Ross setzt." Mit dieser Vorgehensweise seien die französischen Konservativen genauso unzufrieden wie die Osteuropäer.
Ein Verbleib der Briten wäre wünschenswert
Mit Blick auf die Möglichkeit eines Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU hob Lambsdorff hervor, dass der große europäische Markt aktuell 500 Millionen Menschen zähle. "Der britische Markt beschränkt sich auf 60 Millionen Einwohner. Wer da wen mehr braucht, ergibt sich allein aus diesen Zahlen", gab er zu bedenken. "Zum Schluss sind die Briten – siehe Schottland-Referendum – meistens pragmatisch. Ich denke, es gibt eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der EU. Ich wünsche mir auch, dass sie dabeibleiben, aber konstruktiver werden."
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Die EU erweist sich in der Flüchtlingskrise als Koloss auf tönernen Füßen. Jeder Staat handelt nach nationalem Gusto. Auch das Parlament wirkt hilflos. Was tun Sie für eine Lösung?
Wir haben sofort Geld für die Flüchtlinge bereitgestellt, damit sie menschlich und nicht nur als Fallzahlen behandelt werden. Wir machen Druck auf Regierungen und EU-Kommission, damit die Binnengrenzen in Europa offen bleiben und unsere Außengrenzen besser geschützt werden. Das EU-Parlament hat schon 2001 den europäischen Grenzschutz vorgeschlagen - den hat aber noch jeder deutsche Innenminister abgelehnt, auch Thomas de Maizière. Jetzt in der Krise wird er endlich kommen, ohne unseren Druck wäre das nicht so.
Aber es entsteht der Eindruck, das EU-Parlament wird wieder zu der "Quatschbude" degradiert, die es am Anfang war.
Die Krise ist immer die Stunde der Exekutive, also der EU-Kommission und der nationalen Regierungen. Das gehört zur Gewaltenteilung. Hören Sie etwa vom Deutschen Bundestag besonders viel in der Flüchtlingskrise? Eben nicht, und das ist auch normal.
Die Grenzschließungen seien mit Völkerrecht und menschlichem Anstand nicht vereinbar, sagt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Was sagen Sie?
Der Rechtsstaat muss unterscheiden: Wer kommt legal als Asylbewerber mit Aussicht auf Anerkennung - und bei wem ist das nicht so? Die zweite Gruppe zurückzuweisen, ist legal. Auf die EU übertragen heißt das: Wir haben den Schengen-Raum, dessen Außengrenzen geschützt werden müssen. Auch Mazedonien hat das Recht, seine Grenze zu schützen. Die Bilder aus Idomeni sind unnötig. Es gibt in der Nähe Aufnahmeeinrichtungen.
Die EU beruht auf einem Wertekanon, bei dem Solidarität ganz oben steht. Wie viel Verrat ihrer eigenen Prinzipien verträgt die Gemeinschaft?
Die EU ist Rechts- und Wertegemeinschaft. Wer das Recht einseitig außer Kraft setzt, verstößt auch gegen unsere Werte. Das hat die Kanzlerin getan, als sie die Grenzen einfach so geöffnet hat. Die anderen Länder wollen aber nicht akzeptieren, dass sich Deutschland in einem Gefühl moralischer Überheblichkeit aufs hohe Ross setzt. Darüber sind die französischen Konservativen, die Parteifreunde von Frau Merkel, genauso sauer wie die Osteuropäer.
Es wurden Beschlüsse gefasst, die nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen - bei der Verteilung von 160.000 Flüchtlingen ist so gut wie nichts passiert.
Entweder der Beschluss wird geändert oder die EU-Kommission muss als Hüterin der Verträge vor den Europäischen Gerichtshof ziehen und ihn durchsetzen. Die Staaten, die sich weigern, mitzumachen, müssen notfalls zu Zwangsgeldern verurteilt werden. Rechtsstaatliche Regeln gelten für alle.
Die Fliehkräfte in der EU werden auch durch das Brexit-Referendum verstärkt. Wer braucht wen mehr - die EU die Briten oder die Briten die EU?
Die Briten denken marktwirtschaftlich. Der große europäische Markt inklusive Großbritannien zählt 500 Millionen Menschen. Der britische Markt beschränkt sich auf 60 Millionen Einwohner. Wer da wen mehr braucht, ergibt sich allein aus diesen Zahlen.
Ihre Prognose: Wie geht's aus?
Zum Schluss sind die Briten - siehe Schottland-Referendum - meistens pragmatisch. Ich denke, es gibt eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der EU. Ich wünsche mir auch, dass sie dabeibleiben, aber konstruktiver werden.
These: Mit dem AfD-Aufstieg, gepuscht durch die Flüchtlingskrise, wird der rechtspopulistische Trend, den es auch anderswo in Westeuropa gibt, nur nachvollzogen. Was denken Sie?
Ich stimme zu. Die AfD war eigentlich durch die ruhigere Lage in der Euro-Politik und ihre Spaltung zwischen Lucke und Petry-Lager abgemeldet. Jetzt lebt sie von der Flüchtlingskrise. Sie zieht aber nicht nur Fremdenfeinde an, sondern viele, die sauer sind wegen des Dauerstreits in der Großen Koalition. Und viele Ratlose, die eine Opposition vermissen: Horst Seehofer spielt sie nur, Linke und Grüne sind in der Frage auf der Linie der Kanzlerin.
Was wollen Sie als Liberale dem entgegensetzen?
Wir sind die Alternative für alle, die weder Merkel noch diese Extremisten wählen wollen. Natürlich ist die FDP für eine europäische Lösung. Aber hätten wir keinen Plan B, der zur Gesetzlichkeit zurückführt, würden wir unserer Aufgabe nicht gerecht. Wir stehen für Rechtsstaat statt Rechtsruck und sind damit die Alternative für Demokraten.
Geltendes Recht wieder konsequent anwenden
Alexander Graf Lambsdorff kritisiert den Kurs der Bundeskanzlerin in der europäischen AsylpolitikIn der Flüchtlingskrise profitieren rechtspopulistische Strömungen von chaotischen Zuständen und einer zerstrittenen Großen Koalition. Für alle, die weder den Kurs der Kanzlerin noch extremistische Protestparteien unterstützen wollen und sich nach einer echten Opposition sehnen, gebe es jedoch eine bessere Option, betonte Alexander Graf Lambsdorff. Die FDP stehe für Rechtsstaat statt Rechtsruck und sei damit die Alternative für Demokraten, verdeutlichte der Vizepräsident des EU-Parlaments im Interview mit der "Magdeburger Volksstimme".
"Der Rechtsstaat muss unterscheiden: Wer kommt legal als Asylbewerber mit Aussicht auf Anerkennung – und bei wem ist das nicht so? Die zweite Gruppe zurückzuweisen, ist legal", erläuterte der Freidemokrat. "Auf die EU übertragen heißt das: Wir haben den Schengen-Raum, dessen Außengrenzen geschützt werden müssen."
Die EU sei eine Rechts- und Wertegemeinschaft, so Lambsdorff weiter. "Wer das Recht einseitig außer Kraft setzt, verstößt auch gegen unsere Werte. Das hat die Kanzlerin getan, als sie die Grenzen einfach so geöffnet hat", kritisierte er. "Die anderen Länder wollen aber nicht akzeptieren, dass sich Deutschland in einem Gefühl moralischer Überheblichkeit aufs hohe Ross setzt." Mit dieser Vorgehensweise seien die französischen Konservativen genauso unzufrieden wie die Osteuropäer.
Ein Verbleib der Briten wäre wünschenswert
Mit Blick auf die Möglichkeit eines Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU hob Lambsdorff hervor, dass der große europäische Markt aktuell 500 Millionen Menschen zähle. "Der britische Markt beschränkt sich auf 60 Millionen Einwohner. Wer da wen mehr braucht, ergibt sich allein aus diesen Zahlen", gab er zu bedenken. "Zum Schluss sind die Briten – siehe Schottland-Referendum – meistens pragmatisch. Ich denke, es gibt eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der EU. Ich wünsche mir auch, dass sie dabeibleiben, aber konstruktiver werden."
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Die EU erweist sich in der Flüchtlingskrise als Koloss auf tönernen Füßen. Jeder Staat handelt nach nationalem Gusto. Auch das Parlament wirkt hilflos. Was tun Sie für eine Lösung?
Wir haben sofort Geld für die Flüchtlinge bereitgestellt, damit sie menschlich und nicht nur als Fallzahlen behandelt werden. Wir machen Druck auf Regierungen und EU-Kommission, damit die Binnengrenzen in Europa offen bleiben und unsere Außengrenzen besser geschützt werden. Das EU-Parlament hat schon 2001 den europäischen Grenzschutz vorgeschlagen - den hat aber noch jeder deutsche Innenminister abgelehnt, auch Thomas de Maizière. Jetzt in der Krise wird er endlich kommen, ohne unseren Druck wäre das nicht so.
Aber es entsteht der Eindruck, das EU-Parlament wird wieder zu der "Quatschbude" degradiert, die es am Anfang war.
Die Krise ist immer die Stunde der Exekutive, also der EU-Kommission und der nationalen Regierungen. Das gehört zur Gewaltenteilung. Hören Sie etwa vom Deutschen Bundestag besonders viel in der Flüchtlingskrise? Eben nicht, und das ist auch normal.
Die Grenzschließungen seien mit Völkerrecht und menschlichem Anstand nicht vereinbar, sagt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Was sagen Sie?
Der Rechtsstaat muss unterscheiden: Wer kommt legal als Asylbewerber mit Aussicht auf Anerkennung - und bei wem ist das nicht so? Die zweite Gruppe zurückzuweisen, ist legal. Auf die EU übertragen heißt das: Wir haben den Schengen-Raum, dessen Außengrenzen geschützt werden müssen. Auch Mazedonien hat das Recht, seine Grenze zu schützen. Die Bilder aus Idomeni sind unnötig. Es gibt in der Nähe Aufnahmeeinrichtungen.
Die EU beruht auf einem Wertekanon, bei dem Solidarität ganz oben steht. Wie viel Verrat ihrer eigenen Prinzipien verträgt die Gemeinschaft?
Die EU ist Rechts- und Wertegemeinschaft. Wer das Recht einseitig außer Kraft setzt, verstößt auch gegen unsere Werte. Das hat die Kanzlerin getan, als sie die Grenzen einfach so geöffnet hat. Die anderen Länder wollen aber nicht akzeptieren, dass sich Deutschland in einem Gefühl moralischer Überheblichkeit aufs hohe Ross setzt. Darüber sind die französischen Konservativen, die Parteifreunde von Frau Merkel, genauso sauer wie die Osteuropäer.
Es wurden Beschlüsse gefasst, die nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen - bei der Verteilung von 160.000 Flüchtlingen ist so gut wie nichts passiert.
Entweder der Beschluss wird geändert oder die EU-Kommission muss als Hüterin der Verträge vor den Europäischen Gerichtshof ziehen und ihn durchsetzen. Die Staaten, die sich weigern, mitzumachen, müssen notfalls zu Zwangsgeldern verurteilt werden. Rechtsstaatliche Regeln gelten für alle.
Die Fliehkräfte in der EU werden auch durch das Brexit-Referendum verstärkt. Wer braucht wen mehr - die EU die Briten oder die Briten die EU?
Die Briten denken marktwirtschaftlich. Der große europäische Markt inklusive Großbritannien zählt 500 Millionen Menschen. Der britische Markt beschränkt sich auf 60 Millionen Einwohner. Wer da wen mehr braucht, ergibt sich allein aus diesen Zahlen.
Ihre Prognose: Wie geht's aus?
Zum Schluss sind die Briten - siehe Schottland-Referendum - meistens pragmatisch. Ich denke, es gibt eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der EU. Ich wünsche mir auch, dass sie dabeibleiben, aber konstruktiver werden.
These: Mit dem AfD-Aufstieg, gepuscht durch die Flüchtlingskrise, wird der rechtspopulistische Trend, den es auch anderswo in Westeuropa gibt, nur nachvollzogen. Was denken Sie?
Ich stimme zu. Die AfD war eigentlich durch die ruhigere Lage in der Euro-Politik und ihre Spaltung zwischen Lucke und Petry-Lager abgemeldet. Jetzt lebt sie von der Flüchtlingskrise. Sie zieht aber nicht nur Fremdenfeinde an, sondern viele, die sauer sind wegen des Dauerstreits in der Großen Koalition. Und viele Ratlose, die eine Opposition vermissen: Horst Seehofer spielt sie nur, Linke und Grüne sind in der Frage auf der Linie der Kanzlerin.
Was wollen Sie als Liberale dem entgegensetzen?
Wir sind die Alternative für alle, die weder Merkel noch diese Extremisten wählen wollen. Natürlich ist die FDP für eine europäische Lösung. Aber hätten wir keinen Plan B, der zur Gesetzlichkeit zurückführt, würden wir unserer Aufgabe nicht gerecht. Wir stehen für Rechtsstaat statt Rechtsruck und sind damit die Alternative für Demokraten.