FDPEuropäische Flüchtlingspolitik

Für Pragmatismus und Ehrlichkeit beim EU-Türkei-Gipfel

Alexander Graf LambsdorffAlexander Graf Lambsdorff erklärt die Konzepte der Freien Demokraten zur Bewältigung der Flüchtlingskrise
07.03.2016

Auf dem Sondergipfel mit der Türkei suchen die EU-Staats- und Regierungschefs nach Lösungen in der Flüchtlingsfrage. Mit Blick auf die kritische Lage der Pressefreiheit in der Türkei fordert Alexander Graf Lambsdorff, die Gespräche über Krisenmaßnahmen vom Thema EU-Beitritt klar zu trennen. Ohne die Hilfe der Türkei gebe es keine Lösung, betonte der Vizepräsident des EU-Parlaments im "rbb Inforadio". "Man muss eine pragmatische Zusammenarbeit suchen." Die Türkei werde allerdings immer autokratischer, konstatierte Lambsdorff. "So wie Präsident Erdogan die Pressefreiheit mit Füßen tritt, kann sie niemals in die EU", sagte er der "B.Z. am Sonntag". Der Freidemokrat warnte außerdem davor, Mittel aus dem Flüchtlings-Hilfspaket der EU an Griechenland zu geben, und erläuterte die Konzepte der Freien Demokraten für die Aufnahme syrischer Kriegsflüchtlinge.

"Wir müssen den Flüchtlingen sagen, dass der Schutz nach der Genfer Konvention vorübergehend ist", betonte Lambsdorff. "Wenn sich die Lage in Syrien verbessert und der Wiederaufbau beginnt, gibt es eine Rückkehrpflicht. So sieht es die Konvention vor", gab er zu bedenken. "Aber als FDP sagen wir auch: Wer sich gut integriert und einen Job hat, soll sich bei uns um einen dauerhaften Aufenthalt bewerben können." Darüber hinaus müsse ein modernes Einwanderungsrecht her, das legale Wege für qualifizierte Menschen nach Europa eröffne. Hier sollte Deutschland seine Interessen in den Vordergrund stellen – "so wie die Kanadier das machen", erklärte der Freidemokrat.

Einigung auf dem Gipfel oder Rückkehr zu Dublin-III

Außerdem erhofft sich Lambsdorff vom Gipfel Maßnahmen wie eine schnelle europäische Eingreiftruppe, die Griechenland bei der Einrichtung von Registrierungszentren helfe, und mehr Tempo beim Umbau von Frontex zu einer echten europäischen Grenzschutzagentur. "Und wir müssen schnell das Dublin-System reformieren", forderte er. Das aktuelle System überfordere die südlichen EU-Staaten komplett – stattdessen brauche es einen festen Schlüssel für die Verteilung von Flüchtlingen auf alle 28 EU-Staaten. Dies sei allerdings nur möglich, wenn der Gipfel entsprechende Fortschritte erziele, stellte Lambsdorff klar. "Wenn sich am Montag nichts bewegt, wenn Griechenland weiterhin Hilfe verweigert und die Balkan-Route auf neuen Wegen umgangen wird, bleibt uns nichts anderes übrig, als wieder Grenzkontrollen einzuführen."

Sollte das Treffen ergebnislos bleiben, müsse die Kanzlerin im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, verlangte Lambsdorff außerdem. "Das fordert die FDP. Wir erwarten nicht, dass Frau Merkel verliert, aber diese Chaos-Koalition muss dann endlich aufhören zu streiten und stattdessen an einer Lösung arbeiten. Das erwarten die Menschen von einer Bundesregierung, nicht das Chaos von Crazy Horst und seiner CSU", machte er deutlich.

Rechtsstaat statt Rechtsruck

Im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk" machte sich der Europapolitiker für rechtsstaatliche Lösungen stark. Dazu zählten Grenzkontrollen an den Außengrenzen, damit die Innengrenzen freigehalten werden könnten. "Ich halte das für besser, als die Menschen weiter zu verunsichern und den Extremisten in Deutschland und anderen Ländern in die Hände zu treiben", unterstrich der Freidemokrat.

Entscheidend sei allerdings die langfristige Bekämpfung der Fluchtursachen. Notwendig seien die Arbeit mit Hochdruck an einer politischen Lösung für Syrien sowie die Ermöglichung eines Wiederaufbaus und der Rückkehr für die Menschen in ihre Heimat. "Bis dahin brauchen wir die Zusammenarbeit mit der Türkei. Bis dahin müssen wir die Grenzen auf dem Westbalkan, die Außengrenzen der Europäischen Union, besser sichern", führte Lambsdorff aus.

Die UNO kann das Geld besser verwalten als Athen

Gegenüber der "Bild"-Zeitung warnte der Liberale außerdem davor, Mittel aus dem Flüchtlings-Hilfspaket der EU an die griechische Regierung zu geben. "Wenn das Geld durch die griechische Verwaltung geleitet wird, ist klar, dass es nicht in vollem Umfang bei den Flüchtlingen ankommen wird. Das muss nichts mit Korruption zu tun haben, doch die Ineffizienz der griechischen Behörden ist hinlänglich bekannt." Sein Gegenvorschlag: "Das Geld sollte an das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen gehen, das sich vor Ort direkt humanitär um die Menschen kümmern kann."

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