FRICKE-Interview für den "Deutschlandfunk"
Berlin. Der FDP-Bundesschatzmeister und Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, OTTO FRICKE, gab heute dem "Deutschlandfunk" das folgende Interview. Die Fragen stellte CHRISTOPH HEINEMANN:
Frage: Soweit der Kurzwetterbericht. - Sind Sie seit gestern ein Draghi-Fan?
FRICKE: Nein. Ich bin aber jemand, der versucht, immer schön zu differenzieren, nämlich so, wie ich glaube, wie wir es als Politiker auch müssen. Nämlich einerseits zu unterscheiden, was ist der Kern der Politik, die jemand betreibt, und was ist die Frage dessen, wie er sie begründet. Ist es jemand, der versucht, mit einfachen und schnellen Argumenten zu sagen, das ist meine Position. Und ich bin unabhängig und deswegen habt ihr das zu akzeptieren, oder ist es jemand, der auf, ich will das so formulieren, den Druck, den die deutsche Politik hier ausübt, eingeht, auch wenn sie am Ende nicht das Mittel hat, ihn zu irgendetwas zu zwingen. Und an der Stelle habe ich in Draghi jemanden vorgefunden, der argumentiert, der ausdifferenziert und der einen Plan hat. Und dennoch sage ich, ich habe immer noch da meine Schwierigkeiten und die werden wohl auch bleiben, weil ich ein anderes Verständnis habe, dass eher an dem Verständnis von Herrn Weidmann dran ist.
Frage: Ihr Fraktionskollege Volker Wissing, FDP-Finanzexperte, hat Draghi gelobt, hat gesagt, damit dürften jetzt alle Zweifel an der Seriosität der EZB-Politik beendet sein. Was hat Herr Wissing gehört, was Sie nicht gehört haben, oder umgekehrt?
FRICKE: Nein, das ist ja genau richtig. Seriös war das, was er vorgeschlagen hat. Wir müssen klar unterscheiden zwischen der Frage, ist das, was jemand anders sagt, seriös, und zweitens, ist es aber dennoch für uns politisch, gesellschaftlich, ökonomisch das Richtige, was wir nach unserem Verständnis der Bundesrepublik Deutschland von Geldwertstabilität für eine Lösung des Problems halten. Und da gibt es eben weiterhin Unterschiede. Ich für mich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass das, was Herr Draghi vorgeschlagen hat, schlüssig ist. Ich muss nur sagen, die Frage, ob es denn dann funktioniert, ist die zweite Frage. Und das ist ja das eigentliche Problem, was wir mit der Eurokrise haben, nämlich dass wir immer wieder Vorschläge haben, von denen man sagen muss, in der Theorie könnte es funktionieren, in der Theorie müsste das reichen, wenn ich einem Land so und so viel Geld gebe. Und in der Praxis stellen wir nachher immer wieder fest, dass es Nachsteuerung gibt. Das ist ja gerade das, was die Leute verunsichert.
Frage: Die Frage, Herr Fricke, ist doch immer, wie lautet die Überschrift? Nehmen wir noch mal das, was Herr Willsch eben gesagt hat. Betreibt die EZB Staatsfinanzierung mit der Notenpresse?
FRICKE: Sie würde dann - und das ist genau das Problem -, sie würde dann Staatsfinanzierung mit der Notenpresse machen, wenn - und auch das ist wieder richtig - gesagt wird, wir machen das unbegrenzt. Wenn man jetzt genau guckt, unter welchen Bedingungen - und noch mal: Ich folge nachher der Meinung nicht, aber ich bitte immer darum, lasst uns immer in einer Auseinandersetzung differenzieren, damit an der richtigen Stelle die Kritik angebracht werden kann. Wenn Herr Draghi differenziert und sagt, ich bin bereit, in einer Ex-Ante-Betrachtung das unbegrenzt zu machen, gleichzeitig aber sagt, danach gucke ich aber genau, was sind denn die Bedingungen, unter denen das geht, sprich: Ich gehe nicht einfach rein und sage, wir kaufen jetzt unbegrenzt, sondern er sagt - das hört sich jetzt schon fast an wie eine Art von Eheverteidigung, ich will es nur erklären ich mache diese Maßnahmen - übrigens beschlossen nicht er alleine, auch da ist ein Problem; wir tun ja immer so, als wäre er das alleine, da gibt es ja noch ein paar mehr, die dort im Gremium sitzen, wenn die entsprechenden Bedingungen des ESM eingreifen, wenn also - und das ist für mich jedenfalls ein wenig noch eine positive Seite an dem ganzen...
Frage: Genau, wenn Bedingungen gestellt werden.
FRICKE: Nein, wenn der ESM vor allen Dingen gilt. Damit muss ein Land unter das Programm, damit muss der Gouverneursrat des ESM zustimmen, damit muss, weil das einstimmig geht, das auch der deutsche Finanzminister tun. Und der wiederum kann es nur tun, wenn der Bundestag es getan hat. Da bin ich mit ihm immer noch einer Meinung.
Frage: Und damit, mit diesem Mechanismus, Herr Fricke, sagt zum Beispiel der Wirtschaftswissenschaftler Clemens Fuest, entwickelt sich die EZB zu einer Art Internationalem Währungsfonds, der gegen Auflagen Hilfe gewährt. Und genau damit verliert sie ihre Unabhängigkeit, denn sie kann die Hilfe dann nicht mehr verweigern, wenn die Bedingungen erfüllt sind.
FRICKE: Und genau da ist der Kernpunkt dessen, wo auch ich mit meiner Kritik ansetze. Genau das ist es. Deswegen sage ich noch mal: Ja, es ist richtig, er hat gesagt, unbegrenzt im Rahmen des Mandates unter bestimmten Bedingungen. Und eben in dem Falle geht es nur, wenn der Deutsche Bundestag zustimmt. Das heißt aber für mich immer noch, es muss die Politik entscheiden. Und wenn wir sehen, dass an der Stelle wir uns den einfachen Weg als Politik machen würden - und da sehe ich eine Gefahr, dass Politik nämlich sagt, na ja, kommt irgendein Land an, dann sagen wir, ist okay, ESM-Bedingungen, wir machen dann ein Memorandum of Understanding, die ändern sich, aber den Rest macht dann die Europäische Zentralbank, genau dann haben wir die Entwicklung dessen, dass damit am Ende eine fiskalpolitische Arbeit der Zentralbank kommt. Und genau da liegt ja die Kritik. Nur wiederum: Ich weiß, ich könnte es jetzt mir als Politiker einfach machen und sagen, ich finde das alles schlecht. Ich bitte nur darum: Lasst uns immer differenziert die Sachen angucken und sagen, was wir schlecht finden. Ich persönlich sage noch mal: Das Schlechte daran ist, dass damit schleichend nicht nur die Geldpolitik kommt, sondern die Fiskalpolitik. Ja, das stimmt.
Frage: Herr Fricke, wird die Frist für das griechische Spar- und Reformprogramm verlängert?
FRICKE: Ich bin gespannt. Wir haben jetzt zum wiederholten Male Meldungen darüber, wie angeblich das Ergebnis der Troika aussieht. Und darüber wird dann gesagt, darüber wird sich dann ein Urteil gebildet. Ich gucke mir das genau an, sind es wirklich zwei Jahre, was sind die Gründe für die zwei Jahre, liegt es daran, dass Griechenland es nicht will, schlimm, liegt es daran, dass Griechenland es nicht kann, auch schlimm, aber andere Bedingungen, liegt es daran, dass die Gesamtrahmenbedingungen der Wirtschaft schlechter geworden sind, als ursprünglich angenommen, gibt es zusätzliche Maßnahmen, sind die umgesetzt. All diese Fragen will ich erst mal lesen, erkennen, bevor ich darauf eine Antwort geben kann. Alleine - das allerdings kann ich sagen, alleine zu sagen, wir machen mal zwei Jahre länger, ist halt so, geht nicht. Da bleibt es bei meiner Aussage, Zeit ist Geld. Und in dem Falle sind zwei Jahre viel Geld.
Frage: Rechnen Sie mit einer Fristverlängerung?
FRICKE: Ich weiß es nicht. Wenn ich da so gut wäre, dann hätte ich wahrscheinlich nicht den Job eines Abgeordneten, sondern hätte versucht, vielleicht bei der Troika oder so zu arbeiten. Ich habe im Moment das Gefühl, dass es in die Richtung gehen könnte, aber es ist ein Gefühl, das ich noch nicht faktenbasiert habe, sondern rein aus Meldungen, die herrühren letztlich aus einer Aussage eines griechischen Ministers. Der ist eine Partei in dem ganzen Verfahren und da habe ich als Rechtsanwalt, der ich von Haus aus bin, gelernt, dass die Parteiaussagen mit äußerster Vorsicht zu genießen sind.
Frage: Es ist noch früh, kurz vor sieben. Haben Sie heute schon in die "Süddeutsche Zeitung" geschaut?
FRICKE: Nein. Ich bin beim Durchsehen über das Internet noch nicht so weit, dass ich bei der Süddeutschen gelandet bin, aber das wird heute Morgen auch noch kommen.
Frage: Gut. Da lacht uns heute die Schlagzeile an: "FDP will Betreuungsgeld zustimmen". Darunter steht: "Zwischen Union und Liberalen zeichnet sich ein Kompromiss ab. Die CSU bekommt ihr Prestige-Objekt, dafür sollen die Bürger durch geringere Kassenbeiträge oder Wegfall der Praxisgebühr entlastet werden." Können Sie das bestätigen?
FRICKE: Nein, kann ich so nicht bestätigen. Ich bin als haushaltspolitischer Sprecher ja dann wegen der entsprechenden Auswirkungen, die wir beim Betreuungsgeld haben oder hätten, in die Sachen ja auch einbezogen. Ich habe das gestern auch mitgekriegt, dass gestern wieder der Versuch gemacht worden ist, durch eine Aussage, die unser Fraktionsvorsitzender richtig und zutreffend gemacht hat, wir verhalten uns vertragstreu, daraus schon zu schließen, alles ist geklärt. Nein, es bleibt dabei: Beim Betreuungsgeld gibt es bei uns erhebliche Kritik. Wenn wir als FDP das alleine entscheiden könnten, gäbe es das nicht. Wir sind aber in einer Koalition mit einem Koalitionsvertrag. Und jetzt wird verhandelt, was da die Bedingungen sind. Ich spreche hier Beispiele wie die Frage Bildungspaket an. Ich spreche für mich aber auch noch andererseits Fragen an: Wie muss ich das in jedem Bundesland einführen und so weiter? Da sind Verhandlungen, da gibt es Verhandlungen und die treffen andererseits auch die Frage, was wir noch an sonstigen Reformen machen können in diesem Jahr und machen sollten, denn auch da kommt der Bezug wieder zu Draghi: Ein Land, das zu lange auf Reformen verzichtet, setzt immer wieder Ursachen dafür, dass dann Krisen kommen und die entsprechend schwierigen Bedingungen. Da muss die Koalition noch einiges tun.