FDPAsyl und Einwanderung

Flüchtlingspolitik der Kanzlerin war und bleibt ein Desaster

Katja SudingKatja Suding zieht eine kritische Bilanz der deutschen Flüchtlingspolitik
19.07.2016

Im "Welt"-Interview geht FDP-Vize Katja Suding mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung hart ins Gericht. "Die Politik der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise war falsch", stellt sie klar. Durch unilaterales Handeln habe die Kanzlerin Dublin III missachtet, das Schengen-Abkommen gefährdet und eine gerecht Verteilung von Asylbewerbern in weite Ferne gerückt. "Das war und bleibt ein Desaster. Und es gibt immer noch kein Einwanderungsgesetz, das wir aber dringend brauchen", kritisiert Suding.

Das Missmanagement der Krise habe schon mit der Fehlentscheidung angefangen, die Flüchtlinge im September 2015 aus Ungarn nach Deutschland zu holen, so die Freidemokratin weiter. "Das war ein humanitärer Akt, aber Frau Merkel hat es versäumt, klarzumachen, dass das eine Ausnahmesituation war. Sie hat es auch versäumt, sich mit unseren europäischen Partnern abzustimmen", erläutert Suding. Selbst der Bundestag sei nicht ausreichend involviert worden.

Neben der Asyl- und Einwanderungspolitik ist ihr auch die Wirtschaftspolitik der Großen Koalition ein Dorn im Auge. "Es gibt im Bundestag derzeit keine Partei, die den Mut hat, für mehr soziale Marktwirtschaft einzustehen", bemängelt sie. "Stattdessen erleben wir immer mehr Einschränkungen, immer mehr Regulierung."

Auch gebe es keine Parlamentspartei, die sich für die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen einsetze – trotz immens hoher Steuereinnahmen. "Statt der Steuern werden die Bürgerrechte zurückgefahren mit Verweis auf die Terrorgefahr", moniert Suding. "Es ist viel zu tun." Deswegen sei die Bundestagswahl 2017 die wichtigste Wahl seit langer Zeit. "Zum einen für die FDP, zum anderen aber auch für das Land."

Lesen Sie hier das gesamte Interview.

Irritiert es Sie, wenn sich sogar Sigmar Gabriel die Rückkehr der FDP in den Bundestag wünscht?

Das kann ich jedenfalls sehr gut nachvollziehen. Auch der Bundeswirtschaftsminister dürfte mittlerweile erkannt haben, dass es einer guten Opposition bedarf für die Modernisierung unseres Landes. Er selbst zerreibt sich da ja eher in seinem Amt.

Sie reden von Opposition. Wäre das Ihre bevorzugte Rolle in Berlin?

Nein, das wäre sie nicht. Aber der Wiedereinzug in den Bundestag heißt für mich nicht, dass wir automatisch in eine Regierungskoalition streben.

Halten Sie eine „Ampel“ für eine denkbare Regierungskonstellation?

Ausschließen würde ich sie nicht. Sie ist aber auch nicht wahrscheinlich. Wir werden uns nach der Wahl die Inhalte der anderen Parteien sehr genau anschauen, und dann werden wir entscheiden, ob es eine Kraft oder auch mehrere im Parlament gibt, mit der oder mit denen uns eine Regierungsbildung sinnvoll erscheint.

Würden Sie Frau Merkel noch einmal zur Kanzlerin wählen?

Das hinge davon ab, ob wir einen gemeinsamen Nenner für vernünftige Politik finden. Ich habe durchaus sehr berechtigte Kritik am Agieren der Kanzlerin, gerade in den vergangenen Monaten.

Bitte sehr.

Die Politik der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise war falsch. Das fing mit der Fehlentscheidung an, die Flüchtlinge im September aus Ungarn nach Deutschland zu holen. Das war ein humanitärer Akt, aber Frau Merkel hat es versäumt, klarzumachen, dass das eine Ausnahmesituation war. Sie hat es auch versäumt, sich mit unseren europäischen Partnern abzustimmen. Selbst der Bundestag wurde nicht ausreichend involviert. Dadurch hat die Kanzlerin Dublin III missachtet und das Schengenabkommen gefährdet; sie hat damit eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in weite Ferne gerückt. Das war und bleibt ein Desaster. Und es gibt immer noch kein Einwanderungsgesetz, das wir aber dringend brauchen.

Also finden Sie eher, dass es Zeit für einen Neuanfang wäre in Berlin?

Ja, natürlich wäre es Zeit für einen politischen Neuanfang. Allerdings: Wenn ich mir die andere sozialdemokratische Volkspartei anschaue, wird mir auch angst und bange. Da ist niemand in Sicht, mit dem ein solcher Neuanfang gelingen könnte.

Sie haben Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz ja lange aus der Opposition heraus beobachtet. Fänden Sie ihn kanzlerreif?

Ich glaube nicht, dass Olaf Scholz der nächste Kanzlerkandidat der SPD wird. Und selbst wenn, würde er dennoch nicht der nächste Kanzler werden.

Wer sollte es dann Ihrer Meinung nach werden?

Es ist nicht meine Aufgabe, einen Kanzler vorzuschlagen. Ich bin ziemlich sicher, dass auch der nächste Bundeskanzler nicht aus den Reihen der Freien Demokraten kommen wird.

Ihr Wahlkampfziel für den nächsten Herbst?

Die FDP so stark zu machen wie irgend möglich.

Zweistellig?

Wird schwierig, ist aber nicht ausgeschlossen.

Wenn Sie schon nach Berlin gehen. Würden Sie dann auch ein Ministeramt übernehmen wollen?

Das würde die Bildung einer Koalition voraussetzen, und außerdem stellen sich diese Personalfragen derzeit nicht.

Warum wollen Sie die Bürgerschaft eigentlich verlassen? Ist Ihnen Hamburg zu langweilig geworden?

Ganz und gar nicht. Aber die Bundestagswahl 2017 ist die wichtigste Wahl seit langer Zeit. Zum einen für die FDP, zum anderen aber auch für das Land. Es gibt im Bundestag derzeit keine Partei, die den Mut hat, für mehr soziale Marktwirtschaft einzustehen. Stattdessen erleben wir immer mehr Einschränkungen, immer mehr Regulierung. Es gibt in Berlin auch keine Partei, die sich für die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen einsetzt, trotz immens hoher Steuereinnahmen. Statt der Steuern werden die Bürgerrechte zurückgefahren mit Verweis auf die Terrorgefahr. Es ist viel zu tun. Und dabei würde ich gern mitarbeiten.

Haben Sie sich freiwillig gemeldet? Oder hat die Partei Sie gerufen?

Das ist eine Entscheidung, die man zuerst für sich selber treffen muss. Danach habe ich das in meiner Familie und mit Parteifreunden besprochen. Ich bin dann zu dem Schluss gekommen, dass das jetzt der richtige Schritt ist.

Ohne Sie wird es die FDP ziemlich schwer haben in Hamburg.

Die Partei muss in Hamburg nicht auf mich verzichten. Ich bin Landesvorsitzende und habe vor, das auch zu bleiben, wenn ich in den Bundestag gewählt werde. Die Bürgerschaftsfraktion leistet hervorragende Arbeit, ist gut aufgestellt und wird das auch nach meinem Weggang bleiben.

Unsere Vermutung ist eher, dass mit Ihrem Wechseln nach Berlin die Chance, dass Ihre Partei bei der nächsten Bürgerschaftswahl wieder rausfliegt aus dem Parlament, um circa 100 Prozent größer geworden ist.

Ganz im Gegenteil. Ich bin davon überzeugt, dass ein Erfolg bei der nächsten Bundestagswahl die Grundlage eines Erfolgs auch bei der nächsten Hamburg-Wahl sein wird.

Wie wichtig ist es eigentlich, dass eine Programmpartei auch attraktive Köpfe präsentiert?

Personalisierung ist immer wichtig in der Politik. Programme sind das eine. Köpfe, die dieses Programm vertreten und am Ende auch durchsetzen das andere. Von daher ist es ganz zentral, dass die FDP bei der Bundestagswahl mit starken Köpfen antritt, denen man zutraut, gute Inhalte auch umzusetzen. Es hat ja 2013 nicht an einem schlechten Programm gelegen, dass wir vom Wähler aus dem Bundestag verwiesen wurden.

Sondern?

Wir haben viele Fehler gemacht, für die nicht nur ein Einzelner verantwortlich war. Am Wahlprogramm hat es nichtgelegen.

Haben Sie denn schon eine Idee für eine schlagkräftige Kampagne?

Ich kann Ihnen versprechen, dass die FDP auch im Bundestagswahlkampf überraschen wird. Derzeit liegt unsere ganze Aufmerksamkeit aber auf den nächsten Landtagswahlen. Dann entscheiden wir über Themen und Kampagnen zur Bundestagswahl.

„Beta-Republik Deutschland“ war eher ein Flop. Muss die Bundes-FDP Wahlkampf erst noch üben?

Das sehe ich anders. Als Parteitagsmotto war es erfolgreich, da es ein wichtiges Thema ist. Deutschland braucht dringend technischen Fortschritt, einen neuen Gründergeist und den Mut, Dinge zu hinterfragen, so, wie es Start-ups täglich tun. Viele andere Länder in Europa sind da mittlerweile weiter als wir. Wenn das so weitergeht, wird unsere Wettbewerbsfähigkeit stark leiden.

Was machen Sie eigentlich, wenn es nicht klappt für die FDP?

Diese Frage stellt sich für mich nicht. Die hat sich in meinen bisherigen beiden Wahlkämpfen auch nicht gestellt. Ich habe ein Ziel klar vor Augen. Und das werde ich erreichen.

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