FDPGroße Koalition

FDP wird Opposition der Mitte sein

Christian LindnerChristian Lindner
13.03.2018

Der Koalitionsvertrag der neuen Großen Koalition ist offiziell unterschrieben, am Mittwoch steht die Wahl der Bundeskanzlerin an. Die Freien Demokraten sind im Angriffsmodus: "Der Koalitionsvertrag ist schon jetzt aus der Zeit gefallen", sieht FDP-Chef Christian Lindner die Koalition nicht für die Zukunftsaufgaben des Landes gerüstet. Für ihn ist es jetzt staatspolitische Pflicht, dafür zu sorgen, dass es im Bundestag eine Alternative der demokratischen Mitte zum schwarz-rot-grünen Einerlei gibt. Denn: "Die breite Mitte, die findet im Koalitionsvertrag nicht statt."

Kanzlerin Angela Merkel habe es mit "Geld als Schmiermittel" geschafft, eine Koalition zusammenzubauen, "die sich aber vor klaren Richtungsentscheidungen zur Erneuerung des Landes drückt". Entscheidend sei also nicht, was im Koalitionsvertrag steht. Der gesamte Vertrag atme "den Geist einer absoluten Staatsfixierung", sagte Lindner vor der Bundespressekonferenz in Berlin. "Von den Bürgerinnen und Bürgern wird eigentlich nur gesprochen als von den Bedürftigen, den Schwachen, von den Patienten, um die man sich kümmern muss." Den Bürgern würden keine Freiheiten mehr gelassen, seine Partei werde dies in der laufenden Parlamentsarbeit immer wieder aufzeigen. "Wir sehen uns als eine Opposition aus der Mitte des Parlaments für die Mitte des Landes."

Die Vereinbarung entspreche nicht mehr dem, was Deutschland in einer stark veränderten Zeit brauche. "Deutschland muss sich erneuern", sagt Lindner. Für ihn bedeutet das: Den Menschen mehr Freiräume geben, Bildung und digitale Infrastruktur auf die Höhe der Zeit bringen, finanzielle Entlastung und Ordnung bei der Einwanderung schaffen. Der Koalitionsvertrag folge jedoch genauso der Methode Merkel wie der vorige Koalitionsvertrag: "Es gibt keine klare Richtungsentscheidung. Mit dem reichlich vorhandenen Geld in der Staatskasse werden politische Widersprüche überdeckt. Was heute verteilt wird, ist morgen aber noch nicht erwirtschaftet. Es wird nicht die Zukunft gestaltet, sondern der Status quo verwaltet."

Die FDP werde "nicht schrill und erst recht nicht fundamental, sondern smart" Opposition betreiben, sondern mit Initiativen etwa zur Abschaffung des Solidaritätszuschlags eigene Akzente setzen. In der Europapolitik werde die FDP sich dagegen stemmen, dass deutsche Sparer für marode Banken in anderen Ländern in Mithaftung genommen würden. So werde seine Partei ein "breites gesellschaftliches Bündnis" schmieden, falls Merkel die EU-Einlagensicherung vorantreiben werde. Die große Frage sei, wie sich die Wirtschafts- und Währungsunion weiterentwickeln werde, so Lindner. Er befürchtet, dass es in Europa zu einer Vereinheitlichung der Risiken komme. Offensichtlich glaube man bei Union und SPD, dass der französische Staatspräsident Emmanuel Macron auf dem Feld der europäischen Politik einen Erfolg brauche. So lese er jedenfalls den Koalitionsvertrag, der eine "Abkehr vom bisherigen Kurs" des ehemaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble beinhalte.

Auch mit Blick auf die Diskussion um die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen betont Lindner, dass seine Partei für Mehrheiten jenseits der Großen Koalition zur Verfügung stehe. "Wenn es im Deutschen Bundestag jenseits der großen Koalition eine Mehrheit für eine moderne Position gibt, dann werden wir uns dem nicht verschließen". Die Union lehnt eine Streichung des entsprechenden Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch ab - theoretisch gäbe es dafür aber eine Mehrheit von SPD, Grünen, Linken und FDP.  In diesem Falle werde die FDP nicht die Kastanien aus dem Feuer holen.

Auch die Debatte um Fahrverbote lässt Lindner ratlos zurück: "Niemand auf der Welt versteht die derzeitige Debatte. Wir müssen offenbleiben für einen Mix aus Verbrennungsmotoren, Elektromobilität und Wasserstoff sowie Kombinationen der unterschiedlichen Antriebe. Wenn wir unsere Stärken in der Automobilindustrie selber zerstören, gehen Arbeitsplätze verloren, aber fürs Weltklima haben wir nichts wirklich erreicht. Auch hier will er ein breits gesellschftliches Bündnis" schmieden."

"Wir wünschen der neuen Regierung Fortune", sagt Lindner gleichwohl. "Die Mitglieder des Kabinetts haben jetzt alle eine Chance verdient, Profil zu gewinnen und politischen Positionen dann auch tatsächlich im Amt zu markieren." Die Freien Demokraten hingegen würden zeigen: "Wir sind alles andere als gestaltungslos", so Lindner. Und: "Wir wenden uns an die, die eigenständiges Denken pflegen." (ph)

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