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FDP beim Thema Mindestlohn nicht dogmatisch

Rainer BrüderleRainer Brüderle
03.03.2013

Die Liberalen lehnen Mindestlöhne nicht dogmatisch ab. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle erinnerte daran, dass es inzwischen in 13 Branchen Mindestlöhne gibt, vier seien alleine in dieser Legislatur dazu gekommen. Im Unterschied zur Opposition sind Union und FDP jedoch gegen einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn, der überregional und für alle Branchen gilt, stellte Wirtschaftsminister Philipp Rösler klar. Für Branchenlösungen im bestehenden gesetzlichen Rahmen sei die FDP offen.

Die Medien überschlagen sich derzeit mit Meldungen über einen Sinneswandel der Freidemokraten beim Thema Mindestlöhne. Dabei hat sich die Position in keinster Weise verändert. Die FDP lehnt nach wie vor den Einheitsmindestlohn ab, also einen Mindestlohn, der in jeder Branche und überall in Deutschland gilt, egal wie hoch oder niedrig dort die Lebenserhaltungskosten sind.

Bestehende Möglichkeiten auch ausschöpfen

Mindestlöhne gibt es zum Beispiel im Baugewerbe, im Wach- und Sicherheitsdienst sowie in der Pflegebranche. Für rund vier Millionen Arbeitnehmer gelten jene auf Tarifverträge basierenden Mindestlöhne. Mit ihrer Zustimmung für einige branchenspezifische Mindestlöhne in dieser Legislatur hat die FDP bewiesen, dass sie sich dem Thema nicht kategorisch verschließt.

Außenminister Guido Westerwelle betonte, die FDP sei die Partei der Leistungsgerechtigkeit. „Aber drei Euro Stundenlohn hat mit Leistungsgerechtigkeit nichts mehr zu tun.“ Um solchen Missständen entgegenzutreten, gebe es bestehenden Werkzeuge, die auch genutzt werden müssten. Zum Beispiel über einen Antrag nach dem Mindestarbeitsbedingungengesetz. Das MiArbG sieht die Möglichkeit vor, Mindestentgelte festzusetzen, wenn in einer Branche weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer tariflich gebunden sind.

Tarifautonomie muss gewahrt werden

Den Liberalen ist es wichtig, dass die Tarifautonomie gewahrt bleibt. Das bedeutet, dass nicht der Staat die Lohneckdaten festlegen soll, sondern die, die von ihren Mitgliedern dazu gewählt wurden. „Wir wollen nicht den Staat anstelle der Tarifvertragsparteien, Arbeitgeber und Gewerkschaften setzen“, so Brüderle am Mittwoch in Berlin.

Mindesteinkommen nach Bürgergeldmodell

Union und FDP seien sich einig, dass es keinen gesetzlichen Einheitsmindestlohn geben könne. Denn: „Ist er zu niedrig, bringt er nichts, ist er zu hoch, gefährdet er Arbeitsplätze“, so Brüderle. Deshalb unterstütze die FDP "branchenspezifische Lösungen", etwa auf der Grundlage des bestehenden Instrumentariums. Rösler erklärte, er könne sich "auch ein Mindesteinkommen nach dem Bürgergeldmodell vorstellen, so wie es im Koalitionsvertrag steht“.

Gegen sittenwidrige Löhne

In einer Ausschuss-Sitzung im Bundestag am Mittwoch wies Rösler die Forderung nach einem Mindestlohn zurück. „Die Position bleibt“, sagte er. Die Regierung sei gegen einen flächendeckenden, branchenübergreifenden Mindestlohn. Allerdings könne es sinnvoll sein, einzelnen Branchen zu helfen, in denen die Arbeiter geradezu sittenwidrig niedrige Löhne erhielten.

FDP lehnt politischen Überbietungswettbewerb

FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte der "Rheinischen Post": "Wo es sehr niedrige Löhne oder keine Tarifverträge gibt, können wir uns branchen- und regionalspezifische Lohnuntergrenzen vorstellen." Solche Lösungen habe die FDP in der Koalition bereits mitgetragen. Die Liberalen seien zur Anpassung des bestehenden gesetzlichen Instrumentariums bereit. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn würde Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen in Schablonen pressen und zu einem politischen Überbietungswettbewerb zu Lasten der Unternehmen und Berufseinsteiger führen, sagte Döring.

Leistung muss sich lohnen

Pascal Kober, Obmann der FDP-Fraktion im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales, betonte im "Deutschlandfunk", dass es schon immer Ziel der Liberalen gewesen sei, dass "Leistung sich lohnen muss und dass gerade auch die kleineren und mittleren Einkommen steuerlich entlastet sind." Es müsse mehr zum Leben und mehr zum eigenverantwortlichen Leben bleiben.

Es sei aber Aufgabe der Tarifparteien, die Lohnhöhe jeweils in Verhandlungen miteinander zu finden. "Das funktioniert in den weit überwiegenden Fällen in Deutschland fabelhaft und da gibt es auch nichts zu kritisieren. Die Tarifpartner können das und die müssen das tun." Er kritisierte, dass derzeit das Mindestarbeitsbedingungengesetz nicht in Anwendung komme. Da stelle sich die Frage, ob man es vielleicht gängiger machen, erleichtern könne, zeigte er sich kompromissbereit.

Mindestlohn wird Thema beim Koalitionsausschuss

Anfang März treffen sich Union und FDP im gemeinsamen Koalitionsausschuss. Dort solle auch eine Ausweitung des Mindestlohns ausgelotet werden, so Brüderle am Mittwoch in Berlin. "Wir wollen sehen, ob sich zusätzliche Ansatzpunkte ergeben, etwas Weiteres auf den Weg zu bringen."

Hintergrund: Mindestlöhne in Zahlen

Insgesamt gelten Mindestlöhne derzeit für 3.851.500 Beschäftigte. Für 2.785.500 davon wurde ein Mindestlohn in diese Legislaturperiode eingeführt und zwar in den Branchen Abfallwirtschaft, Aus- und Weiterbildung, Bergbauspezialarbeiten, Gebäudereinigung, Pflege, Sicherheitsdienstleistungen, Wäschereidienstleistungen und in der Zeitarbeitsbranche.

Für die weiteren existierenden Mindestlöhne (Baugewerbe, Dachdeckerhandwerk, Elektrohandwerk, Maler- und Lackiererhandwerk) wurden die gesetzlichen Voraussetzungen (Erlass des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes AentG) im Jahr 1996 geschaffen. Erstmalige Mindestlohnverordnungen in diesen Branchen wurden dann wie folgt erlassen: Baugewerbe (1997), Elektrohandwerk (1997) und Dachdeckerhandwerk (1997) – alles unter einer schwarz-gelben Regierung.

Die einzige Mindestlohnregelung, die sich Rot-Grün auf die Flagge schreiben kann, ist die Lohnuntergrenze für etwa 113.800 Maler- und Lackierer (2003).

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