FDPGastbeitrag zu TTIP und Kultur

Ein Plädoyer für konstruktive Einmischung

Ernst BurgbacherErnst Burgbacher kann die Weltuntergangsstimmung des Kulturrats nicht teilen
21.05.2015

Der 21. Mai ist der Tag der Kulturellen Vielfalt und dieses Jahr nimmt der Deutsche Kulturrat dieses Datum zum Anlass, um zum großen Protest gegen TTIP aufzurufen. "Ist durch die Abkommen die Kultur in Deutschland denn irgendwie gefährdet?" Dieser Frage geht Ernst Burgbacher, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände, in einem Gastbeitrag nach - und hält ein "Plädoyer für konstruktive Einmischung". Er meint: "Die Kampagne des Deutschen Kulturrats und des Deutschen Musikrats gegen CETA, TTIP und TiSA sind erschreckend."

Gastbeitrag von Ernst Burgbacher

TTIP und Kultur: Ein Plädoyer für konstruktive Einmischung

Die Kampagne des Deutschen Kulturrats und des Deutschen Musikrats gegen CETA, TTIP und TiSA sind erschreckend. Da ist von einer Gefährdung der kulturellen Vielfalt, vom Sägen an einem Grundpfeiler unserer Gesellschaftsordnung die Rede. Da wird von einer „Existenzbedrohung aufgrund der marktradikalen Liberalisierungspolitik der EU-Kommission“ geredet. Der internationale Tag für kulturelle Vielfalt soll kurzerhand zu einem Aktionstag gegen diese Freihandelsabkommen umfunktioniert werden – für mich ein Zeichen kultureller Einfalt.

Maßstäbe und Standards setzen, die uns allen nützen

Ich habe den Eindruck, dass einige führende Vertreter des deutschen Kultur- und Musiklebens den kämpferischen Parolen der deutschen Betroffenheitsindustrie aufgesessen sind. Ich finde es gefährlich, wenn diese Vertreter die Liberalisierung der Handelsbeziehungen mit dem Stempel „marktradikal“ abqualifizieren und per se als negativ erklären. Kaum ein Land profitiert mehr vom freien Handel als Deutschland. In einer aktuellen Buchankündigung des Deutschen Kulturrats wird eine erschreckende europaskeptische Stimmung spürbar. Ich erwarte eigentlich einen Aufschrei derer, die Dinge differenziert zu betrachten in der Lage sind, gerade die Kultur muss doch an der Spitze derer stehen, die sich für eine offene Welt mit möglichst wenigen Grenzrestriktionen einsetzen.

Ausgangspunkt der genannten Verträge ist das gemeinsame Interesse, durch Abbau von Zöllen und Handelsbarrieren neue Wachstumspotenziale zu erschließen. Dies ist weniger für die Großindustrie, sondern vielmehr für den Mittelstand entscheidend wichtig, die weitere Internationalisierung des Mittelstands ist Voraussetzung für Wachstum und zusätzliche Arbeitsplätze in Deutschland. Sie ist damit auch Voraussetzung für die weitere gesicherte Kulturfinanzierung in unserem Land. Es geht darüber hinaus darum, Maßstäbe und Standards zu setzen, die uns allen nützen werden. Wenn wir uns nicht gemeinsam mit den USA und Kanada auf solche Standards einigen, dann werden die USA und Kanada diese Standards mit den asiatischen Ländern festlegen und wir werden uns danach richten müssen, wenn wir weiter am Welthandel teilnehmen wollen.

 

Es geht um um die kulturelle Freiheit

Wollen unsere Kulturverantwortlichen wirklich diesen Weg gehen? Es geht um technische und Schutzstandards, es geht um einen möglichst hohen Standard im Verbraucherschutz, es geht um die Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt und es geht nicht zuletzt um die kulturelle Freiheit. Wollen wir das wirklich alles anderen überlassen und uns selbst auf die Position des unbeteiligten Neinsagers zurückziehen? Ich will das nicht, ich halte das für verantwortungslos.

Ist durch die Abkommen die Kultur in Deutschland denn irgendwie gefährdet? Ich zitiere die FAZ vom 25.02.15: „Viele Kulturschaffende in Deutschland sehen in TTIP einen Anschlag auf die Kultur – oder zumindest die Kulturförderung. Fernsehen und Hörfunk sind aber schon deshalb nicht betroffen, weil audiovisuelle Dienstleistungen vom Verhandlungsmandat der EU ausgenommen sind. Richtig ist allerdings, dass der Kulturbereich in anderen Teilen liberalisiert werden soll. Nach gegenwärtigem Stand der Verhandlungen wäre es also nicht erlaubt zu verbieten, dass eine amerikanische Universität eine Dependance in Deutschland gründet.

Etwas anderes sind freilich die Subventionen für Kultureinrichtungen. Es ist nicht richtig, dass TTIP den ausländischen Einrichtungen dasselbe Recht auf staatliche Unterstützung gewährt wie inländischen, denn Subventionierungen sind vom Anwendungsbereich des Abkommens nicht erfasst. Auch die deutsche Buchpreisbindung ist nicht in Gefahr. Denn dabei handelt es sich um ein nichtdiskriminierendes Gesetz, das für Inländer wie für Ausländer gilt.“

Verhandlungsstand im Bereich Kultur und Audiovision

Aus meiner Sicht ist der Vorwurf berechtigt, dass die Verhandlungen zu lange völlig intransparent verliefen. Hier wurde gegengesteuert, die Mandate sind im Internet nachlesbar, die Informationspolitik ist offener geworden. Der Verhandlungsstand im Bereich Kultur und Audiovision stellt sich wie folgt dar:

Die EU und ihre Mitgliedstaaten schützen die kulturelle und mediale Vielfalt auf ganz unterschiedliche Weise. Gesetze zum Schutz dieser Vielfalt werden durch die Verhandlungen mit den USA nicht in Frage gestellt. Nach den Verhandlungsmandaten wird weder das Dienstleistungskapitel zu TTIP noch zu TiSA den Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen umfassen – diese bleiben insofern vom Abkommen unberührt. Im TiSA-Mandat heißt es daher auf Seite 3: „Die Europäische Union wird dafür Sorge tragen, dass die Union und ihre Mitgliedstaaten weiterhin ihre Fähigkeit zur Festlegung und Umsetzung von Politiken im kulturellen und audiovisuellen Bereich im Hinblick auf die Bewahrung ihrer kulturellen Vielfalt erhalten und entwickeln können.“ und weiter „Wie im Falle des GATS sind von der EU keine Verpflichtungen im audiovisuellen Sektor einzugehen.“

Die Förderung der Kulturlandschaft wird nicht in Frage gestellt. Es ist in Handelsabkommen der EU ausdrücklich vorgesehen, dass Fördermaßnahmen möglich sind und nicht gegen die Abkommen verstoßen.

Politikspielraum im Medien- und Kulturbereich nicht beeinträchtigt

Für die übrigen Bereiche des Kultur- und Mediensektors ist nach den Vorgaben des TTIP-Mandats festgehalten, dass das Abkommen keine Bestimmungen enthalten darf, die die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union oder ihren Mitgliedstaaten beeinträchtigen würden. Zudem dürfen die Weiterführung bestehender Politiken und Maßnahmen zur Unterstützung des kulturellen Sektors nicht behindert werden. Entsprechend darf das Abkommen in Bezug auf die bestehende und künftige Kulturförderung und die Medienvielfalt keinerlei Beeinträchtigungen zulassen.

Die Bundesregierung, unterstützt von allen Bundesländern, wird nach ihren eigenen Aussagen in den Bereichen Kultur und Medien weder in TTIP noch in TiSA Marktöffnungsverpflichtungen eingehen, die über den Stand des seit 20 Jahren geltenden GATS-Abkommens hinausgehen, und sich auch im Übrigen dafür einsetzen, dass der Politikspielraum im Medien- und Kulturbereich einschließlich der Medienaufsicht auf Ebene der EU und ihrer Mitgliedstaaten durch TTIP und TiSA nicht beeinträchtigt wird. Dies gilt insbesondere auch für Möglichkeiten der staatlichen Förderung.

Dies wird rechtstechnisch vor allem durch einschränkende Regelungen in den Verpflichtungslisten erreicht. Jede Verhandlungspartei legt in eigenen Listen fest, in welchen Dienstleistungssektoren Marktöffnungsverpflichtungen eingegangen werden und in welchen ein Vorbehalt – also eine Einschränkung des Marktzugangs und der Inländerbehandlung – vorgesehen werden soll.

Schutz für den Bereich Kultur und Medien

Der Schutz für den Bereich Kultur und Medien ist in der Verpflichtungsliste der EU zu TiSA, deren erster Entwurf im Internet verfügbar ist, wie folgt ausgestaltet:

Für den Bereich „Marktzugang“ wird mit einer Positivliste gearbeitet, d. h. Sektoren, die nicht explizit genannt werden, werden in TiSA im Bereich des Marktzugangs nicht geöffnet. Dies ist das gleiche Vorgehen wie im GATS. Ab Seite 109 der Verpflichtungsliste zu TiSA ist erläutert, welche Mitgliedsstaaten in welchen Bereichen bereits Verpflichtungen (v.a. im Rahmen von GATS) eingegangen sind, die auch im Rahmen von TiSA gelten. Für Deutschland kann man der Liste entnehmen, dass im Vergleich zum GATS keine neuen Verpflichtungen im Bereich „Marktzugang“ geplant sind.

Im Bereich der sog. „Inländerbehandlung“ (d.h. ausländische und inländische Anbieter müssen grundsätzlich gleich behandelt werden) wird ab Seite 25 im Rahmen einer „Negativliste“ aufgelistet, welche Vorbehalte die EU und deren Mitgliedstaaten für den kulturellen Bereich einräumen. Der Vorbehalt für audiovisuelle Dienstleistungen ist derzeit auf Seite 13 aufgeführt. Für diese Vorbehalte gilt keine „Standstill-Klausel“, d.h. der staatliche Handlungsspielraum der EU und der Mitgliedstaaten bleibt hier uneingeschränkt erhalten.

Zum Bereich der Subventionen ist grundsätzlich in Handelsabkommen der EU vorgesehen, dass eine Subventionierung von Dienstleistungen den im Abkommen eingegangenen Verpflichtungen nicht entgegensteht. Daran will die Bundesregierung auch im Rahmen der TTIP- und TiSA-Verhandlungen festhalten. Dass Subventionen in TiSA abgesichert werden, ist derzeit ab Seite 4 erläutert. Darin wird u.a. ausgeführt, dass „the supply of a service, or its subsidisation, within the public sector is not in breach of this commitment.”

Verhandlungen beobachten und konstruktiv einmischen

Dem Verhandlungsangebot der EU kann man auf Basis der veröffentlichten Informationen daher entnehmen, dass die EU-Kommission nicht plant, über die bisherigen Marktöffnungsverpflichtungen des GATS aus dem Jahr 1995 hinauszugehen.

Entsprechende Bestimmungen zu audiovisuellen und kulturellen Dienstleistungen und zu Subventionen werden auch für TTIP angestrebt.

Wer sich also die Mühe macht, sich umfassend zu informieren, kann die Weltuntergangsstimmung, wie sie vom Deutschen Kulturrat verbreitet wird, beim besten Willen nicht teilen. Gegen diese Stimmung anzugehen heißt aber gleichzeitig, die Verhandlungen sehr genau zu beobachten und sich dort konstruktiv einzumischen, wo es die Interessen der Kultur- und Musiknation Deutschland erfordern. Das ist mein Plädoyer – nicht mehr und nicht weniger!

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