FDPInterview

Diplomatie braucht Vertrauen und Offenheit

Guido Westerwelle
13.02.2014

In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" hat Außenminister Guido Westerwelle über die großen Herausforderungen seiner Amtszeit reflektiert. Vor dem Hintergrund seiner Reise nach Genf zu Gesprächen über das iranische Atomprogramm hob der Minister den Wert der Freiheitsrechte sowie sein Bekenntnis zur Kultur der militärischen Zurückhaltung hervor. "Mein liberaler Kompass hängt nicht von Ämtern ab", unterstrich er. "Wir Liberale haben eine Wahl verloren, aber nicht unsere Überzeugungen."

Mit Hinblick auf die Verletzung der Bürgerrechte durch die Ausspähaktionen ausländischer Geheimdienste machte Westerwelle deutlich, dass er als überzeugter Transatlantiker enttäuscht sei. Auch er müsse wohl damit rechnen, dass Gespräche von ihm abgehört worden seien. "Dass engste Verbündete abhören, war nicht zu erwarten und ist verstörend", stellte der liberale Minister klar. Es sei nicht akzeptabel, wenn internationale Freunde und Partner zu solchen Methoden greifen. "Freundschaft basiert auf Vertrauen. Wer Vertrauen enttäuscht, beschädigt die Freundschaft", so der Außenminister.

Aus Anlass der konkreten Erkenntnisse zur Ausspähung sei es notwendig gewesen, den amerikanischen Botschafter einzubestellen und durch dieses "diplomatisch schwerwiegende Mittel" Deutschlands Unverständnis deutlich zu kommunizieren, so Westerwelle. Bei aller berechtigter Empörung dürfe jedoch nicht vergessen werden, dass die USA Deutschlands wichtigster Partner außerhalb Europas seien und blieben.

Balance zwischen Freiheit und Sicherheit gewährleisten

Westerwelle erklärte, dass es beim Abhörskandal jetzt "um die richtigen Schlüsse, auch um Konsequenzen" gehe. Dabei wäre ein bilaterales Abkommen mit den USA über das gegenseitige Nicht-Ausspähen ein erster Schritt. Dies reiche allerdings nicht aus, so der Minister. Er sprach sich unter anderem für eine Aussetzung des Swift-Abkommens zum Datenaustausch mit den USA sowie eine weltweite Vereinbarung für den Datenschutz durch die UN aus.

Deutschland und Brasilien setzen sich schon für ein solches Abkommen in der Generalversammlung ein. Dies solle das internationale Recht an die heutigen technischen Möglichkeiten anpassen. "Es würde jenen Nachrichtendiensten, die maßlos neugierig sind und die Freiheitsrechte von Bürgern einschränken, das Leben deutlich schwerer machen. Und es wäre ein Beitrag zur richtigen Balance zwischen dem Schutz der Privatsphäre und berechtigten Sicherheitsinteressen", unterstrich Westerwelle.

Friedenspolitik gestärkt

Zur langfristigen Gewährleistung von Sicherheitsinteressen gehöre auch die Kultur der militärischen Zurückhaltung, betonte der Minister. "In aller Regel bringen nur politische Lösungen Stabilität, Frieden und Entwicklung, auch wenn diese mitunter militärisch unterstützt werden müssen", erläuterte er. Beispielsweise sei aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre in Afghanistan klar geworden, dass eine militärische Lösung keinen dauerhaften Frieden schaffen könne. Dies gelte analog auch für den Syrien-Konflikt.

Vielmehr seien diplomatische und politische Lösungen bei der Beseitigung von Konflikten gefragt. "Ich kann nicht sehen, warum eine politische Reifung des wiedervereinigten Deutschlands mit mehr militärischen Interventionen einhergehen muss. Die Pickelhaube steht uns nicht", stellte der Liberale klar. Deutsche Außenpolitik sei Friedenspolitik. "In meiner Amtszeit hat sich Deutschland an keinem neuen Kriegen beteiligt", unterstrich Westerwelle. Dazu sei die Zahl der deutschen Soldaten im Auslandseinsatz erheblich reduziert worden.

Versöhnung mit dem Iran voranbringen

Anlässlich der Atomgespräche in Genf machte der Außenminister deutlich, dass eine iranische Atombombe eine enorme Bedrohung für die internationale Sicherheitsarchitektur wäre. Deshalb seien die Verhandlungen zur diplomatischen Lösung dieser Frage so wichtig. "Es gab in den vergangenen Jahren mehrmals Momente, in denen alles auf der Kippe stand. Jetzt sind wir so nahe dran an einer vernünftigen Lösung wie seit vielen Jahren nicht mehr", erklärte der Liberale. Bei den Verhandlungen seien schon "wirklich substanzielle Fortschritte" erzielt worden.

Um die verbliebenen Fragen zu klären, wurde beschlossen, dass die Hohe Vertreterin und die Politischen Direktoren die Gespräche mit Iran in naher Zukunft fortführen würden, teilte Westerwelle mit. Die Europäer würden ihre wichtige Rolle bei den Gesprächen weiter erfüllen. "Dass Deutschland auch in schwierigen Zeiten manche Gesprächskanäle offen gehalten hat, ist ja kein Geheimnis. Ich bin immer mit meinen iranischen Amtskollegen im Austausch gewesen", betonte der Minister. "Ich hoffe, dass wir einen Weg zu Vereinbarungen über das iranische Atomprogramm finden können, der jede militärische Nutzung dauerhaft, nachhaltig und überprüfbar ausschließt."

Westerwelle zeigte dabei großes Verständnis für Israels Besorgnis über das iranische Atomprogramm. "Transparenz und Kontrolle sind der Schlüssel", machte er klar. "Wir brauchen Regelungen, die alle Vereinbarungen und Zusagen Irans für die Weltgemeinschaft und die Experten der Internationalen Atomenergiebehörde in vollem Umfang überprüfbar machen." Das Ziel sei weiter eine umfassende Lösung, die eine nukleare Bewaffnung des Iran verhindert.

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