FDPInterview

Deutschland wird unter Wert regiert

Christian LindnerChristian Lindner zieht eine kritische Arbeitsbilanz der Großen Koalition
25.11.2015

In der "WDR"-Sendung "eins zu eins" hat FDP-Chef Christian Lindner über die Erneuerung der FDP und das Fehlen einer liberalen Kraft im Bundestag gesprochen. Als Partei der wirtschaftlichen Vernunft betrachteten die Freien Demokraten mit Sorge, wie Schwarz-Rot seit der Bundestagswahl "ein einziges Erntedankfest" veranstalte und staatliche Leistungen immer weiter ausdehne. "Man kann nicht nur Erntedank feiern, irgendwann muss auch an die Aussaat gedacht werden", unterstrich Lindner. Er plädierte für mehr Weitsicht, um die Zukunftsfähigkeit des Landes zu sichern.

Die erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung sei beispielsweise eine Schlüsselaufgabe für die Gewährleistung des künftigen Wohlstands. Diese zweite industrielle Revolution werde aber vernachlässigt, stellte Lindner fest. Den angestrebten Mini-Breitbandausbau des Verkehrsministers kritisierte der Freidemokrat als lächerlich und den Anforderungen der kommenden Jahre nicht gewachsen. "Die notwendigen Investitionen in Deutschland bleiben unter dem, was möglich und erforderlich wäre", konstatierte er. Mit Blick auf osteuropäische Vorzeigeländer wie Estland, die auf die Versorgung mit zukunftstauglichen Glasfasernetzen setzen, forderte der FDP-Chef ambitionierte Ziele bei der digitalen Infrastruktur.

Bei der Digitalisierung darf allerdings aus liberaler Sicht die Privatsphäre der Nutzer nicht unter die Räder geraten. Lindner übte scharfe Kritik an der SPD, die in der Großen Koalition bei der Frage der Vorratsdatenspeicherung umgefallen sei, und verlangte, dass bürgerliche Freiheiten hier stärker berücksichtigt werden.

Die Erbschaftsteuer gefährdet Investitionen und Arbeitsplätze

Lindner prangerte an, dass die Bundesregierung mit der geplanten Erbschaftsteuer mittelständische Unternehmen schwäche und Zukunftsinvestitionen gefährde. "Alles, was da versteuert wird, ist vorher ein ganzes Leben lang versteuert worden. Wieso überhaupt eine Erbschaftsteuer auf den Tod?" Außerdem gehe es um betriebliches Vermögen, das Grund und Boden für mittelständische Firmen darstelle. "Wenn der Staat da eingreift, dann nimmt er den Unternehmen das Kapital, das sie brauchen, um zu investieren und Arbeitsplätze weiter sicherzuhalten."

Flüchtlingszahlen massiv reduzieren

Auch bei der Flüchtlingspolitik vermisst Lindner eine deutliche Position der politischen Mitte. "Wir müssen die Zahlen massiv reduzieren", stellte er klar. Der FDP-Chef verurteilte das "eklatante Staatsversagen" der Bundesregierung in der Krise und verlangte eine öffentliche Erklärung der Bundeskanzlerin, dass die Kapazitäten erschöpft seien.

An potenzielle Neuankömmlinge, die sich noch nicht auf den Weg gemacht haben, müsse die Kanzlerin eine Botschaft senden: "Bitte kommt nicht mehr, bleibt in der Türkei, in Jordanien, im Libanon, wir helfen euch dort. Mit unseren logistischen und finanziellen Möglichkeiten verbessern wir die humanitäre Situation dort." Darüber hinaus brauche es europäische Lösungen mit einheitlichen Regeln und der Bekämpfung von Fluchtursachen, sowie das Instrument des vorübergehenden humanitären Schutzes und ein modernes Einwanderungsgesetz in Deutschland.

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