FDPDemokratieDeutschland braucht Brückenbauer statt Protestparteien
Dresden. Bildrechte: Nikater. Lizenz - CC BY-SA 3.005.10.2016Im Interview mit den "Dresdner Neuesten Nachrichten" spricht FDP-Landeschef Holger Zastrow über politische Diskussionskultur, Asylpolitik und Rechtspopulismus. Der Freidemokrat übt scharfe Kritik an der AfD, die zwar Protest könne, aber keine Lösungen anbiete. "Sie hat keine Konzepte und auch keine Referenzen dafür, dass Wirtschaft, Wissenschaft, Verkehr, Bildung und Umwelt mit ihr besser laufen. Mein Land, mein Leben, meine Zukunft in den Händen der AfD – bitte nicht", unterstreicht er.
Lob hat Zastrow hingegen für den Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert, der im vergangenen Juli als unabhängiger Kandidat mit FDP-Parteibuch ein starkes Mandat holte. "Dirk Hilbert tut Dresden gut. Auch wenn wir als Fraktion mit einem klaren Wählerauftrag nicht jeden Kompromiss aktiv unterstützen können, respektieren wir sein Vermitteln zwischen den Fronten", erklärt der Freidemokrat. Er fordert die Fraktionen im Stadtrat auf, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Hilbert sitze nicht im Graben, "sondern baut Brücken, sucht den Ausgleich", betont Zastrow.
Wir müssen wieder miteinander reden
Aus Sicht des Freidemokraten ist diese Gesprächsbereitschaft eine vorbildliche Herangehensweise. Denn: "Gerade in Zeiten wie diesen wäre es wichtig, dass Politiker und Medien abrüsten und nicht wegen jeder Kleinigkeit den Untergang des Abendlandes herbeireden oder pauschalieren." Zastrow bemängelt eine Radikalisierung der Gesellschaft, die dazu führe, dass die Leute nicht mehr miteinander reden und diskutieren könnten.
In diesem Zusammenhang rügte er die AfD als "reine Protestpartei, die die Verärgerung in weiten Teilen der CDU-Wählerschaft und der Gesellschaft für sich nutzt". In ihrem Kern sei die AfD eine rechtskonservative Truppe, "sie schwankt von gemäßigt bis ultra", stellt Zastrow klar. "Ihr größtes Problem ist es aber, dass jeder weiß, dass die AfD nichts löst – nicht die Flüchtlingskrise, nicht den Fachkräftemangel und nicht die dringend benötigte qualifizierte Zuwanderung."
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Wofür wird die FDP eigentlich noch gebraucht?
Klarer als wir kann man es nicht auf seine Plakate schreiben. Deswegen wundere ich mich auch über die vielen entsetzten Bürger, die sich jetzt bei uns melden. Wir haben immer vor dem Rückbau gewarnt und leistungsfähige Trassen gefordert. Wir sind dafür, dass kein Verkehrsteilnehmer künstlich benachteiligt wird. Wir brauchen top Radwege, einen guten ÖPNV, aber auch vernünftige Verkehrsachsen. Dem Wähler war das aber offenbar nicht wichtig genug, ansonsten wäre er zur Wahl gegangen und hätte nicht zugelassen, dass es in Dresden jetzt eine rot-rot-grüne Mehrheit gibt, die eine Verkehrspolitik gegen Autos und Motorräder macht, Hauptverkehrsstraßen zurückbaut und künstliche Staufallen errichtet. Leider scheint es vielen Leuten egal zu sein, wer diese Stadt regiert. Und wenn Wähler nicht mal unterscheiden können zwischen denen, die in Berlin Politik machen und denen, die vor Ort Verantwortung tragen, dann muss man eben mit den Konsequenzen leben.
Warum interessiert sich niemand mehr für Politik?
Die Gründe liegen in der Beliebigkeit von Politik, auch in ihrer Kompliziertheit, dem Fehlen von Glaubwürdigkeit, von Ecken und Kanten bei Politikern, aber auch in einer erschreckenden Ignoranz und Interessenlosigkeit vieler Wähler. Eine wesentliche Verantwortung tragen auch die Medien. Anstatt auf Qualitätsjournalismus zu setzen, Zusammenhänge und Hintergründe herauszuarbeiten und politisches Wissen zu vermitteln, machen es sich viele Redakteure inzwischen zu einfach, wollen in einer Art missionarischen Eifers die Leute bekehren oder bedienen nur noch gängige Klischees. Das wiederum merken die Leute und wenden sich anderen, meistens keineswegs besseren Informationsquellen zu, wie dem Internet. Dresden leidet exemplarisch unter diesem Klischeejournalismus. Die überregionale Presse drückt Dresden den braunen Stempel auf. Das geht immer. Da muss gar nicht mehr recherchiert werden, da braucht man nur noch seine Vorurteile zu bestätigen. Das führt dann zu Entgleisungen wie in der Hamburger Morgenpost, wo ein ganzer Freistaat als Schandfleck Deutschlands diffamiert wird.
Sind nicht viele Vorurteile in dieser Stadt Realität geworden, wenn ich an die montäglichen Demonstrationen oder Debatten über Asylbewerberheime denke?
In Gesellschaften, die so schwerwiegende Transformationsprozesse hinter sich haben wie wir im Osten, gibt es mehr Extreme, denen wir uns im Übrigen auch in besonderer Weise stellen müssen. Aber es ist nun mal so, es gibt Ursachen, auch wenn es für manchen behütet aufgewachsenen und von ererbtem Wohlstand umgebenen Beobachter aus anderen Gegenden Deutschlands sicher unheimlich ist. Trotzdem ist es falsch, Demonstrationen nur aus einem Blickwinkel darzustellen. In den meisten Städten werden die Bürger bei der Einrichtung eines Asylbewerberheimes vor vollendete Tatsachen gestellt. Da ordnet der Bürgermeister den Bau einfach an. In Dresden ist das anders. Hier werden die Menschen noch informiert, hier wird noch diskutiert, hier gibt es noch Bürgerbeteiligung. Das müsste doch anerkannt werden, auch wenn dadurch ganz logisch auch manche schlimme und peinliche Wortmeldung die Öffentlichkeit erreicht, die woanders unter den Teppich gekehrt wird. Anstatt Dresden zu verurteilen, könnte man Dresden auch als Hauptstadt der Meinungsfreiheit würdigen.
Kann die Stadtpolitik die Spaltung der Gesellschaft überwinden?
Politik und Berichterstattung neigen leider beide oft dazu, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Politik dramatisiert, ideologisiert in teilweise drastischer Weise. Da müssen wir uns alle auch an die eigene Nase fassen. Gerade in Zeiten wie diesen wäre es wichtig, dass Politiker und Medien abrüsten und nicht wegen jeder Kleinigkeit den Untergang des Abendlandes herbeireden oder pauschalieren. Das trägt nur zur weiteren Spaltung der Gesellschaft bei. Wir beobachten ja allerorts eine Radikalisierung der Gesellschaft: Die Leute können nicht mehr miteinander reden und diskutieren. Alles ist nur noch Schwarz-Weiß, alles nur noch gut oder böse, absolut und intolerant. Auf allen Ebenen wird das Trennende überbetont. Das ist beunruhigend und gilt von der Weltpolitik bis zu uns in die Kommune. Folgerichtig ist auch der Stadtrat tief gespalten. Seit der letzten Kommunalwahl mehr denn je. Deswegen ist es gut, dass sowohl der Oberbürgermeister als auch engagierte Vertreter der Bürgerschaft den Dialog suchen.
Die FDP ist Mehrheitsbeschafferin, wenn sich das linke Lager mal nicht einig ist, etwa beim Fußgängertunnel. Ist es nicht schön, dass es auf Sie wieder ankommt?
Wir wissen, dass wir nur ansprechen, anstoßen und Druck machen können. Mehr nicht. Dass es hin und wieder auch mal auf unsere Stimmen ankommt, ist nett, aber eher zufällig. Für die wichtigen politischen Entscheidungen ist es irrelevant. Es kommt ja nur vor, wenn in nebensächlichen Fragen Herr Schollbach mal wieder ein Ventil öffnet, um Dampf aus dem Linksblock abzulassen. Das macht er durchaus geschickt, denn letztlich war die Debatte um die Königsbrücker Straße auf der linken Seite von vornherein nur ein Scheingefecht mit feststehendem Ergebnis. Und ob der Fußgängertunnel am Neustädter Markt abgerissen wird, ist am Ende auch nicht stadtentscheidend. Klar ist die linksgrüne Mehrheit wackelig, aber in Grundsatzfragen steht das Bündnis wie einst der DDR-Parteienblock. Grüne und SPD werden jedoch keine Zukunft in einem Bündnis haben, das nur von einer Partei, nur von einer Person dominiert wird. Grüne und die SPD haben ihre Eigenständigkeit beim Linke-Fraktionsvorsitzenden André Schollbach abgegeben. Das wird sich rächen.
Wie wollen Sie Politik gestalten?
Wir stehen für klare Positionen, sind berechenbar und geradlinig. Dabei sind wir aber nie ideologisch, sondern pragmatisch und kompromissfähig. Obwohl wir nur fünf Mandate haben, kennt und erkennt man uns. Und wir haben unsere Rolle als kritische Opposition zur rot-rot-grünen Stadtratsmehrheit angenommen. Aber mit einer CDU als Partner, die immer noch nicht weiß, was sie will und wo sie hingehört, ist es nicht leicht, ein Gegengewicht zu Linksgrün aufzubauen. Dass manche schon witzeln, ich sei der Oppositionsführer im Stadtrat, zeigt angesichts der überschaubaren Größe der FDP/FB-Fraktion die Schwäche des bürgerlichen Lagers insgesamt.
Haben Sie Angst, dass Ihnen die AfD Stimmen wegnehmen wird?
Überhaupt nicht. Die AfD ist eine reine Protestpartei, die die Verärgerung in weiten Teilen der CDU-Wählerschaft und der Gesellschaft für sich nutzt. Hätten etablierte Volksparteien den Mut gehabt, die Dinge beim Namen zu nennen anstatt Frau Merkel zu beklatschen, wäre die AfD nie entstanden. In ihrem Kern ist die AfD eine rechtskonservative Truppe, sie schwankt von gemäßigt bis ultra. Ihr größtes Problem ist es aber, dass jeder weiß, dass die AfD nichts löst – nicht die Flüchtlingskrise, nicht den Fachkräftemangel und nicht die dringend benötigte qualifizierte Zuwanderung. Sie hat keine Konzepte und auch keine Referenzen dafür, dass Wirtschaft, Wissenschaft, Verkehr, Bildung und Umwelt mit ihr besser laufen. Die Skepsis, die viele in Bezug auf Seriosität, Reife und Verlässlichkeit gegenüber Repräsentanten der AfD haben, scheint nicht unbegründet, siehe Baden-Württemberg. Für Protest sind die gut. Aber mein Land, mein Leben, meine Zukunftsperspektiven in den Händen der AfD - das bitte nicht.
Hat die FDP etwa Lösungen?
Ja, natürlich. Bei der FDP weiß man, woran man ist. Wir bieten Alternativen und haben Erfahrung im Lösen von Problemen. Auch wenn wir nicht für das Populäre stehen, so haben Liberale Deutschland gerade in schwierigen Zeiten immer wieder positiv geprägt. Wenn es also schon bald darum geht, die fatalen Versäumnisse und Fehler zu beheben, die gerade große Koalitionen und der linksgrüne Zeitgeist anrichten, werden wir gefragt sein. Darauf bereiten wir uns vor. Wir haben aus unserem eigenen Scheitern bei den vergangenen Wahlen die richtigen Konsequenzen gezogen und gelernt. Unsere Zeit wird kommen.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Oberbürgermeister Dirk Hilbert?
Dirk Hilbert tut Dresden gut. Er ist der richtige Oberbürgermeister für diese Stadt in dieser Zeit und ich unterstütze ihn nach Kräften. Auch wenn wir als Fraktion mit einem klaren Wählerauftrag nicht jeden Kompromiss aktiv unterstützen können, respektieren wir sein Vermitteln zwischen den Fronten. Darin sollten sich ihn die Fraktionen ruhig mehr zum Vorbild nehmen. Er sitzt nicht im Graben, sondern baut Brücken, sucht den Ausgleich. Das ist wichtig für einen OB ohne eigene Stadtratsmehrheit, und es ist wichtig in so aufgeregten Zeiten wie jetzt. Er beruhigt die Stadt und sorgt dafür, dass wir nicht immer nur über Demos und Gegendemos, über linke und rechte Chaoten reden, sondern uns um die wirklich wichtigen Dinge kümmern. Zum Beispiel unsere Wirtschaft, den Wissenschafts- und Forschungsstandort Dresden oder unser großes Ziel, 2025 europäische Kulturhauptstadt zu werden.
Deutschland braucht Brückenbauer statt Protestparteien
Dresden. Bildrechte: Nikater. Lizenz - CC BY-SA 3.0Im Interview mit den "Dresdner Neuesten Nachrichten" spricht FDP-Landeschef Holger Zastrow über politische Diskussionskultur, Asylpolitik und Rechtspopulismus. Der Freidemokrat übt scharfe Kritik an der AfD, die zwar Protest könne, aber keine Lösungen anbiete. "Sie hat keine Konzepte und auch keine Referenzen dafür, dass Wirtschaft, Wissenschaft, Verkehr, Bildung und Umwelt mit ihr besser laufen. Mein Land, mein Leben, meine Zukunft in den Händen der AfD – bitte nicht", unterstreicht er.
Lob hat Zastrow hingegen für den Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert, der im vergangenen Juli als unabhängiger Kandidat mit FDP-Parteibuch ein starkes Mandat holte. "Dirk Hilbert tut Dresden gut. Auch wenn wir als Fraktion mit einem klaren Wählerauftrag nicht jeden Kompromiss aktiv unterstützen können, respektieren wir sein Vermitteln zwischen den Fronten", erklärt der Freidemokrat. Er fordert die Fraktionen im Stadtrat auf, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Hilbert sitze nicht im Graben, "sondern baut Brücken, sucht den Ausgleich", betont Zastrow.
Wir müssen wieder miteinander reden
Aus Sicht des Freidemokraten ist diese Gesprächsbereitschaft eine vorbildliche Herangehensweise. Denn: "Gerade in Zeiten wie diesen wäre es wichtig, dass Politiker und Medien abrüsten und nicht wegen jeder Kleinigkeit den Untergang des Abendlandes herbeireden oder pauschalieren." Zastrow bemängelt eine Radikalisierung der Gesellschaft, die dazu führe, dass die Leute nicht mehr miteinander reden und diskutieren könnten.
In diesem Zusammenhang rügte er die AfD als "reine Protestpartei, die die Verärgerung in weiten Teilen der CDU-Wählerschaft und der Gesellschaft für sich nutzt". In ihrem Kern sei die AfD eine rechtskonservative Truppe, "sie schwankt von gemäßigt bis ultra", stellt Zastrow klar. "Ihr größtes Problem ist es aber, dass jeder weiß, dass die AfD nichts löst – nicht die Flüchtlingskrise, nicht den Fachkräftemangel und nicht die dringend benötigte qualifizierte Zuwanderung."
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Wofür wird die FDP eigentlich noch gebraucht?
Klarer als wir kann man es nicht auf seine Plakate schreiben. Deswegen wundere ich mich auch über die vielen entsetzten Bürger, die sich jetzt bei uns melden. Wir haben immer vor dem Rückbau gewarnt und leistungsfähige Trassen gefordert. Wir sind dafür, dass kein Verkehrsteilnehmer künstlich benachteiligt wird. Wir brauchen top Radwege, einen guten ÖPNV, aber auch vernünftige Verkehrsachsen. Dem Wähler war das aber offenbar nicht wichtig genug, ansonsten wäre er zur Wahl gegangen und hätte nicht zugelassen, dass es in Dresden jetzt eine rot-rot-grüne Mehrheit gibt, die eine Verkehrspolitik gegen Autos und Motorräder macht, Hauptverkehrsstraßen zurückbaut und künstliche Staufallen errichtet. Leider scheint es vielen Leuten egal zu sein, wer diese Stadt regiert. Und wenn Wähler nicht mal unterscheiden können zwischen denen, die in Berlin Politik machen und denen, die vor Ort Verantwortung tragen, dann muss man eben mit den Konsequenzen leben.
Warum interessiert sich niemand mehr für Politik?
Die Gründe liegen in der Beliebigkeit von Politik, auch in ihrer Kompliziertheit, dem Fehlen von Glaubwürdigkeit, von Ecken und Kanten bei Politikern, aber auch in einer erschreckenden Ignoranz und Interessenlosigkeit vieler Wähler. Eine wesentliche Verantwortung tragen auch die Medien. Anstatt auf Qualitätsjournalismus zu setzen, Zusammenhänge und Hintergründe herauszuarbeiten und politisches Wissen zu vermitteln, machen es sich viele Redakteure inzwischen zu einfach, wollen in einer Art missionarischen Eifers die Leute bekehren oder bedienen nur noch gängige Klischees. Das wiederum merken die Leute und wenden sich anderen, meistens keineswegs besseren Informationsquellen zu, wie dem Internet. Dresden leidet exemplarisch unter diesem Klischeejournalismus. Die überregionale Presse drückt Dresden den braunen Stempel auf. Das geht immer. Da muss gar nicht mehr recherchiert werden, da braucht man nur noch seine Vorurteile zu bestätigen. Das führt dann zu Entgleisungen wie in der Hamburger Morgenpost, wo ein ganzer Freistaat als Schandfleck Deutschlands diffamiert wird.
Sind nicht viele Vorurteile in dieser Stadt Realität geworden, wenn ich an die montäglichen Demonstrationen oder Debatten über Asylbewerberheime denke?
In Gesellschaften, die so schwerwiegende Transformationsprozesse hinter sich haben wie wir im Osten, gibt es mehr Extreme, denen wir uns im Übrigen auch in besonderer Weise stellen müssen. Aber es ist nun mal so, es gibt Ursachen, auch wenn es für manchen behütet aufgewachsenen und von ererbtem Wohlstand umgebenen Beobachter aus anderen Gegenden Deutschlands sicher unheimlich ist. Trotzdem ist es falsch, Demonstrationen nur aus einem Blickwinkel darzustellen. In den meisten Städten werden die Bürger bei der Einrichtung eines Asylbewerberheimes vor vollendete Tatsachen gestellt. Da ordnet der Bürgermeister den Bau einfach an. In Dresden ist das anders. Hier werden die Menschen noch informiert, hier wird noch diskutiert, hier gibt es noch Bürgerbeteiligung. Das müsste doch anerkannt werden, auch wenn dadurch ganz logisch auch manche schlimme und peinliche Wortmeldung die Öffentlichkeit erreicht, die woanders unter den Teppich gekehrt wird. Anstatt Dresden zu verurteilen, könnte man Dresden auch als Hauptstadt der Meinungsfreiheit würdigen.
Kann die Stadtpolitik die Spaltung der Gesellschaft überwinden?
Politik und Berichterstattung neigen leider beide oft dazu, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Politik dramatisiert, ideologisiert in teilweise drastischer Weise. Da müssen wir uns alle auch an die eigene Nase fassen. Gerade in Zeiten wie diesen wäre es wichtig, dass Politiker und Medien abrüsten und nicht wegen jeder Kleinigkeit den Untergang des Abendlandes herbeireden oder pauschalieren. Das trägt nur zur weiteren Spaltung der Gesellschaft bei. Wir beobachten ja allerorts eine Radikalisierung der Gesellschaft: Die Leute können nicht mehr miteinander reden und diskutieren. Alles ist nur noch Schwarz-Weiß, alles nur noch gut oder böse, absolut und intolerant. Auf allen Ebenen wird das Trennende überbetont. Das ist beunruhigend und gilt von der Weltpolitik bis zu uns in die Kommune. Folgerichtig ist auch der Stadtrat tief gespalten. Seit der letzten Kommunalwahl mehr denn je. Deswegen ist es gut, dass sowohl der Oberbürgermeister als auch engagierte Vertreter der Bürgerschaft den Dialog suchen.
Die FDP ist Mehrheitsbeschafferin, wenn sich das linke Lager mal nicht einig ist, etwa beim Fußgängertunnel. Ist es nicht schön, dass es auf Sie wieder ankommt?
Wir wissen, dass wir nur ansprechen, anstoßen und Druck machen können. Mehr nicht. Dass es hin und wieder auch mal auf unsere Stimmen ankommt, ist nett, aber eher zufällig. Für die wichtigen politischen Entscheidungen ist es irrelevant. Es kommt ja nur vor, wenn in nebensächlichen Fragen Herr Schollbach mal wieder ein Ventil öffnet, um Dampf aus dem Linksblock abzulassen. Das macht er durchaus geschickt, denn letztlich war die Debatte um die Königsbrücker Straße auf der linken Seite von vornherein nur ein Scheingefecht mit feststehendem Ergebnis. Und ob der Fußgängertunnel am Neustädter Markt abgerissen wird, ist am Ende auch nicht stadtentscheidend. Klar ist die linksgrüne Mehrheit wackelig, aber in Grundsatzfragen steht das Bündnis wie einst der DDR-Parteienblock. Grüne und SPD werden jedoch keine Zukunft in einem Bündnis haben, das nur von einer Partei, nur von einer Person dominiert wird. Grüne und die SPD haben ihre Eigenständigkeit beim Linke-Fraktionsvorsitzenden André Schollbach abgegeben. Das wird sich rächen.
Wie wollen Sie Politik gestalten?
Wir stehen für klare Positionen, sind berechenbar und geradlinig. Dabei sind wir aber nie ideologisch, sondern pragmatisch und kompromissfähig. Obwohl wir nur fünf Mandate haben, kennt und erkennt man uns. Und wir haben unsere Rolle als kritische Opposition zur rot-rot-grünen Stadtratsmehrheit angenommen. Aber mit einer CDU als Partner, die immer noch nicht weiß, was sie will und wo sie hingehört, ist es nicht leicht, ein Gegengewicht zu Linksgrün aufzubauen. Dass manche schon witzeln, ich sei der Oppositionsführer im Stadtrat, zeigt angesichts der überschaubaren Größe der FDP/FB-Fraktion die Schwäche des bürgerlichen Lagers insgesamt.
Haben Sie Angst, dass Ihnen die AfD Stimmen wegnehmen wird?
Überhaupt nicht. Die AfD ist eine reine Protestpartei, die die Verärgerung in weiten Teilen der CDU-Wählerschaft und der Gesellschaft für sich nutzt. Hätten etablierte Volksparteien den Mut gehabt, die Dinge beim Namen zu nennen anstatt Frau Merkel zu beklatschen, wäre die AfD nie entstanden. In ihrem Kern ist die AfD eine rechtskonservative Truppe, sie schwankt von gemäßigt bis ultra. Ihr größtes Problem ist es aber, dass jeder weiß, dass die AfD nichts löst – nicht die Flüchtlingskrise, nicht den Fachkräftemangel und nicht die dringend benötigte qualifizierte Zuwanderung. Sie hat keine Konzepte und auch keine Referenzen dafür, dass Wirtschaft, Wissenschaft, Verkehr, Bildung und Umwelt mit ihr besser laufen. Die Skepsis, die viele in Bezug auf Seriosität, Reife und Verlässlichkeit gegenüber Repräsentanten der AfD haben, scheint nicht unbegründet, siehe Baden-Württemberg. Für Protest sind die gut. Aber mein Land, mein Leben, meine Zukunftsperspektiven in den Händen der AfD - das bitte nicht.
Hat die FDP etwa Lösungen?
Ja, natürlich. Bei der FDP weiß man, woran man ist. Wir bieten Alternativen und haben Erfahrung im Lösen von Problemen. Auch wenn wir nicht für das Populäre stehen, so haben Liberale Deutschland gerade in schwierigen Zeiten immer wieder positiv geprägt. Wenn es also schon bald darum geht, die fatalen Versäumnisse und Fehler zu beheben, die gerade große Koalitionen und der linksgrüne Zeitgeist anrichten, werden wir gefragt sein. Darauf bereiten wir uns vor. Wir haben aus unserem eigenen Scheitern bei den vergangenen Wahlen die richtigen Konsequenzen gezogen und gelernt. Unsere Zeit wird kommen.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Oberbürgermeister Dirk Hilbert?
Dirk Hilbert tut Dresden gut. Er ist der richtige Oberbürgermeister für diese Stadt in dieser Zeit und ich unterstütze ihn nach Kräften. Auch wenn wir als Fraktion mit einem klaren Wählerauftrag nicht jeden Kompromiss aktiv unterstützen können, respektieren wir sein Vermitteln zwischen den Fronten. Darin sollten sich ihn die Fraktionen ruhig mehr zum Vorbild nehmen. Er sitzt nicht im Graben, sondern baut Brücken, sucht den Ausgleich. Das ist wichtig für einen OB ohne eigene Stadtratsmehrheit, und es ist wichtig in so aufgeregten Zeiten wie jetzt. Er beruhigt die Stadt und sorgt dafür, dass wir nicht immer nur über Demos und Gegendemos, über linke und rechte Chaoten reden, sondern uns um die wirklich wichtigen Dinge kümmern. Zum Beispiel unsere Wirtschaft, den Wissenschafts- und Forschungsstandort Dresden oder unser großes Ziel, 2025 europäische Kulturhauptstadt zu werden.