FDPLiberalismus

Den Einzelnen und seine Gestaltungsmöglichkeiten verteidigen

Christian LindnerChristian Lindner über die Ordnungspolitik in der Tradition eines Ludwig Erhard
28.02.2014

Die Main-Post führt ein Gespräch mit FDP-Parteichef Christian Lindner über Liberalismus im 21. Jahrhundert, den Neuanfang der FDP und alternative Konkurrenten. Darin definiert Lindner den Freiheitsdrang der Menschen im Jahr 2014, spricht über den Staat als Schiedsrichter und kommerzielle Datensammler. Außerdem geht es um den Fall Edathy, deutsche Diplomatie und Europa.

Laut einer Umfrage bedauert jeder Vierte, dass die FDP nicht mehr im Bundestag sitzt. Und nach dem neuesten Wahltrend von „stern“ und „RTL“ konnte die FDP einen Punkt auf fünf Prozent gewinnen. Christian Lindner zeigt in dem Interview mit der „Main-Post“ Verständnis dafür, dass die Menschen abwarten und beobachten, wie die FDP sich entwickelt. Umfragen würden zeigen, dass im letzten Jahr „nicht liberale Werte wie Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Toleranz abgewählt worden sind, sondern eine FDP, die diesen Maßstäben nicht hat genügen können. Daraus leitet sich die Aufgabe ab, die FDP zu erneuern.“

Er glaubt, die Aufgabe des Liberalismus heute sei es, den Einzelnen und seine Gestaltungsmöglichkeiten zu verteidigen: „Gegen die entfesselten Gewalten von ungeordneten Märkten und gegen Politiker, die den Staat zu unserem Vormund machen wollen. Letztendlich ist es die Ordnungspolitik in der Tradition eines Ludwig Erhard oder Otto Graf Lambsdorff, die wir heute brauchen.“

Lindner verteidigt die FDP gegen Vorurteile

Lindner verteidigt die FDP auch gegen Vorurteile: „Uns geht es nicht um eine bestimmte Branche oder eine Einkommens-, Alters- oder Berufsgruppe. Uns wurde unterstellt, wir seien nur für die da, die es schon zu etwas gebracht haben. Das sind wir aber nicht. Ich habe Anerkennung für alle, die sich schon etwas aufgebaut haben. Aber unser Herz und unsere Leidenschaft gehören jedem, der sich durch Fleiß, Einsatz und Sparsamkeit erst noch etwas aufbauen will“.

Zur Rolle des Staates unterstreicht Lindner einmal mehr: „Wir brauchen einen starken Staat, der Regeln setzt. Aber keinen, der unser Miteinander in Wirtschaft und Gesellschaft durch eine Vielzahl von kleinen bürokratischen Fäden fesselt und Politikern erlaubt, mit dem Geld der Bürger Unternehmer oder Banker zu spielen. Die Menschen wollen einen Staat, der als Schiedsrichter agiert, nicht als Mitspieler. Und natürlich brauchen wir einen starken Staat, der kommerzielle Datensammler diszipliniert, sich aber selbst auch aus unserer Privatsphäre raushält.“

Das ist Bastardökonomie

In dem Gespräch geht Lindner auch auf die Bankenregulierung ein. Er erinnert daran, dass die FDP sich dafür eingesetzt hat, dass europäische Banken mehr reguliert werden, sodass dem momentanen Geschäftsgebaren durch staatliche Sanktionen engere Grenzen gesetzt werden. Zugleich stellt Lindner klar: "Die Volksbank um die Ecke vollständig durch zu regulieren – das macht keinen Sinn. Aber bei den Großen muss der Staat darauf achten, dass es nie wieder dazu kommt, dass das Geschäftsgebaren einzelner Institute dazu führt, dass der Steuerzahler als Feuerwehr gerufen wird."

Er schlägt in diesem Zusammenhang vor, das Eigenkapital der Großbanken zu erhöhen. Außerdem sieht er kritisch, dass es Staatsanleihen in den Bilanzen gibt, für die keine Risikoabsicherung vorgenommen werden muss. „Obwohl wir alle wegen der Staatsschuldenkrise in Europa wissen: Die Staatsanleihe ist kein mündelsicheres Papier mehr wie früher.“

Für Lindner ist es die ordnungspolitische Schlüsselaufgabe, den Staat von den privaten Kreditgebern durch Entschuldung unabhängig zu machen – in Berlin wird gerade das Gegenteil gemacht – und die privaten Banken so zu regulieren, dass sie haften und notfalls in die Pleite geschickt werden können. „Wenn Banken „too big to fail“ sind, also wenn ein Marktteilnehmer nicht aus dem Markt ausscheiden kann, ohne dass das System insgesamt zusammenfällt, ist das keine Marktwirtschaft mehr. Das ist Bastardökonomie.“

Tendenzen einer Bananenrepublik

Mit Blick auf die laufenden Ermittlungen gegen den Ex-SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy sagte Lindner:  „Was uns bei Edathy geboten wird, ist ja ein Skandal. In mehrfacher Hinsicht: Zum einen, weil Dienstgeheimnisse verraten werden an Unbefugte und diese Unbefugten dann das BKA behandeln wie eine nachgeordnete Behörde der SPD-Bundestagsfraktion. Der zweite Skandal ist, dass die Große Koalition die Frechheit hat zu sagen, das sei in öffentlichem Interesse passiert und um Schaden abzuwenden – da frage ich mich: von wem? Vom Staat? Nein, von der Regierungsbildung von Union und SPD. Sie betrachten also das Wohl dieser Parteien schon als das Wohl des Staats.“

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