FDPDas aktuelle InterviewBrüssel soll sich auf das Wesentliche konzentrieren
Christian Lindner macht eine Bestandsaufnahme des europäischen Projekts29.06.2016Über Europas Weg nach vorne in Zeiten von Rechtspopulismus und Krisen und über die positive Entwicklung bei den Freien Demokraten hat Christian Lindner mit der "Thüringer Allgemeinen" gesprochen. Mit Blick auf den Brexit forderte der FDP-Chef eine Rückkehr zur ursprünglichen Idee von Europa als Raum der Freiheit, der seinen Bürgern im Alltag immer neue Chancen biete. "Wir dürfen Europa nicht denen überlassen, die es hassen, sondern müssen Europa besser machen", verdeutlichte er.
Mehr Handlungsfähigkeit der EU brauche es etwa bei der Lösung der Flüchtlingskrise, der Kontrolle der EU-Außengrenze und der Bekämpfung organisierter Kriminalität sowie bei der Vollendung des Binnenmarkts und in Datenschutz-Fragen, erläuterte Lindner. "Was Brüssel aber nicht für alle regeln muss, sollte es auch nicht regeln dürfen. Denn erst die regionale Vielfalt und der Wettbewerb der Ideen machen Europa stark", ist er überzeugt.
Freie Demokraten im Aufwind
Der FDP-Chef zog außerdem eine positive Bilanz der jüngsten Landtagswahlen. "Mit unseren Themen – besseres Bildungssystem, moderne Infrastruktur, Chancen für die Mittelschicht – haben wir gut gepunktet", resümierte er. Die Chance, diese Ziele auch umzusetzen, sei der entscheidende Faktor bei der Frage, ob die FDP in eine Koalition gehe. "In Baden-Württemberg hat die FDP gesagt, wir verzichten auf Dienstwagen und Regierungsämter, weil wir in einer von den Grünen geführten Ampel unsere Politik für bessere Straßen, bessere Schulen und weniger Bürokratie nicht umsetzen können. In Rheinland-Pfalz hingegen gab es bis 2006 eine erfolgreich regierende sozial-liberale Koalition, an die man jetzt anknüpfen kann", erklärte Lindner.
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Herr Lindner, was beschäftigt Sie zurzeit mehr - der Zustand der FDP, die Flüchtlingskrise oder der Brexit?
Bei zwei von den drei Alternativen handelt es sich ja um Krisen. Die FDP ist aus der Krise raus, die Arbeit macht wieder Freude. Sorgen muss man sich um den Zustand von Europa und Deutschland. Wir dürfen Europa nicht denen überlassen, die es hassen, sondern müssen Europa besser machen. In Deutschland dürfen wir uns auf unserer gegenwärtigen Stärke nicht ausruhen, sondern müssen jetzt die Weichen dafür stellen, dass wir auch zukünftig ein starkes Land sind.
Was läuft aus Sicht der FDP falsch in Europa?
Schauen wir zur Abwechslung zuerst, was gut läuft. Man kann von Erfurt nach Lissabon fahren, ohne einen Schlagbaum zu passieren oder die Währung zu tauschen. Wir stehen als Europäer zusammen und können deshalb mit den USA und China auf Augenhöhe in Welthandelsfragen unsere Interessen vertreten. Man kann heute in Europa einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz wählen, wo man das will.
Wir lernen aber gerade, dass Europa als großartiges Wohlstands-, Freiheits- und Friedensprojekt keine Selbstverständlichkeit ist. Deshalb sollten wir es weder von Nationalisten, noch von Bürokraten infrage stellen lassen.
Ihr Blick ging gerade nach Süd- und nicht nach Nordwesten - was wird aus London?
Die Briten haben entschieden. Aber auch vorher war klar, es kann in Europa nicht so weitergehen wie bisher. Ich fordere eine Rückkehr zur ursprünglichen Idee von Europa als Raum der Freiheit, der seinen Bürgern im Alltag immer neue Chancen bietet.
Mehr Handlungsfähigkeit wünsche ich mir bei der Lösung von Problemen wie der Flüchtlingskrise, der Kontrolle der EU-Außengrenze, bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, beim Wohlstandsmotor Binnenmarkt, bei der digitalen Emanzipation von den USA durch Datenschutz oder in Sachen gemeinsamer europäischer Energiepolitik.
Was Brüssel aber nicht für alle regeln muss, sollte es auch nicht regeln dürfen. Denn erst die regionale Vielfalt und der Wettbewerb der Ideen machen Europa stark.
Die FDP war nach den Landtagswahlen im März im Gespräch, inzwischen reden alle wieder nur noch von der AfD. Was machen die anders?
Wir sehen uns nicht im Wettbewerb mit der AfD. Medien schauen dahin, wo die Macht ist. Momentan haben wir keine. Medien lieben den Skandal, den Eklat oder Tabubruch. Die FDP ist eine seriöse Partei. Da muss man akzeptieren, dass man nicht jeden Tag Gespräch am Frühstückstisch ist.
Bei den Landtagswahlen haben wir gezeigt, dass wir über die starken Nerven verfügen, dies auszuhalten. Mit unseren Themen - besseres Bildungssystem, moderne Infrastruktur, Chancen für die Mittelschicht - haben wir gut gepunktet.
Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern könnte die AfD stärkste Kraft werden - wie viele Wählerstimmen bleiben für die FDP?
Unsere Wähler sind weltoffene Menschen, die ihre Freiheit lieben, die großzügig und tolerant sind gegenüber anderen Menschen. Sie setzten darauf, dass der Rechtsstaat seine Regeln durchsetzt, sie wollen aber nicht permanent Kommandos eines Obrigkeitsstaates entgegennehmen. Damit sind unsere Wähler das genaue Gegenteil der AfD-Wähler. Wer AfD trotz rassistischer Äußerungen über Herrn Boateng und der fehlenden Abgrenzung von offensichtlichem Antisemitismus wählt, der ist kein Liberaler und war es nie.
Die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz haben Sie als absolute Ausnahme bezeichnet. Was muss die FDP tun, um sich den Wunschpartner wieder aussuchen zu können?
Wir haben keinen Wunschpartner. Wir entscheiden nach unserem Programm und gehen lieber in die Opposition, wenn wir unsere Ziele nicht umsetzen können. In Baden-Württemberg hat die FDP gesagt, wir verzichten auf Dienstwagen und Regierungsämter, weil wir in einer von den Grünen geführten Ampel unsere Politik für bessere Straßen, bessere Schulen und weniger Bürokratie nicht umsetzen können.
In Rheinland-Pfalz hingegen gab es bis 2006 eine erfolgreich regierende sozial-liberale Koalition, an die man jetzt anknüpfen kann. Politisch interpretiere ich das eher als eine Neuauflage von Rot-Gelb. Eine vergleichbare Konstellation gibt es weder im Bund noch in irgendeinem anderen Bundesland.
Oppositionspolitik ist gerade viel Meckerpolitik. Erschwert dass die Rolle der FDP?
Nein, gar nicht. Defizite aufdecken ist der Auftrag der Opposition. Im Bundestag ist sie viel zu schwach und kommt nur von links. Stichwort Digitalisierung: Die Bundesregierung setzt auf die Telekom als Monopolisten und damit auf Kupferkabel. Wir sagen: Warum lässt man es nicht marktwirtschaftlich und fördert Investitionen in die Glasfasertechnologie?
Stichwort Energie: Wieso brauchen wir Subventionen für die Energie? Wir sagen: Schaffen wir doch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ab, denn inzwischen rechnet sich das auch ohne Subventionen. Das ist kein Meckern. Das sind Vorschläge, um dieses großartige Land noch besser zu machen.
Wie geht dieses großartige Land aus Ihrer Sicht mit der Flüchtlingskrise um?
Schlecht, weil nicht konsequent. Deutschland darf sich nicht abschotten. Wir haben eine humanitäre Verpflichtung gegenüber Menschen, die wirklich bedroht sind. Und wir haben ein Interesse, qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland einzuladen. Aber das Asylrecht ist eben kein allgemeiner Einwanderungsparagraf, diesen Eindruck hat Frau Merkel leider zeitweise erweckt.
Wir brauchen also ein Einwanderungsgesetz, das klar unterscheidet zwischen Bedrohten und Nicht-Bedrohten. Die Bedrohten bekommen Schutz, aber nur so lange wie die Bedrohung anhält, danach müssen sie in der Regel zurück. Wer nicht bedroht ist, muss sofort ausreisen. Beide Gruppen sollen aber die Gelegenheit haben, sich um einen legalen Aufenthalt zu bewerben, wenn sie die Sprache sprechen, keine Straftaten begangen haben und Verantwortung für den eigenen Lebensunterhalt übernehmen können.
Inzwischen greift der Deal mit der Türkei - müssen Sie Ihre Kritik revidieren?
Nein. Ich empfehle unverändert eine größere Unabhängigkeit von der Türkei. Dazu gehört für mich die Stärkung von Frontex, des gemeinsamen EU-Grenzschutzes. Da gibt es nun endlich Schritte in die richtige Richtung, die mir aber zu zaghaft sind. Europa braucht eine echte Grenzpolizei. Man sollte dann natürlich trotzdem mit der Türkei sprechen und Gemeinsamkeiten suchen. Aber dieses zombiehafte EU-Beitrittsverfahren muss beendet werden.
Wie sehen Sie Ihre Zukunft nach der Bundestagswahl 2017?
Dann setzen wir den Erneuerungsprozess fort. Eines haben wir gelernt: Man muss flexibel und neugierig bleiben, braucht die Demut, sich immer wieder neu infrage zu stellen. Und ich freue mich darauf, nicht mehr nur über die Medien, sondern auch wieder im Parlament der Regierung einen anderen Weg aufzuzeigen.
Vielleicht als Vizekanzler?
Selbst wenn es eine schwarz-gelbe Mehrheit käme, bin ich mir nicht sicher, ob es auch eine schwarz-gelbe Regierung gibt. Wir haben aus der Zeit 2009 bis 2013 unsere Schlüsse gezogen. Wie gesagt, es geht uns nicht um Posten, Karrieren und Dienstwagen, sondern darum, unsere Politik umzusetzen. Wenn das nicht möglich wäre, ist eine freiheitsliebende Opposition genauso ehrenvoll.
Was raten Sie der FDP in Thüringen?
Ich muss ihr nichts raten. Unsere Thüringer Freundinnen und Freunde haben sich mit Thomas Kemmerich neu aufgestellt. Sie bringen sich stark in die Wirtschafts- und Mittelstandspolitik der Bundespartei ein. Ich bin mir sicher, würde jetzt gewählt, wäre die FDP auch in Thüringen wieder im Landtag.
Brüssel soll sich auf das Wesentliche konzentrieren
Christian Lindner macht eine Bestandsaufnahme des europäischen ProjektsÜber Europas Weg nach vorne in Zeiten von Rechtspopulismus und Krisen und über die positive Entwicklung bei den Freien Demokraten hat Christian Lindner mit der "Thüringer Allgemeinen" gesprochen. Mit Blick auf den Brexit forderte der FDP-Chef eine Rückkehr zur ursprünglichen Idee von Europa als Raum der Freiheit, der seinen Bürgern im Alltag immer neue Chancen biete. "Wir dürfen Europa nicht denen überlassen, die es hassen, sondern müssen Europa besser machen", verdeutlichte er.
Mehr Handlungsfähigkeit der EU brauche es etwa bei der Lösung der Flüchtlingskrise, der Kontrolle der EU-Außengrenze und der Bekämpfung organisierter Kriminalität sowie bei der Vollendung des Binnenmarkts und in Datenschutz-Fragen, erläuterte Lindner. "Was Brüssel aber nicht für alle regeln muss, sollte es auch nicht regeln dürfen. Denn erst die regionale Vielfalt und der Wettbewerb der Ideen machen Europa stark", ist er überzeugt.
Freie Demokraten im Aufwind
Der FDP-Chef zog außerdem eine positive Bilanz der jüngsten Landtagswahlen. "Mit unseren Themen – besseres Bildungssystem, moderne Infrastruktur, Chancen für die Mittelschicht – haben wir gut gepunktet", resümierte er. Die Chance, diese Ziele auch umzusetzen, sei der entscheidende Faktor bei der Frage, ob die FDP in eine Koalition gehe. "In Baden-Württemberg hat die FDP gesagt, wir verzichten auf Dienstwagen und Regierungsämter, weil wir in einer von den Grünen geführten Ampel unsere Politik für bessere Straßen, bessere Schulen und weniger Bürokratie nicht umsetzen können. In Rheinland-Pfalz hingegen gab es bis 2006 eine erfolgreich regierende sozial-liberale Koalition, an die man jetzt anknüpfen kann", erklärte Lindner.
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Herr Lindner, was beschäftigt Sie zurzeit mehr - der Zustand der FDP, die Flüchtlingskrise oder der Brexit?
Bei zwei von den drei Alternativen handelt es sich ja um Krisen. Die FDP ist aus der Krise raus, die Arbeit macht wieder Freude. Sorgen muss man sich um den Zustand von Europa und Deutschland. Wir dürfen Europa nicht denen überlassen, die es hassen, sondern müssen Europa besser machen. In Deutschland dürfen wir uns auf unserer gegenwärtigen Stärke nicht ausruhen, sondern müssen jetzt die Weichen dafür stellen, dass wir auch zukünftig ein starkes Land sind.
Was läuft aus Sicht der FDP falsch in Europa?
Schauen wir zur Abwechslung zuerst, was gut läuft. Man kann von Erfurt nach Lissabon fahren, ohne einen Schlagbaum zu passieren oder die Währung zu tauschen. Wir stehen als Europäer zusammen und können deshalb mit den USA und China auf Augenhöhe in Welthandelsfragen unsere Interessen vertreten. Man kann heute in Europa einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz wählen, wo man das will.
Wir lernen aber gerade, dass Europa als großartiges Wohlstands-, Freiheits- und Friedensprojekt keine Selbstverständlichkeit ist. Deshalb sollten wir es weder von Nationalisten, noch von Bürokraten infrage stellen lassen.
Ihr Blick ging gerade nach Süd- und nicht nach Nordwesten - was wird aus London?
Die Briten haben entschieden. Aber auch vorher war klar, es kann in Europa nicht so weitergehen wie bisher. Ich fordere eine Rückkehr zur ursprünglichen Idee von Europa als Raum der Freiheit, der seinen Bürgern im Alltag immer neue Chancen bietet.
Mehr Handlungsfähigkeit wünsche ich mir bei der Lösung von Problemen wie der Flüchtlingskrise, der Kontrolle der EU-Außengrenze, bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, beim Wohlstandsmotor Binnenmarkt, bei der digitalen Emanzipation von den USA durch Datenschutz oder in Sachen gemeinsamer europäischer Energiepolitik.
Was Brüssel aber nicht für alle regeln muss, sollte es auch nicht regeln dürfen. Denn erst die regionale Vielfalt und der Wettbewerb der Ideen machen Europa stark.
Die FDP war nach den Landtagswahlen im März im Gespräch, inzwischen reden alle wieder nur noch von der AfD. Was machen die anders?
Wir sehen uns nicht im Wettbewerb mit der AfD. Medien schauen dahin, wo die Macht ist. Momentan haben wir keine. Medien lieben den Skandal, den Eklat oder Tabubruch. Die FDP ist eine seriöse Partei. Da muss man akzeptieren, dass man nicht jeden Tag Gespräch am Frühstückstisch ist.
Bei den Landtagswahlen haben wir gezeigt, dass wir über die starken Nerven verfügen, dies auszuhalten. Mit unseren Themen - besseres Bildungssystem, moderne Infrastruktur, Chancen für die Mittelschicht - haben wir gut gepunktet.
Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern könnte die AfD stärkste Kraft werden - wie viele Wählerstimmen bleiben für die FDP?
Unsere Wähler sind weltoffene Menschen, die ihre Freiheit lieben, die großzügig und tolerant sind gegenüber anderen Menschen. Sie setzten darauf, dass der Rechtsstaat seine Regeln durchsetzt, sie wollen aber nicht permanent Kommandos eines Obrigkeitsstaates entgegennehmen. Damit sind unsere Wähler das genaue Gegenteil der AfD-Wähler. Wer AfD trotz rassistischer Äußerungen über Herrn Boateng und der fehlenden Abgrenzung von offensichtlichem Antisemitismus wählt, der ist kein Liberaler und war es nie.
Die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz haben Sie als absolute Ausnahme bezeichnet. Was muss die FDP tun, um sich den Wunschpartner wieder aussuchen zu können?
Wir haben keinen Wunschpartner. Wir entscheiden nach unserem Programm und gehen lieber in die Opposition, wenn wir unsere Ziele nicht umsetzen können. In Baden-Württemberg hat die FDP gesagt, wir verzichten auf Dienstwagen und Regierungsämter, weil wir in einer von den Grünen geführten Ampel unsere Politik für bessere Straßen, bessere Schulen und weniger Bürokratie nicht umsetzen können.
In Rheinland-Pfalz hingegen gab es bis 2006 eine erfolgreich regierende sozial-liberale Koalition, an die man jetzt anknüpfen kann. Politisch interpretiere ich das eher als eine Neuauflage von Rot-Gelb. Eine vergleichbare Konstellation gibt es weder im Bund noch in irgendeinem anderen Bundesland.
Oppositionspolitik ist gerade viel Meckerpolitik. Erschwert dass die Rolle der FDP?
Nein, gar nicht. Defizite aufdecken ist der Auftrag der Opposition. Im Bundestag ist sie viel zu schwach und kommt nur von links. Stichwort Digitalisierung: Die Bundesregierung setzt auf die Telekom als Monopolisten und damit auf Kupferkabel. Wir sagen: Warum lässt man es nicht marktwirtschaftlich und fördert Investitionen in die Glasfasertechnologie?
Stichwort Energie: Wieso brauchen wir Subventionen für die Energie? Wir sagen: Schaffen wir doch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ab, denn inzwischen rechnet sich das auch ohne Subventionen. Das ist kein Meckern. Das sind Vorschläge, um dieses großartige Land noch besser zu machen.
Wie geht dieses großartige Land aus Ihrer Sicht mit der Flüchtlingskrise um?
Schlecht, weil nicht konsequent. Deutschland darf sich nicht abschotten. Wir haben eine humanitäre Verpflichtung gegenüber Menschen, die wirklich bedroht sind. Und wir haben ein Interesse, qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland einzuladen. Aber das Asylrecht ist eben kein allgemeiner Einwanderungsparagraf, diesen Eindruck hat Frau Merkel leider zeitweise erweckt.
Wir brauchen also ein Einwanderungsgesetz, das klar unterscheidet zwischen Bedrohten und Nicht-Bedrohten. Die Bedrohten bekommen Schutz, aber nur so lange wie die Bedrohung anhält, danach müssen sie in der Regel zurück. Wer nicht bedroht ist, muss sofort ausreisen. Beide Gruppen sollen aber die Gelegenheit haben, sich um einen legalen Aufenthalt zu bewerben, wenn sie die Sprache sprechen, keine Straftaten begangen haben und Verantwortung für den eigenen Lebensunterhalt übernehmen können.
Inzwischen greift der Deal mit der Türkei - müssen Sie Ihre Kritik revidieren?
Nein. Ich empfehle unverändert eine größere Unabhängigkeit von der Türkei. Dazu gehört für mich die Stärkung von Frontex, des gemeinsamen EU-Grenzschutzes. Da gibt es nun endlich Schritte in die richtige Richtung, die mir aber zu zaghaft sind. Europa braucht eine echte Grenzpolizei. Man sollte dann natürlich trotzdem mit der Türkei sprechen und Gemeinsamkeiten suchen. Aber dieses zombiehafte EU-Beitrittsverfahren muss beendet werden.
Wie sehen Sie Ihre Zukunft nach der Bundestagswahl 2017?
Dann setzen wir den Erneuerungsprozess fort. Eines haben wir gelernt: Man muss flexibel und neugierig bleiben, braucht die Demut, sich immer wieder neu infrage zu stellen. Und ich freue mich darauf, nicht mehr nur über die Medien, sondern auch wieder im Parlament der Regierung einen anderen Weg aufzuzeigen.
Vielleicht als Vizekanzler?
Selbst wenn es eine schwarz-gelbe Mehrheit käme, bin ich mir nicht sicher, ob es auch eine schwarz-gelbe Regierung gibt. Wir haben aus der Zeit 2009 bis 2013 unsere Schlüsse gezogen. Wie gesagt, es geht uns nicht um Posten, Karrieren und Dienstwagen, sondern darum, unsere Politik umzusetzen. Wenn das nicht möglich wäre, ist eine freiheitsliebende Opposition genauso ehrenvoll.
Was raten Sie der FDP in Thüringen?
Ich muss ihr nichts raten. Unsere Thüringer Freundinnen und Freunde haben sich mit Thomas Kemmerich neu aufgestellt. Sie bringen sich stark in die Wirtschafts- und Mittelstandspolitik der Bundespartei ein. Ich bin mir sicher, würde jetzt gewählt, wäre die FDP auch in Thüringen wieder im Landtag.