19.07.2012FDP-FraktionAußenpolitik

BRÜDERLE-Interview für die Passauer Neue Presse

BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab der Passauer neuen Presse (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Rasmus BUCHSTEINER:

Frage: Herr Brüderle, wie viel Verständnis haben Sie für Koalitionsabgeordnete, die heute im Bundestag die Banken-Hilfen für Spanien ablehnen?

BRÜDERLE: Kein Abgeordneter macht es sich leicht mit seiner Entscheidung. Das gilt auch für die vielen Kollegen, die zustimmen werden. Deshalb fordere ich Respekt für die große Mehrheit im Bundestag, die sich aus guten Gründen für die Spanienhilfen entscheiden will. Spanien hat bereits Reformen in Angriff genommen und braucht jetzt die Unterstützung Europas. Die Situation ist nicht einfach, aber wir sind zuversichtlich.

Frage: Hat die Koalition die Entschlossenheit verlassen oder warum verzichtet Schwarz-Gelb darauf, die Spanien-Milliarden mit Kanzlermehrheit zu verabschieden?

BRÜDERLE: Die Koalition ist entschlossen und handlungsfähig. Wir wählen heute keine Kanzlerin, sondern wir treffen eine Sachentscheidung. Wir haben bisher bei jeder Abstimmung die notwendige Mehrheit bekommen und ich gehe davon aus, das wird auch diesmal so sein.

Frage: SPD-Chef Sigmar Gabriel droht bereits, Schwarz-Gelb bei Euro-Abstimmungen im Bundestag nicht mehr länger zu unterstützen und warnt vor Hilfen für Spekulanten. Ist der Konsens beim Krisenmanagement bald vorüber?

BRÜDERLE: Die SPD verfolgt doch unter Herrn Gabriel einen einzigen europapolitischen Schlingerkurs. Einmal paktiert sie mit den Sozialisten in Frankreich und schwächt so die Position der Bundesregierung in Brüssel. Jetzt deutet Herr Gabriel einen Anti-Europa-Kurs an. Davor kann ich die SPD nur warnen. Sie befinden sich im Bundestag dann lediglich in Gesellschaft der Linkspartei. Die SPD muss sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen will. Die SPD ist mitverantwortlich für die heutige Krise, denn sie war es, die in Europa die Stabilitätskriterien aufgeweicht und als erste gebrochen hat. Im Übrigen erinnere ich daran, dass die meisten Deregulierungen in rot-grüner Zeit erfolgt sind. Sie haben damals Hedgefonds und den hochspekulativen Derivatehandel zugelassen. Davon will Herr Gabriel heute nichts mehr wissen. Erst den Drachen zu füttern und dann Siegfried zu spielen, ist nicht redlich.

Frage: Es geht um hundert Milliarden Euro. Werden Deutschlands Steuerzahler ihren Anteil jemals wiedersehen?

BRÜDERLE: Bislang haben die Hilfsempfänger ihre Kredite bedient. Spanien ist im Kern ein starkes Land. Es muss seine Probleme mit den Banken in den Griff bekommen. Dabei helfen wir, aber wir machen das nicht ohne Gegenleistung.

Frage: Das Bundesverfassungsgericht will über den Rettungsmechanismus ESM erst am 12. September entscheiden. Droht wegen des langen Wartens auf Karlsruhe nicht neue Unsicherheit an den Märkten?

BRÜDERLE: Das Verfassungsgericht ist aus gutem Grund unabhängig. Dies respektieren wir und warten die Entscheidung ab. Außerdem sind die Märkte durch den angekündigten Zeitplan nicht in Aufruhr geraten. Der Bundesbankpräsident hat darauf hingewiesen, dass die Beratungszeit bereits eingepreist ist. Auch die Eurogruppe hat sich erleichtert gezeigt, dass das Bundesverfassungsgericht im September entscheidet. Daher sollten wir hier nicht die Pferde scheu machen.

Frage: Wie sicher sind Sie, dass Karlsruhe am Ende grünes Licht gibt?

BRÜDERLE: Gerade um alle rechtlichen Bedenken endgültig auszuräumen, befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit dem ESM und dem Fiskalpakt. Die Bundesregierung hat im Vorfeld der Entscheidung eine rechtliche Prüfung vorgenommen und kam zu dem Ergebnis, dass sämtliche Regelungen verfassungskonform sind. Der Bundestag hat daraufhin mit großer Mehrheit zugestimmt. Ich bin zuversichtlich, dass Karlsruhe dieser Einschätzung folgt.

Frage: Wann wird Italien zum Fall für die Euro-Rettungsschirme?

BRÜDERLE: Schaut man sich die Vermögen und die private Sparquote an, drängt sich der Eindruck auf, dass sich Italien gut selbst helfen kann. Italien ist eine Industrienation mit einer starken Wirtschaft. Die jetzige italienische Regierung hat erste Reformschritte eingeleitet und das Land kommt ohne Hilfe aus. Wenn sie den Reform- und Sparkurs beibehalten bleibt das auch so. Ich habe großes Vertrauen zum italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti. Er hat für Europa in seiner Zeit als EU-Kommissar wichtige Denkanstöße für mehr Wettbewerb in Europa gegeben. Er wird dies sicherlich auch in seiner derzeitigen Funktion in Italien beherzigen und umsetzen.

Frage: Wie lange reicht Ihre Geduld mit Griechenland noch?

BRÜDERLE: Wir sind solidarisch, aber Solidarität ist keine Einbahnstraße. Auch bei den zeitlichen Vorgaben kann es jetzt nicht sein, dass man Griechenland noch einmal mehrere Jahre entgegenkommt. Für mich sind höchstens einige Wochen vorstellbar. Griechenland ist ein souveräner Staat und kein Anhängsel von Europa. Die griechische Regierung muss selbst entscheiden, welchen Weg sie einschlagen will. Es gibt großen Reformbedarf in Griechenland und die Anstrengungen dort müssen dringend verstärkt werden. Für uns ist klar: Ohne Leistung gibt es keine Gegenleistung.
573-bruederle_interview-passauer_neue_presse_19-07-2012_12.pdf

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