BRÜDERLE-Interview für das Handelsblatt
BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab dem Handelsblatt (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Thomas Sigmund.
Frage: Herr Brüderle, in einer Spitzenrunde am Sonntag will die Koalition den Streit über ihre wichtigsten Projekte bis zur Bundestagswahl beilegen. Wie stehen die Chancen für eine Einigung?
BRÜDERLE: Wir einigen uns ständig in wichtigen Fragen. Deutschland wird erfolgreich von Union und FDP regiert. Wir haben in dieser Legislaturperiode schon viel auf den Weg gebracht, angefangen von der Aussetzung der Wehrplicht bis hin zur Eurostabilisierung. Ich bin zuversichtlich, dass wir jeweils bei den einzelnen Punkten zu einer guten Lösung kommen werden. Ob das schon am Sonntag alles gelingt oder in den nächsten Wochen, wird sich zeigen.
Frage: FDP-Chef Philipp Rösler hat aber jüngst zentrale Projekte von CDU und CSU, ob Betreuungsgeld oder Zuschussrente, zerpflückt. Welcher Kurs gilt denn nun?
BRÜDERLE: So habe ich Philipp Rösler nicht verstanden. Es ist legitim, dass die Partner in einer Koalition vor Verhandlungen ihre Interessen deutlich machen, aber am Ende den Kompromiss gemeinsam vertreten. Da bin ich mir mit Philipp Rösler einig.
Frage: Kommen wir zu den konkreten Punkten der Spitzenrunde. Wird das umstrittene Betreuungsgeld kommen?
BRÜDERLE: Die FDP ist vertragstreu. Wir haben im Koalitionsvertrag ein Betreuungsgeld vereinbart, aber über die Ausgestaltung werden wir jetzt reden. Der FDP ist etwa eine Bildungskomponente wichtig.
Frage: Wie sieht es mit der Praxisgebühr und der Senkung der Kassenbeiträge aus?
BRÜDERLE: Entscheidend ist für mich, dass die Krankenkassen keine Sparkassen sind. Die Überschüsse sollten so weit wie möglich an die Versicherten zurückgegeben werden. Der einfachste und unbürokratischste Weg wäre die Abschaffung der Praxisgebühr. Wenn die Union zusätzlich die Krankenkassenbeiträge senken möchte, können wir gerne darüber reden.
Frage: Gibt es bereits eine Kompromisslinie bei der Rente?
BRÜDERLE: Schwarz-Gelb hat gerade die Senkung der Beiträge beschlossen. Das entlastet die Beitragszahler um sechs Milliarden Euro pro Jahr und stabilisiert zugleich die Rentenhöhe. Arbeitnehmer und Rentner profitieren also gemeinsam. Wir sind uns grundsätzlich auch über eine Stärkung der Vorsorge gegen Altersarmut einig.
Frage: Wie steht es um die Finanzierung?
BRÜDERLE: Über die Wege und die Finanzierung müssen wir sprechen. Klar ist für uns: die Beitragszahler dürfen nicht belastet werden. Und bei einer Steuerfinanzierung müssen wir unsere ambitionierten Konsolidierungsziele, also die Gegenfinanzierung im Blick haben.
Frage: Wie lässt sich das alles mit dem Plan vereinbaren, beim Haushalt bereits 2014 ohne neue Schulden auszukommen?
BRÜDERLE: Das ist ein ambitioniertes Ziel. Das wissen wir. Der Bundesfinanzminister kann sich ja gerade über Rekordsteuereinnahmen freuen. Wir setzen bei der Haushaltskonsolidierung auf seine Durchsetzungskraft. Unsere Unterstützung hat er.
Frage: FDP-Chef Rösler gilt als angeschlagen. Wer hat eigentlich bei den Verhandlungen für die FDP am Sonntag das Sagen: Sie oder Rösler?
BRÜDERLE: Wir stimmen uns ab. Aber die Verhandlungsführung hat selbstverständlich der Parteivorsitzende.