13.04.2013FDPEnergiepolitik

BRÜDERLE-Interview für die "Schleswig-Holsteinische Landeszeitung"

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab der "Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte HELGE MATTHIESEN:

Frage: Freuen Sie sich darauf, Herrn Kubicki in der Fraktion zu haben?

BRÜDERLE: Wir sind seit Jahren befreundet. Er hat seinen eigenen Kopf und ist ein origineller Typ. Angepasste Menschen sind ja nicht immer gerade kreativ. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.

Frage: Braucht die FDP die Wahlkampflokomotive Kubicki?

BRÜDERLE: Er hat sich gut überlegt, ob er in die Bundespolitik geht. Ich habe mich schon gefreut, als er diesen Entschluss gefasst hat. Er hat bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein in einer schwierigen Zeit gezeigt, was er kann. Er versteht etwas von Kampagnen. Ich sehe ihn als eine Verstärkung.

Frage: Wer wird denn häufiger in Talkshows sitzen - Sie oder Herr Kubicki?

BRÜDERLE: Das ist egal. Hauptsache, wir sind dort gut vertreten und es dient der gemeinsamen Sache. Das ist viel wichtiger.

Frage: Wie geht es weiter mit der Landespolitik? Viele Menschen sagen ja, Kubicki ist der wichtigste Oppositionspolitiker im Land. Ist er ersetzbar?

BRÜDERLE: Er bleibt ja seinem Heimatland immer verbunden, denn er wird ja in Berlin auch für sein Land kämpfen. Wenn er Fehlentwicklungen sieht, wird er sicherlich nicht schweigen. Im Übrigen ist die FDP hier im Land gut aufgestellt.

Frage: Die Umfragewerte für die FDP sind wieder gut. Ist das Thema Leihstimmen damit erledigt?

BRÜDERLE: Wir haben aus guten Gründen in Deutschland ein Zweitstimmenwahlrecht, bei dem man differenzieren kann. Die Möglichkeit der Stimmenteilung ist dabei bewusst geschaffen worden. So wollte man auch regionale Ungleichgewichte ausgleichen. Wenn die Wähler das verstanden haben und davon Gebrauch machen, dann ist das in Ordnung. Es gibt weder bei der CDU noch bei der SPD eine Abteilung zum Ausleihen von Stimmen. Die bewusste Entscheidung der Wähler sollte man respektieren und nicht negativ bewerten.

Frage: Sie schauen optimistisch auf die Wahl?

BRÜDERLE: Deutschland wird erfolgreich regiert. Wir haben stabiles Wachstum, einen stabilen Haushalt und Beschäftigtenrekorde. Deshalb hat die christlich-liberale Koalition gute Chancen, bei der Wahl bestätigt zu werden. Die Menschen wissen, was ihnen bei Rot-Rot-Grün droht: hohe Schulden und hohe Steuern.

Frage: Die FDP hat mit ihrer Führungsdebatte ein paar schwierige Monate hinter sich. Ist dieser Aufschwung die Stärke der FDP oder ist das die Schwäche der anderen?

BRÜDERLE: So eine Entwicklung hat ja immer mehrere Gründe. Die FDP hat inzwischen personell wieder Tritt gefasst. Die Mannschaft hat sich zusammengefunden und stellt sich in den Wirkungsmöglichkeiten wieder deutlicher dar. Deutschland geht es gut, keinem westlichen Industrieland geht es besser. Das liegt auch an der richtigen Politik in Berlin. Dafür stehen wir. Es wird im Wahlkampf ein Kernpunkt sein, den Wählern zu sagen: Macht die FDP stark, damit wir diese Politik fortsetzen können.

Frage: Es sind nach wie vor Stimmen zu hören, die der FDP nicht so recht zutrauen, dass die neue Führungsmannschaft hält. Wie geht es nach der Wahl weiter?

BRÜDERLE: Wir haben die Entscheidungen getroffen. Philipp Rösler ist Vorsitzender und ich bin der Spitzenkandidat. Zwischen uns passt kein Blatt Papier. Ich bin überzeugt davon, dass die neue Spitze erfolgreich ist.

Frage: Wir haben den steilen Aufstieg der Piraten erlebt. Derzeit sieht es für diese Partei nicht so gut aus: Was bleibt von den Piraten?

BRÜDERLE: Ich glaube nicht viel. Sie haben sich ja stark mit Eigentumsrechten im Internet beschäftigt. Es kann aber nicht funktionieren, dass jeder alles bekommt, ohne dafür zu bezahlen. Es war nicht alles unsympathisch, was da an Ideen kam, aber doch ein wenig realititätsfern.

Frage: Gibt es Themen, die auch bei der FDP eine Heimat finden können?

BRÜDERLE: Das ist sicherlich der ganze Bereich des Internets. Wir sind ja mitten in einer großen technologischen Revolution. Der betrifft viele gesellschaftliche Prozesse. Der Zugang zu Informationen ist beinahe unbeschränkt. Die Freiheiten müssen wir auch nutzen. Aber wir müssen schon Acht geben und uns Regeln setzen, die auch funktionieren. Denken Sie an den Kampf gegen Kinderpornografie. Denken sie an die Leistungsschutzrechte, die dafür sorgen, dass das geistige Eigentum auch Eigentum bleibt. Wir müssen den Freiheitsraum bewahren, aber einen fairen und rechtlich klaren Ordnungsrahmen setzen.

Frage: Die Grünen sind nach ihrem steilen Aufstieg in den Umfragen wieder bei Normalwerten gelandet. Viele halten sie für eine linksliberale Partei. Ist diese Konjunktur nach dem Ende der Atomdebatte vorbei?

BRÜDERLE: Die Grünen stehen ja auch für eine linke Politik. Schauen Sie sich die Steuerpolitik von Herrn Trittin an, die auf weit höhere Belastungen hinauslaufen. Das halte ich für falsch: Es gab noch nie so viele Steuereinnahmen in Deutschland wie heute. Dieser rot-grünen Steuererhöhungsorgie stellen wir uns entgegen.

Frage: Sie haben mit der Steuerdebatte auch nicht unbedingt gute Erfahrungen gemacht. Wird das noch einmal Thema werden?

BRÜDERLE: Wir müssen immer darauf achten, dass wir die Bürger nicht zusätzlich belasten. Wir haben ja seit ein paar Jahren den erfreulichen Umstand, dass die Reallöhne wieder steigen. Jetzt merken die Menschen, wie bei der Einkommensteuer die kalte Progression wirkt und wie sie ihren Mehrverdienst wieder verlieren, weil sie in eine höhere Stufe kommen. Deshalb haben wir den Abbau der kalten Progression beschlossen. Es ist ein Skandal, dass Trittin und Steinbrück durch ihre rot-grüne Blockade im Bundesrat den Menschen diese Entlastung verweigern.

Frage: Was ist mit dem Solidaritätszuschlag?

BRÜDERLE: Auch hier muss eine Entlastung das Ziel bleiben. Schon der Titel ist ja irreführend. Das Geld fließt in den großen Topf. Wir haben im Steuerrecht keine Zweckbindung. Und die Menschen zwischen Rügen und Erzgebirge müssen ihn genauso zahlen. Der Solidarpakt läuft bis 2019. Schon heute fließt nur etwa die Hälfte des Soli-Aufkommens in den Solidarpakt. Es wird daher Zeit, ihn schon vor 2019 in Schritten abzubauen. Das scheint mir auch verfassungsrechtlich geboten, denn so eine Abgabe ist immer zeitlich befristet. Nach dann bald 30 Jahren ist es Zeit für ein Ende.

Frage: Wir diskutieren in Schleswig-Holstein derzeit um das Thema Zwischenlager. Wird auch das den Wahlkampf bestimmen oder schafft die Bundesregierung noch eine Lösung vor dem September?

BRÜDERLE: Für mich geht die Diskussion da derzeit völlig durcheinander. Wir haben in Gorleben ja durchaus Kapazitäten für ein Zwischenlager. Die Länder können jedoch eigenständig entscheiden. Ich höre hier unterschiedliche Stimmen zu dem Thema. Ich kann keine einheitliche Haltung der Kieler Landesregierung erkennen.

Frage: Beim Nord-Ostsee-Kanal hat man süddeutschen Politikern vorgeworfen, sie verstünden nichts von der Schifffahrt und den Häfen. Ist das ein gerechter Vorwurf?

BRÜDERLE: Der Nord-Ostsee-Kanal ist außerordentlich wichtig für die deutsche Wirtschaft. Es ist für mich gar keine Frage, dass der Kanal funktionsfähig gehalten werden muss. Es sind 300 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden. Jetzt müssen auch die Behörden vor Ort aktiv werden. Man kann ja nicht nur sagen, wir brauchen mehr Geld.

Frage: Also kein Problem zwischen Norddeutschen und Süddeutschen?

BRÜDERLE: Bei mir jedenfalls nicht. Ich bin gern im Norden. Und die FDP spielt die Länder und Regionen in Deutschland sicher nicht gegeneinander aus. Besonders die christlich-liberal regierten Länder Hessen und Bayern sind ja solidarisch und überweisen seit vielen Jahren, viel Geld über den Länderfinanzausgleich in den Norden. Rot-Grün sollte mit dem Geld hier oben aber auch vernünftig umgehen.

Frage: Sie haben in den zurückliegenden Tagen unangenehme Erfahrungen mit dem Phänomen Shitstorm machen müssen. Ist diese Form der Auseinandersetzung für die Politik eigentlich relevant?

BRÜDERLE: Es ist ja ein Phänomen der Zeit. Die neue Technik macht es möglich, dass viele Menschen sehr schnell reagieren können.

Frage: Glauben sie, dass aus dieser Form der Auseinandersetzung etwas Konstruktives werden kann?

BRÜDERLE: Das hoffe ich doch. Wir sind da am Beginn eines neuen Zeitalters.

Frage: Was werden die großen Wahlkampfthemen werden?

BRÜDERLE: Die europäische Entwicklung und die Geldwertstabilität werden für uns zentrale Themen sein. Wichtig wird die wirtschaftliche Entwicklung sein. Wir müssen dafür sorgen, dass Deutschland erfolgreich bleibt.

Frage: Welche Rolle wird das Thema Energiewende, das Thema Strompreise spielen?

BRÜDERLE: Das wird eine wichtige Rolle spielen. Durch eine jahrelange rot-grüne Fehlsteuerung bei den Subventionen für die Erneuerbaren Energien wurden auch die Strompreise nach oben getrieben. Schwarz-Gelb muss jetzt die Probleme lösen, die Herr Trittin und Herr Gabriel verursacht haben. Wir haben die Subventionen schon deutlich gesenkt. Wir brauchen eine grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hin zu mehr Effizienz und Vernunft. Der Wildwuchs bei Windrädern und Solaranlagen ohne ausreichende Netze und Speichermöglichkeiten muss beendet werden.

Frage: Glauben Sie, dass europakritische Parteien bei der Bundestagswahl eine Chance haben werden?

BRÜDERLE: Die Menschen wissen, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Wir wollen Europa verlässlich und stabil gestalten. Dafür hat die Bundesregierung eine Menge getan. Solange wir den Menschen überzeugend darlegen können, dass wir die Prinzipien auch umsetzen, solange wird es eine Anti-Europa-Stimmung auch nicht geben. Aber das muss die Politik auch liefern. Das ist gerade für die FDP eine wichtige Aufgabe.

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